NEUER BUNDESPRÄSIDENT PROKLAMIERT SOZIALISTISCHE REPUBLIK

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Auszüge aus dem Sitzungsprotokoll der Deutschen Bundesversammlung vom 23. Mai 2009.

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"Damit ist Peter Sodann, der Kandidat der Partei Die Linke mit einer Stimme Mehrheit zum neuen Bundespräsidenten der ..." (Der Rest geht im Tumult unter. Zahlreiche SPD-Delegierte, die Vertreter der Linken, einige CDU-Abgeordnete, Vertreter der Grünen erheben sich und applaudieren. Schwan gratuliert dem neuen Bundespräsidenten. Köhler verlässt mit blassem Gesicht den Saal. Andere sind konsterniert. Merkel und Steinmeier starren geradeaus).

"Herr Sodann, nehmen Sie die Wahl an?"

"Herr Präsident, ich nehme die Wahl an!"

"Herr Bundespräsident Sodann. Sie haben das Wort. (Der Lärm steigert sich. "Verräter!" hört man. "KGB-Agenten!" - "Ruhe, Kinder, seid doch ruhig!" ruft die Abg. Roth) Meine Damen und Herren, denken Sie an Ihre Würde! Geben Sie dem neuen Präsidenten die Gelegenheit zu einer kurzen Ansprache!""

(Peter Sodann geht langsam zum Pult und räsupert sich)

"Meine Damen und Herren! Ich bin bekanntlich kein begnadeter Redner (Abg. Schäuble: "Kaberettist sind Sie!"- "Schämen Sie sich!"). ... Äh .. Also ("Peter, Peter!"-Rufe im Saal. Der Seeheimer Kreis skandiert geschlossen: "Horst, Horst!"). Also. Ich bin überbewältigt! Von meiner Wahl, und - schließlich sind wir im Reichstag - von der Geschichte. Kairos!! (Die Stimme des neuen Präsidenten füllt plötzlich mit ungeheurer Wucht den Saal). Kairos!! Der Augenblick ist da! So wie 1789, als Mirabeau nur der Gewalt der Bayonnette weichen wollte, so wie die Erklärung der Menschenrechte, so wie die Nacht des 4. August 1789, als der Adel auf die Privilegien verzichtete, unter Tränen alles für den Fortschritt der Menschheit opferte. Sie, liebe politischen Freunde von CDUSPDGrüne, die Sie mich gewählt haben, erinnern mich an diese Helden ("Verräter, Verräter"-Rufe im Saal).

Kairos! Ich erinnere an den Fall der Mauer, an die Hoffnungen, die damit verbunden waren. Und ich erkenne die List der Geschichte. Ein Linker aus dem Osten ("Stalinist!"-Rufe) wird zum Bundespräsidenten gewählt. Mit einer Stimme Mehrhheit. ("Bestechung!" und "Rotlackierte Nazis!"). Eine Stimme! Frau Merkel, ich sehen Sie erröten. Wenn es stimmt, was ich vermute, danke ich Ihnen. Sie haben Mutiges vollbracht und die Ideale Ihrer Jugend wieder entdeckt (Ohrenbetäubendes Geschrei im Saal. Nach zehn Minuten:)

Liebe Freunde! Ich kann nicht anders. Die Geschichte redet durch mich ("Lass sie reden!" Abg. Gysi). Hiermit - und kraft meines Amtes - (Redner schluckt und räuspert sich. Pause. "Weiter!"-Rufe). Hiermit verkünde ich vor der Bundesversammlung, der Nation und den Vereinten Nationen:

Ich erkläre die Bundesrepublik Deutschland zur Freien Sozialistischen Republik Deutschland (minutenlange Stille, offene Münder, Schäuble tippt 112 in sein Handy, dann bricht tosender Jubel los: Merkel und Wagenknecht liegen sich in den Armen, Steinmeier bindet sich eine rote Krawatte um, Lafontaine wird von Müntefering geherzt).

In der Freien Sozialistischen Republik Deutschland werden folgende Grundsätze herrschen - nein, nicht "herrschen", wirken:

1. Die Freiheit eines Jeden ist die Bedingung für die Freiheit aller.

2. Kein Mensch darf ein geknechtetes Wesen sein (Abg. Müntefering: "Nieder mit Hartz IV!" und "Rente ab 55!")

3. Es gibt keine Armee und keinen Bundesgrenzschutz (Schäuble, der gerade die GSG-9-Numer gedrückt hat, ruft laut "Scheiße!", der Seeheimer Kreis bricht auf Befehl kollektiv in Tränen aus).

4. Bildung ist unser höchstes Gut. Dazu gehören Marx und Nietzsche, Brecht und Jünger (auch, wenn letzteres schwer fällt!)

5. Wir sind antitotalitär (Abg. Westerwelle: "Ich studiere die alten Liberalen!" und Abg. Lafontaine: "Kein Personenkult für niemand!")

6. Wir reichen allen Nationen die Hand und zeigen an unserem Beispiel, und nie und nimmer mit Waffen, die Vorzüge des freien Sozialismus.

(Man bringt dem neuen Präsidenten Papierstapel)

Liebe Freundinnen und Freunde der freien sozialistischen Republik Deutschland!

Nachrichten strömen ein. Ich glaub' es nicht! Herr Koch ist zurückgetreten und hat Frau Ypsilanti die Regierung in Hessen übergeben. Auf dem Gebäude der Deutschen Bank in Frankfurt weht eine rote Fahne. Ackermann hat die Mitgliedschaft in der Linken beantragt ("Ich auch" rufen zahlreiche Abgeordnete).

Die Belegschaft hat Opel sozialisiert ("Sozialisiert Siemens!" Ruf des Abg. Westerwelle)

In Bayern wird die Einheitsschule eingeführt ("Da steh ich für" Ruf des Abg. Seehöfer).

Der Kirchentag hat beschlossen, den Religionsunterricht an den Schulen abzuschaffen. Religion wird Privatsache ("So ist es!" Ruf des Kardinals Lehmann, der herbeigeeilt ist. "Es lebe die freie Republik Vatikan!").

Die Bildzeitung nennt sich ab morgen Roter Morgen. Freunde, da müssen wir aufpassen!

Ach, ich kann nicht mehr! (Präsident Sodann beginnt zu schluchzen)... Lasst mich am Ende meiner Rede warnen. Die Gebirge liegen hinter uns, vor uns liegen die Mühen der Ebene ("Keine Sorge, Das schaffen wir, Peter!" Zuruf der Abg. Merkel. "Nie wieder Schröder!" Ruf des Abg. Steinmeier, mittlerweile im roten Teeshirt mit Che-Aufdruck. "Ich werde immer wieder Marx lesen!" Abg. Gysi. "Und ich werde nie mehr nerven!" Abg. Roth. "Ich nehme das Liberale ernst!" Abg. Westerwelle).

Ich hoffe, liebe Freunde, ich hoffe ...

Hier endet das Protokoll.

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