Wie Steuern die Demokratie stützen können

Geld Weil die Demokratie gefährdet ist, müssen wir verstehen, wie unser Geld funktioniert und was das mit unseren Steuern zu tun hat.

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Das Steuersystem, das heute in Deutschland, aber auch fast überall anderswo in der Welt gilt, trägt dazu bei, dass sich die Vermögensverteilung in der Gesellschaft immer stärker zugunsten der "Reichen" und zu Lasten der "Armen" verschiebt. Diese Feststellung wird unter all denen, die sich ernsthaft mit dem Thema befassen, als gesicherte Erkenntnis eingestuft. Eine angemessene Reaktion darauf müsste sein, nach den Schwachstellen zu suchen und sie abzustellen. Doch es wird lediglich immer mal wieder an einigen sogenannten Stellschrauben gedreht, ohne das System als ganzes zu überprüfen. Die Regierenden und ihre Einflüsterer (Berater) wollen oder können offenbar nicht einsehen, wie wichtig es ist, endlich anzuerkennen, dass Steuergerechtigkeit eine Grundvoraussetzung nicht nur für das Funktionieren der Wirtschaftsprozesse, sondern noch stärker für das Überleben der Demokratie ist. Die Bevölkerung, "der Steuerzahler", begegnet einem Gewirr von Steuerarten, hinter dem der Sinn des Erhebens von Steuern verschwindet und der Unwille, Steuern zu zahlen, zu einer allenthalben angestrebten Steuervermeidung verführt. Um der ohnehin gefährdeten Demokratie in Deutschland ein Stützgerüst zu verpassen, müssen wir uns auch ganz grundsätzlich mit den Steuern befassen. Wir müssen verstehen, wie unser Geld funktioniert und was das mit unseren Steuern zu tun hat.

"Die Kraft des Paradigmas [hier im Sinne von Erklärungsmodell] als Narrativ [als normbildende Beschreibung] beruht in seiner allumfassenden Beschreibung der Realität. Einmal akzeptiert, wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, seine zentralen Annahmen infrage zu stellen, schließlich scheinen sie die natürliche Ordnung der Dinge zu reflektieren. Alternative Erklärungen der Welt werden selten auch nur in Betracht gezogen, da sie in krassem Widerspruch zu dem stehen, was man als unzweideutige Wahrheit akzeptiert. Aber dieses kritiklose Akzeptieren und die Weigerung, sich alternative Erklärungen auch nur vorzustellen, führt zu schwärenden Widersprüchen, die sich anhäufen bis zu einem Punkt, an dem das existierende Paradigma zerschlagen und durch ein neues Erklärungsparadigma ersetzt wird, das die Anomalien, Einsichten und neuen Entwicklungen effektiver in einem neuen Narrativ zu arrangieren vermag."

Jeremy Rifkin, Ökonom, Professor an der University of Pennsylvania, aus "Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft", 2014

