Menschen aus dem 3D-Drucker

Industrie 4.0: Roboter sind die nächste Gefahr für unsere Arbeitsplätze. Aber was kommt danach? Werden wir durch gedruckte "Menschen" ersetzt?

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"Industrie 4.0" ist der rote Faden durch die ARD Themenwoche „Zukunft der Arbeit“, in der die Auswirkungen der digitalen industriellen Revolution auf unsere Arbeitswelt einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden.
In dem Beitrag „Wenn Roboter fühlen lernen“ von Anne Jerratsch und Jennifer Eilitz, der am 2.November 2016 im Freitag veröffentlicht wurde, behandeln die Autorinnen die Frage, ob und inwieweit Roboter menschliche Emotionen von sich geben und diese bei Menschen erkennen und richtig bewerten können.

Zweifellos eine interessante Fragestellung, bei der man sich leicht damit herausreden kann, dass Maschinen niemals eine Seele haben werden und nicht einmal über emotionale Intelligenz verfügen. Schlimm genug sei schon die technische und kombinatorische Intelligenz, die in absehbarer Zeit der menschlichen Intelligenz überlegen sein dürfte, was zu noch kaum vorstellbarer Massenarbeitslosigkeit bei Berufen wie Juristen, Finanzexperten, Steuerberatern, Lagerarbeitern usw. führen dürfte.

Kein Wort findet sich bei Jerratsch und Eilitz jedoch zu einem noch kaum bekannten „Abfallprodukt“ des 3D-Drucks, der ja eine wichtige Komponente im „Internet der Dinge“ von Industrie 4.0 darstellt. Ich spreche davon, wie im Jahr 2002 der japanische Wissenschaftler Makoto Nakamura entdeckte, dass die Tintentröpfchen eines einfachen Tintenstrahldruckers dieselbe Größe haben wie menschliche Gewebezellen. Er konstruierte 2008 einen 3D-Drucker, der aus einer „Bio-Tinte“ Blutgefäße drucken kann. Ausgehend von diesen Vorarbeiten haben amerikanische Wissenschaftler einen 3D-Drucker gebaut, der Bio-Tinte aus Tausenden von Stammzellen auf eine Stützschicht aus Kollagen druckt. Sobald man mit dem 3D-Drucker ca. 20 solcher Lagen übereinander gedruckt hat, geschieht etwas Erstaunliches: Dieses kleinen 3D-Gebilde wachsen selbständig weiter zu einem Organ, dessen Bauplan in den in der Biotinte verwendeten adulten Stammzellen angelegt war. Aus menschlichen Hautzellen wird menschliche Haut, aus menschlichen Leberzellen wird menschliches Lebergewebe, und aus menschlichen Nierenzellen werden menschliche Nieren. Am Schluss wird nur noch das als Stützen vorübergehend benötigte Kollagen ausgewaschen.

Die an der NASDAQ gelistete kalifornische Firma Organovo ist mittlerweile so weit, dass sie auf diese Weise menschliches Leber- und Nierengewebe druckt und an Pharmafirmen verkauft. Diese nutzen das Gewebe, um neue Medikamente darauf hin zu testen, ob sie für den Menschen giftig sind bzw. unerwünschte Nebenwirkungen zeigen. Das bringt drei bedeutende Vorteile mit sich:

- es müssen keine Tiere mehr gequält werden um Medikamente zu testen
- die Tests sind viel zuverlässiger als die Tests an Tieren, weil menschliches Gewebe oft anders reagiert als tierisches
- weniger menschlichen Versuchspersonen müssen für Medikamententests ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.

Das eigentliche Ziel von Organovo ist aber etwas Größeres: Warum sollte man mit Hilfe des 3D-Drucks nicht ein ganzes menschliches Ersatzteillager erzeugen können? Die ersten klinischen Tests dazu laufen bereits mit einer im 3D-Druck hergestellten menschlichen Niere. Wäre es nicht fantastisch, wenn schwer Nierenkranke nicht mehr auf eine Spenderniere hoffen müssen, sondern sich einfach eine neue Niere einpflanzen lassen, die aus ihren eigenen adulten Stammzellen erzeugt wurde und daher vom eigenen Körper nicht abgestoßen wird? Ziel ist natürlich, dieses Prinzip auf alle anderen menschlichen Organe zu übertragen. Damit würde die peinliche Frage an die Angehörigen eines frisch Verstorbenen, ob man seine Organe in einen anderen Menschen einpflanzen dürfe, obsolet. Auch der Handel mit Organen armer Menschen aus der Dritten Welt würde sofort zusammenbrechen. Reiche Egomanen wie Donald Trump könnten sich mit solch einem Ersatzteillager so etwas wie „ewiges Leben“ erkaufen, während die Kosten für den Kassenpatienten dafür völlig aus dem Ruder laufen würden.

Mit der französischen Firma L’Oreal hat Organovo eine Forschungspartnerschaft mit dem Ziel, kosmetische Schönheitsoperationen oder die Anwendung von Botox bei faltiger Haut überflüssig zu machen. Stattdessen werden der Patientin mit dem 3D-Drucker der Firma Organovo direkt Hautzellen ins Gesicht gedruckt, die zu einer faltenfreien neuen Haut verwachsen. Eine ähnliche Partnerschaft hat die Chemiefirma BASF mit dem französischen Laboratorium Poietis. Diesmal geht es darum, Haut von Verbrennungsopfern aus gesunden Hautzellen der Patienten zu drucken und damit die verbrannten Hautstellen zu ersetzen.