Der Begriff Steuer ist nicht eindeutig herleitbar als "das Steuer" oder "steuern" (im Sinne von lenken), sondern lässt auch eine Abstammung vom mittelhochdeutschen "stiure" zu, was den heutigen Ausdrücken "Unterstützung", "Stütze" oder "Abgabe" entspricht (Das deutsche Steuerrecht wird im Gesetzeswerk "Abgabenordnung" zusammengefasst, worin alle Grundlagen und Verfahren des Steuerrechts aufgelistet sind). Der Bezug auf eine Unterstützung oder Abgabe verweist auf die über Jahrhunderte bis in die Neuzeit geübte Praxis, wonach die Bevölkerung ihre weltlichen und kirchlichen Fürsten zu "unterstützen" habe, damit die von der "Stütze" leben können. Eine solche Klarstellung ist deshalb von Bedeutung, weil ein Steuerrecht unter demokratischen Bedingungen aber eben nicht die Abgaben an eine machthabende "Elite" regelt, sondern weil die Gesamtheit aller Bürger (beziehungsweise deren gewählte Vertreter) bestimmt, welcher Anteil des "Volkseinkommens" zur Erledigung von Aufgaben für die Gemeinschaft aufzubringen ist. Einstmals mussten die Bürger einer herrschenden Clique etwas abgeben, und heute zahlen sie mehr oder weniger freiwillig scheinbar in eine Gemeinschaftskasse ein; daraus werden Dinge finanziert, die ihnen selbst Nutzen bringen. Es handelt sich nach landläufigem Verständnis eher um Beiträge der Mitglieder eines Vereins zum Zwecke der Realisierung von Vereinszielen. Wenn sich Steuerpflichtige darüber beschweren, dass sie "dem Staat" zu hohe Beiträge abführen müssen, dann sollten sie gleichzeitig erklären, welche Leistungen des Staates, der Gemeinschaft, der sie angehören, gestrichen werden sollen; oder sie müssten fordern, dass andere Steuerpflichtige entsprechend höhere Abgaben zu leisten haben. Dass ein kaum zu schlichtender Streit entstünde, überließe man diese Entscheidung allein den jeweils Betroffenen, dürfte als unvermeidlich gelten. Deshalb ist "die Politik" gefordert, den nötigen Ausgleich im Wege demokratischer Entscheidungsprozesse herzustellen, und zwar indem Vorschläge zur Bestimmung und zur Verteilung der "Steuerlast" durch einen Mehrheitsbeschluss (im Parlament oder direkt) entschieden werden. Das ist grundsätzlich unstreitig, wird jedoch im alltäglichen Umgang mit den Steuern nicht immer beachtet.

Damit die weltlichen und kirchlichen Fürsten von der "Stütze" leben konnten

Aber selbst wenn den demokratischen Vorgaben beim Eintreiben und beim Verwenden von Steuern genüge getan würde, so erfüllte man damit nur eine Form und ließe die Bestimmung des Zwecks von Steuern außer Acht. Nach allgemeiner Auffassung werden Steuern erhoben, um der Staatsverwaltung die Mittel zuzuführen, die sie benötigt, um die ihr übertragenen Aufgaben zu erledigen. Daraus folgert man, die Regierung könne nur im Rahmen der durch Steuereinnahmen gesicherten Finanzkraft handeln und müsse sich, sollten die nicht ausreichen, Kredite beschaffen – bei privaten Banken oder bei den Bürgern mittels Ausgabe von Staatsanleihen. Dafür wird gemeinhin eine Obergrenze festgelegt, meistens als Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes. Zurzeit brüstet sich die deutsche Bundesregierung mit der erfolgreichen Sicherung der "schwarzen Null", wodurch sie anzeigen will, dass sie mit den eigenommenen Steuergeldern "auskommt". – Für das Verfahren, Steuern einzutreiben, damit dem Staat Mittel zufließen, spricht zwar die Erfahrung aus dem alltäglichen Umgang mit Geld, das als privates Eigentum behandelt wird, wovon die Steuerzahler einen Teil abgeben sollen; doch eine genauere Betrachtung legt offen, dass diese Auffassung mit dem System der Geldschöpfung und -ausgabe nicht in Einklang zu bringen ist. Denn jedes moderne Geldsystem unterliegt folgendem Prinzip: Die Gemeinschaft der Bürger eines Staates "produziert" Geld, das man deshalb "Fiat-Money" nennt (aus dem Lateinischen "fiat" = "es werde erzeugt") und das "ex nihilo" (auch lateinisch = aus dem Nichts) "geschöpft" wird (Erläuterungen zu den technischen Vorgängen folgen weiter unten im Text). Die Gemeinschaft beauftragt dann ihre Vertreter (Parlament und Regierung), dieses Geld den Teilnehmern am Wirtschaftsprozess zur Verfügung zu stellen, und zwar als Kredit. Den Kredit, das Geld, dürfen einzelne Nehmer von Teilen des Kredites anderen gegen deren Leistung weiterreichen; doch niemand wird Eigentümer der Beträge, die sich gerade in seinem Portemonnaie oder auf seinem Konto befinden. Auch der Kredit des Staates muss nämlich irgendwann zurückgezahlt werden. Und der Rückfluss des Geldes erfolgt im Wege der Steuerzahlung, woraufhin dann, sobald der Staat (die Gemeinschaft) seinen Kredit zurückerhält, dieses Geld wieder vernichtet wird. Der Staat gibt also stets, wenn er Zahlungen leistet, neues Geld in Form von Darlehen aus. Das ist vor dem Hintergrund der alltäglichen Vorstellung vom Geldverkehr nicht leicht zu verstehen, und das wird offenbar auch von den meisten Politikern missverstanden. Doch wir haben zu akzeptieren: Unsere bis in winzige Einzelvorgänge zergliederte arbeitsteilige Wirtschaft funktioniert nur durch die Mitwirkung eines allgemeingültigen, von jedermann nutzbaren und vom Staat geregelten "Mediums", dem Geld, welches die Gemeinschaft "produziert" und als Kredit in Umlauf bringt!

Niemand wird Eigentümer der Beträge, die sich gerade in seinem Portemonnaie oder auf seinem Konto befinden

Steuern sind im Bewusstsein der allermeisten Menschen, die unter den Bedingungen eines modernen Staates leben, ein unvermeidliches Übel; aber eben ein Übel, dem man sich wenn irgend möglich zu entziehen versucht. Außerdem ist das Steuerrecht, das seit mehr als hundert Jahren regelmäßig "verfeinert" wurde, höchst kompliziert, weshalb sich damit zu befassen, verbreitet als zwecklos erkannt wird. Man überlässt das den "Experten" in der Steuerverwaltung und den Steuerberatern. Doch vor dem Hintergrund, dass das bundesdeutsche Steueraufkommen zurzeit etwa 24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht und dass Privatpersonen mit mittlerem Einkommen bis zu 50 Prozent ihrer Bezüge als Steuern abführen (Einkommens- plus Verkehrsteuern), sollte der fachgerechte Umgang mit dem Steuerwesen eigentlich für jedermann zum Selbstverständlichen zählen. Da diese Selbstverständlichkeit aber der Unübersichtlichkeit des Ganzen zum Opfer fällt, gelingt es denjenigen, die das Metier beherrschen, immer wieder, mit sogenannten Steuertricks Vorteile für bestimmte Gruppen (meist für die Einkommens- und Vermögensstärksten) herauszuschinden. Das wird sogar so weit getrieben, dass kriminelle Handlungen wie etwa das mehrfache Kassieren von Steuerrückzahlungen im "Cum-Ex-Verfahren" als "sportliche Leistung" eingestuft werden. Zu diesem Missstand trägt die Unkenntnis in Sachen Steuern ganz entscheidend bei. Steuerfragen dürfen aber nicht nur angelegentlich einer Diskussion um die Erhöhung oder Verringerung einer bestimmten Einzelsteuerart zur Diskussion stehen, sondern die Allgemeinheit muss sich mit den Grundlagen der Finanzierung öffentlicher Aufgaben befassen können, muss diese durchschauen. Allein deshalb ist es erforderlich, das ganze Geflecht des Steuerrechts zu entwirren. Dazu sollen die folgenden Anmerkungen den nötigen Anreiz bieten.

Kriminelle Handlungen wie das "Cum-Ex-Verfahren" werden als "sportliche Leistung" eingestuft