Keith Murphy, der Vorstandsvorsitzende von Organovo wird in den nächsten Tagen über den aktuellen Stand der Geschäfte mit menschlichem Gewebe in einer Online-Aktionärs-Konferenz berichten.

Jerratsch und Eilitz schreiben in ihrem Beitrag über menschenähnliche Roboter, ein Startup arbeite daran,, „dass das menschliche Gehirn eines Verstorbenen eingefroren und in einen künstlichen Körper eingesetzt werden soll“. Warum dann eigentlich nicht gleich in einen gedruckten menschlichen Körper?

In der Fernsehsendung „Verstehen Sie Spaß“ wurde am 28.9.2015 einigen zufällig in einem Baumarkt angetroffenen Kunden vorgekaukelt, eine junge Frau werde gleich geklont werden. Eine angeblich mit einem 3D-Drucker erzeugte Kopie der Frau entstieg einer Box und ging mit den verdutzten Kunden zur Kasse. Bei der „Kopie“ handelte es sich um die Zwillingsschwester der Frau, was die anwesenden Zuschauer natürlich nicht wussten. Viele hielten daher den 3D-Druck eines ganzen Menschen bereits für möglich.

Wenn wir mal 50 Jahre weiter denken, könnte man sich vorstellen, dass aus von Firmen wie Organovo gedruckten Ersatzteilen ein ganzer Mensch zusammenmontiert wird, einschließlich eines funktionierenden menschlichen Gehirns. Das hätte existenzielle Folgen für unsere menschliche Gesellschaft:

Die totale Emanzipation der Frau wäre erreicht, da sie sich nicht mehr durch das Gebären und die Aufzucht von Kindern ihre Karriere vermasseln lassen muss. Die manchmal ekligen Begleiterscheinungen des Geschlechtsakts wie Aids, Syphillis und Co wären keine Bedrohung mehr. Abtreibungen wären unnötig. Dabei müssten sowohl echte als auch gedruckte Menschen nicht auf die Freuden sexueller Stimulation verzichten. Bereits heute arbeiten Firmen daran, mit Hilfe von VR-Brillen und allerlei Sex-Spielzeug ein Cybersex genanntes Erlebnis zu vermitteln. In der FAZ online von heute wird unter der Überschrift „Mein zweites Liebesleben“ darüber berichtet, als Nachdruck eines Textbeitrags aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 16.8.2015.

Das ungebremste Wachstum der Weltbevölkerung könnte gesteuert werden, indem jedes Jahr nur der Druck einer bestimmten Anzahl von Menschen genehmigt würde. Man könnte sich in einem Katalog aussuchen, wie der zu druckende Mensch aussehen und welche Eigenschaften er aufweisen soll. Man könnte in jungen Jahren seine Keimzellen einfrieren und wenn man alt ist, sich als junge Kopie wieder ausdrucken lassen. Vielleicht sichert das Drucken von Menschen sogar das Überleben unserer Spezies, falls sich herausstellt, dass durch die Verseuchung des Trinkwassers mit Hormonen aus weggeworfenen Medikamenten alle Männer unfruchtbar werden?

Zur sprachlichen Vereinfachung und zur Unterscheidung von „echten“ Menschen nenne ich gedruckte Menschen in meinen folgenden Betrachtungen mal „Druckies“. Werden Druckies über emotionale Intelligenz verfügen und wie gelangt überhaupt Intelligenz und Wissen in ihre unbeschriebenen, voll ausgebildeten Gehirne? Anstelle von Kinderpädagogik wird man wohl eine spezielle Erwachsenenpädagogik benötigen. Wie lernen Druckies das Aufstehen, das Gehen oder die Benutzung einer Toilette?

Die Fülle der juristischen und ethischen Fragestellungen mag man sich gar nicht ausmalen. Hier nur eine kleine Auswahl:

Sind Druckies Lebewesen oder Sachen? Kann man einen gedruckten Menschen bei Nichtgefallen nach 14 Tagen an Amazon zurück schicken und was macht Amazon dann mit so einer „Retoure“? Werden Druckies für besondere Zwecke gedruckt, z.B. als Kanonenfutter in Kriegen, als Sex-Sklaven in Bordellen oder als billige Haushaltshilfen? Werden Designer-Druckies hergestellt mit Eigenschaften, die natürlich gezeugten Menschen fehlen, z.B. Flügel?

Können Druckies für ein politisches Amt kandidieren oder katholischer Priester werden?

Welchen Familienstatus haben gedruckte Menschen? Sind sie erbberechtigt, und wenn ja, zu welchem Erbschaftssteuersatz? Wie fühlen wir uns in einer Welt ohne Kinder? Welche Aufgabe haben dann noch alte Menschen, wenn sie keine Großeltern sein dürfen?

Wenn jemand einen Druckie tötet, ist das Mord oder Sachbeschädigung? Wenn ein Druckie einen normal gezeugten Menschen tötet, ist der Druckie dann überhaupt strafmündig und für sein Verhalten haftbar?

Die Herausforderungen, denen wir uns durch künstliche Robotermenschen gegenüber sehen könnten, verblassen gegen die Herausforderungen durch unsere gedruckten Ebenbilder.

Falls Emotionen bio-chemische Prozesse sind, dann werden Druckies „echte“ Emotionen wie Lachen, Weinen, Wut zeigen. Aber ob sie auch in der Lage sind, diese sozialverträglich einzusetzen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Querlenker

Zu den Problemen unserer Zeit stelle ich funktionierende Lösungen vor, die aber aus Gründen der Konvention, der Moral oder Faulheit niemand anpackt.

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