Weil Steuern eigentlich Tilgungsleistungen sind, muss es zwangsläufig eine Regelung geben, mit der die Rückzahlungsmodalitäten festgelegt sind. Denn die Tilgung kann nicht dem Gutdünken einzelner "Kreditnehmer" oder privatrechtlichen Abmachungen überlassen bleiben, sondern sie ist von den politischen Gremien im Auftrage der Gemeinschaft zu bestimmen. Vorab muss jedoch klar sein, welche Menge Geld insgesamt in Umlauf gebracht werden darf. Fluchtpunkt hierfür ist der Wert (der Geldwert) aller Leistungen, die in einem Zeitraum in demjenigen Raum – gewöhnlich in einem Staat – erbracht werden, worin eine bestimmte Art des Geldes, eine Währung, zur Nutzung durch alle am Wirtschaftsprozess Beteiligten vorgeschrieben ist. Eine wichtige Bedingung für das Funktionieren des Geldsystems ist nämlich die möglichst andauernde Stabilität des Geldwertes, der wiederum nur gesichert werden kann, wenn Leistungs- und Geldmenge einander entsprechen. Dieser Zusammenhang wirkt sehr abstrakt, was daran liegt, dass Geld tatsächlich etwas Abstraktes ist, nämlich einerseits die Zusage der Gemeinschaft, dass eine Anzahl von "Verrechnungseinheiten" den Wert von Leistungen widerspiegelt, sowie andererseits das Vertrauen der Nutzer des Geldes darein, dass sie die "Verrechnungseinheiten" jederzeit zum Bezug von Leistungen einsetzen können. Das bedeutet, ohne ein Geldsystem, welches von allen anerkannt ist und dessen Nutzung von der Gemeinschaft (vom Staat in deren Auftrag) kontrolliert wird, kann eine moderne arbeitsteilige Wirtschaft gar nicht existieren. Die Geldmenge hat folglich zumindest näherungsweise der gesamten Leistungsmenge zu entsprechen; und die Regierung muss verpflichtet sein, darauf zu achten, dass Geld- und Leistungsmengen stets in etwa gleich groß sind. Die Regierung wird dann in dem Umfang Steuern erheben, wie die Geldmenge die Wirtschaftsleistung übersteigt, beziehungsweise neues Geld in Umlauf bringen, wenn die Geldmenge geringer ist als die Leistungsmenge.

Nichts "läuft", wenn nicht vorher(!) Geld zur Verfügung steht

Die Abhängigkeit vom Geld in modernen Gesellschaften geht sogar so weit, dass nichts "läuft", wenn nicht vorher(!) Geld zur Verfügung steht. Der Akt der Erzeugung von Geld muss bereits erledigt sein, damit Wirtschaften überhaupt beginnen kann. Niemand wird bereit sein, eine Leistung zu erbringen, wenn er nicht fest damit rechnen darf, dafür einen Gegenwert in Geld zu erhalten. Auch wenn die Zahlung erst nach dem Erbringen einer Leistung erfolgt, muss der Leistende vorher wissen, dass dafür Geld bereitsteht. Dies zwingt zur Beantwortung der Frage, wo das Geld "herkommt". Und die Antwort darauf ist: von der Gemeinschaft, repräsentiert durch die staatliche Verwaltung, die einfach erklärt: Dies, beispielsweise der Euro, ist Geld. – In der Praxis sieht das üblicherweise so aus: Der Staat unterhält eine Zentralbank, die er beauftragt, Geld aus dem Nichts zu "schöpfen" und den Banken zur Verfügung zu stellen, die diese Mittel ihrerseits per Kredit an die Beteiligten am Wirtschaftsprozess ausreichen (Dass private Banken heute selbst Geld "produzieren" dürfen, indem sie Kredite gewähren, ohne über entsprechende Mittel zu verfügen, ist eines der aktuellen Übel im Finanzwesen, das schleunigst beseitigt werden muss!). Die Nutzer des Geldes zahlen den Kredit zurück, indem sie Steuern an die Finanzverwaltung überweisen. Dabei werden die Höhe und der Zeitpunkt der Rückzahlungen vom "eigentlichen" Kreditgeber, dem Staat, repräsentiert durch seine Parlamente, im Wege der Steuergesetzgebung festgelegt (unter Beachtung der Geldwertstabilität). Selbstverständlich müssen, damit der Geldfluss reibungslos ablaufen kann, eine Reihe weiterer technischer Regelungen greifen; doch zum Verständnis der Funktion von Steuern genügt es, zu wissen, dass damit die Tilgung der "Schulden" aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten erfolgt. Und zum Verständnis muss auch noch Folgendes beachtet werden: Der Staat ist bei Geldangelegenheiten in einer Doppelfunktion tätig; zum einen sorgt er dafür, dass der Wirtschaft genügend Geld zur Verfügung steht oder nicht zu viel, und zum andern ist er Dienstleister der Gemeinschaft und benötigt, um die Leistungen seiner Verwaltungen zu honorieren, selbst einen Teil des Geldes, das er vorher bereitstellte.

Diese "Systematik" des Geldwesens zwingt genau besehen zu einer Auffassung vom Steuerwesen, die der heute üblichen Betrachtungsweise von der Rolle staatlicher Finanzen widerspricht. Die Bürger eines Staates ermächtigen und verpflichten die Regierung nämlich, für alle Leistungen – privat oder staatlich erbracht – jederzeit ausreichend Geld bereitzustellen. Nach Ablauf einer Abrechnungsperiode, eines Kalenderjahres zum Beispiel, ist die Differenz zwischen vorhandenem Geld und der Summe aller Leistungen auszugleichen, und zwar durch das "Schöpfen" von Geld, das fehlt, oder durch das "Einziehen" von Geld (Steuern), das überflüssig ist. Um den Zusammenhang anschaulich zu beschreiben, mag ein Blick in die Praxis helfen. Für die Dienstleistungen des Staates gilt zum Beispiel Folgendes: Die Gemeinschaft der Bürger erwartet von der Staatsverwaltung, einen Polizeiapparat zu unterhalten. Dafür sind zwei Kostenbereiche mit Geld abzudecken: die laufenden Verbrauchs- und Personalleistungen und die Investitionen (die Beschaffung von Sachgütern wie Gebäude, Dienstfahrzeuge oder Waffen). Der Staat stellt die erforderlichen Mittel durch Erzeugung von Geld bereit und legt zusammen mit der anschließenden Kreditvergabe fest, wann und in welcher Höhe die Bürger durch Steuerzahlungen den Kredit tilgen sollen. Bei der Finanzierung der laufenden Ausgaben für Personal und Materialverbrauch handelt es sich um kurzfristige Kredite, die im Folgejahr wieder zurückzuzahlen sind, weil dann die gleichen Ausgaben erneut anfallen. Im Falle der Investitionen muss eine Tilgung je nach der Nutzungsdauer bestimmt sein. Angenommen ein Dienstfahrzeug sei fünf Jahre nutzbar, bevor es durch ein neues ersetzt werden muss, dann ist die im Anschaffungsjahr bereitgestellte Kaufsumme für das Fahrzeug folglich in fünf gleichen Jahresraten zurückzuzahlen, und zwar vom Steuerzahler, da die Leistung auf seine Veranlassung hin erbracht wurde. Oder: Die Bürger haben den Staat verpflichtet, der Gemeinschaft Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, das Straßennetz etwa; dies zu gestalten "schöpft" die Regierung Geld und belastet die Bürger mit einem Kredit in der erforderlichen Höhe. Je nach Nutzungsdauer der neu zu bauenden Straßen, wird ein Tilgungsplan erstellt, nach dessen Maßgabe die Finanzverwaltung Steuern einzieht. Für die Instandsetzungskosten werden kurzfristige Kredite gewährt, die im jeweiligen Folgejahr zu tilgen sind. – So etwa muss man die "Abrechnung" der Kredite verstehen, die der Staat seinen Behörden gewährt, wenn er für sie Geld ausgibt.

Die Mittel, die der "Privatwirtschaft" zur Verfügung gestellt werden, sind sozusagen ein Dauerkredit, dessen Höhe der zu erwartenden Wirtschaftsleistung entsprechen soll. Am Anfang (wie etwa 1948 mit der Einführung der D-Mark in den drei Westzonen Deutschlands) wird nach Schätzung der erwarteten Wirtschaftsleistung eine "Gesamtsumme" Geld zur Verfügung gestellt, mit der "die Wirtschaft" und die privaten Haushalte ihre Geschäfte abwickeln können. Danach beobachtet die Regierung den Ablauf des Geschehens, indem sie ständig misst, welche wirtschaftliche Gesamtleistung erbracht wurde und wie viel Geld dafür bereitsteht. Der jeweils festgestellte Saldo, zu viel oder zu wenig Geld, wird durch Abschöpfung im Wege der Steuererhebung beziehungsweise durch Erzeugung "frischen Geldes" ausgeglichen. Da es sich hier um kurz-, mittel- und langfristige Entwicklungen handelt, die obendrein in der Zukunft liegen, sind nur hinreichend gute Schätzungen möglich, weshalb es ständiger Überprüfung und Anpassung bedarf, um die erforderliche Balance zwischen Leistung und Geld herzustellen. – So sollte es sein, muss hinzugefügt werden. Denn sowohl "Politik und Wirtschaft" als auch "die Privatleute" wenden den öffentlichen Geldfluss quasi in die Gegenrichtung, da sie davon ausgehen, der "produzierende Bürger" gibt einen Teil seiner Leistung ab, damit der Staat öffentliche Aufgaben erfüllen kann. Und da mit diesem Verfahren die Staatsleistung von der Höhe des Steueraufkommens abhängt, müssen Politiker, wenn sie das erklären, sehr häufig Hinweise auf eine "knappe Kassenlage" bemühen. Vor dem Hintergrund der Bedingungen einer modernen Wirtschaftsordnung ist dies jedoch schlicht Unsinn. Der Staat ist kein "Player" innerhalb der Volkswirtschaft, sondern er ist für die Bereitstellung der Möglichkeit zu wirtschaften und für die Kontrolle des Geschehens verantwortlich, er steht sozusagen über den Dingen – dazu ist allerdings einschränkend anzumerken: er sollte.

Es müsste selbstverständlich sein, dass der Staat dafür sorgt

Nun mag eingewandt werden, die Beachtung der Richtung des Geldflusses in der Volkswirtschaft sei für das praktische Wirtschaftsleben im Grunde nicht von Bedeutung, da die Vorstellung, erst zahle der Bürger und dann leiste der Staat, von derjenigen, erst zahle der Staat und dann tilge der Bürger seine damit entstandenen "Schulden", etwa der Überlegung gleichkomme, was eher war: das Huhn oder das Ei. Doch sobald man sich der Gesamtheit der Aufgaben des Staates nähert und dabei feststellt, dass dazu auch die sogenannte Ankurbelung der Wirtschaftsaktivitäten oder deren Dämpfung zum Zwecke einer Sicherung oder Besserung der Lebensbedingungen aller Bürger zählt, dass nämlich Steuerungs- oder Lenkungsbedarf besteht, dann spielt es eine entscheidende Rolle, ob der Staat warten muss, bis ausreichend Geld in der Kasse ist, oder ob er zur Erledigung seiner Dienste neues Geld in Umlauf bringen kann. Auch hierzu ein Beispiel: Derzeit ist oft davon die Rede, es sei höchst dringlich, dass die deutsche Telekommunikationstechnik mit dem System der sogenannten fünften Generation (5G) ausgerüstet wird. Und tatsächlich: In Anbetracht des Umstandes, dass es im "digitalen Zeitalter" eindeutig eine Infrastrukturaufgabe ist, technische Voraussetzungen für das Funktionieren der Abläufe in der Gesellschaft zu schaffen, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollen, müsste es selbstverständlich sein, dass der Staat dafür sorgt. Stattdessen folgt der Staat häufig einem anderen Prinzip, was wir jüngst beobachten konnten. Die Regierung hatte in einem langwierigen Verfahren einer Auktion Geld bei Betreibern der Netze eingeworben, und zwar nicht einmal um eine staatliche Investition zu finanzieren, sondern um das Geld als eine Art Lizenzgebühr (mehr als 5 Milliarden Euro!) "einzunehmen", und dann die Telekommunikationsunternehmen zu "ermächtigen", die Investitionen selbst zu tätigen und ihren Kunden anschließend über den Preis zu berechnen. Richtig wäre es gewesen, die Regierung hätte die Aufträge zur Errichtung der elektronischen Infrastruktur selbst erteilt und mit eigens dafür geschöpftem Geld bezahlt. Entscheidend für die Beurteilung, ob "frisches Geld" in Umlauf gebracht wird, ist allein das Ergebnis der Prüfung, ob eine Infrastrukturmaßnahme erforderlich oder wünschenswert ist. Und das Auswahlkriterium dafür ist die Überzeugung, dass damit dem Allgemeinwohl gedient wird. Es geht um die Vorsorge für eine Verbesserung der Wirtschaftskraft in der Zukunft, wofür die Steuerzahler erst rückzahlungspflichtig werden, wenn die zu erwartende Wirtschaftsleistung erbracht wurde, und sie diese Leistung "entnehmen" können. Darüber zu entscheiden, ist Aufgabe "der Politik"!

Es bedarf eines Umverteilungsmechanismus

Zu den Obliegenheiten der Regierung, des Apparates, der von der Gemeinschaft eingesetzt und beaufsichtigt wird, gehört aber auch, für eine gerechte Verteilung dessen zu sorgen, was insgesamt erwirtschaftet wurde. Denn die Solidarität der "Bessergestellten", der "Besserweggekommenen", mit den weniger gut Aufgestellten kann leider nicht durch Appelle an die Mitmenschlichkeit erreicht werden, sondern es bedarf eines Umverteilungsmechanismus, den zu installieren allein die übergeordnete Instanz Staat in der Lage ist. Praktisch lässt sich das gestalten, wenn die Last der Tilgung (mittels Steuerzahlungen) den Unterschieden der Einkommen der Bürger angepasst wird, und zwar dergestalt, dass Bezieher höherer Einkommen größere Tilgungsleistung zu erbringen haben. Das derzeit geltende Steuerecht berücksichtigt dies bei der Einkommensteuer (wenn auch nicht optimal), die allerdings mit 35 Prozent vom gesamten Steueraufkommen (davon 77 Prozent Lohnsteuer und 23 Prozent sogenannte veranlagte Einkommensteuer) nur wenig mehr als ein Drittel zur Gesamtsumme der Abgaben beiträgt. Die Umsatzsteuer mit allein 30 Prozent und die vielen anderen Verbrauchssteuern mit ebenfalls fast 30 Prozent (darunter solche Exoten wie Branntweinsteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer, Tabaksteuer oder Hundesteuer) berücksichtigen die Einkommensverteilung jedoch nicht. Deshalb wird mit einem Gewirr von Subventionen oder sogenannten Transferleistungen die notwendige Umverteilung zu erreichen versucht. Genau besehen handelt es sich um Flickwerk, womit die politischen Parteien ihrer jeweiligen Klientel die Stimme bei der nächsten Wahl entlocken wollen. – Das Problem der Schieflage bei den Einkommen, deren Höhe ausschließlich von den Bedingungen des Arbeitsmarktes und nur verschwindend gering von der persönlichen Leistung abhängt – zumal das Maß der persönlichen Leistung nicht objektiv festzulegen ist –, hat aber erheblichen Einfluss auf die Stimmung in der Gesellschaft (Warum verdient ein hart schuftender Bauarbeiter deutlich weniger als ein Bauingenieur und gar dessen Manager? Oder allgemeiner: Warum wird meistens geistige Arbeitsleistung um ein Vielfaches besser honoriert als körperliche?). Niemand wird zwar ernstlich fordern, alle müssten das gleiche Einkommen beziehen (was übrigens nicht einmal im "real existierenden Sozialismus" der Fall war); doch die Größe der Spanne vom Geringverdiener zum Spitzenverdiener darf eine "Schmerzgrenze" nicht überschreiten. Eine möglichst gerechte Besteuerung kann diese "Schmerzgrenze" zu überwinden helfen; die festzulegen, ist politischer Entscheidung vorbehalten und lässt sich letztlich nur dadurch regeln, dass die Tilgungsleistung mit dem Einkommen steigt. – Steuergerechtigkeit ist ein zentrales Anliegen der Bürger und muss so vollständig wie irgend möglich angestrebt werden, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu sichern.

Unser Steuerrecht ist das Ergebnis gut hundertjähriger Bastelei

Unser Steuerrecht ist, wie bereits erwähnt, das Ergebnis gut hundertjähriger Bastelei, an dem weiter nur gebastelt wird. Das darf nicht verwundern, weil die Funktion der Steuererhebung nicht als Ergebnis eines schlüssigen Konzeptes geregelt, sondern fortlaufend lediglich aktuellen Bedürfnissen oder ideologischen Vorgaben angepasst wurde und weiter wird. Soll sich daran etwas ändern, müsste jetzt eine Diskussion darüber beginnen, wie bei der Definition der Steuern als Tilgungsverpflichtung der Bürger eine annähernd gerechte Form der Steuererhebung auszusehen hat. Ein denkbarer Weg dorthin könnte in folgende Richtung eingeschlagen werden: Zunächst einmal muss ein wichtiger Grundsatz akzeptiert sein, nämlich die Festlegung darauf, dass zur Tilgung nur derjenige verpflichtet wird, der der Volkswirtschaft Leistung entnimmt und nicht derjenige, der Leistung erbringt. Praktisch bedeutet das, ausschließlich die Konsumenten – das sind alle einzelnen Bürger eines Staates – haben Steuern zu zahlen. Lohn- und Einkommensteuer darf es danach gar nicht geben; denn die wird für das Erbringen von Leistung erhoben (Und eine weitere Unart des geltenden Steuerrechts fiele dabei gleich mit unter den Tisch: das Erheben von sogenannten Unternehmenssteuern, beispielsweise Gewerbesteuern; denn solche Steuern gelten als Betriebsausgaben und werden von den Unternehmen in die Preise eingerechnet, was bedeutet, dass letztlich doch der Konsument die Last übernimmt – und im Übrigen hat er auf die Unternehmenssteuer noch Umsatzsteuer zu leisten.). Diese Überlegung führt direkt zu der Folgerung, dass dann ausschließlich Umsatzsteuern erhoben werden dürfen, Verbrauchssteuern, die anfallen, wenn Leistung entnommen wird. Und selbstverständlich gibt es dann keine Bier-, Tabak- oder Hundesteuer mehr, weil alle sogenannten Verkehrsteuern in einer, nämlich der Umsatzsteuer, zusammengefasst sind. Es wird, ist zu betonen, nur noch eine Steuerart geben.

Dieses Steuerkonzept verlangt jedoch vor seiner Einführung eine gründliche politische Diskussion

Aber die Umsatzsteuer muss so bemessen werden, dass der möglichst gerechten Verteilung der Rückzahlungspflicht Rechnung getragen wird. Deshalb sollte der Steuersatz, der auf den Endverbrauch von Waren und Dienstleistungen anzuwenden ist, gestaffelt sein, und zwar nach dem Grundsatz, dass alle "lebensnotwendigen" Waren und Dienstleistungen gering und alle "Luxusgüter" oder reiner "Spielkram" höher besteuert werden. Dieses Steuerkonzept verlangt jedoch vor seiner Einführung eine gründliche politische Diskussion, an deren Ende dann ein Tarif aufzustellen ist, der durch Mehrheitsbeschluss bestimmt wird. Den dadurch ermittelten Tarif gilt es nach Ablauf eines Zeitraums (vielleicht alle fünf Jahre) zu überprüfen, und zwar hinsichtlich der Frage, ob die einzelnen Steuersätze noch angemessen sind. So sind zum Beispiel (wie übrigens jetzt auch) Nahrungsmittel mit einem sehr niedrigen Satz und wertvoller Schmuck einem deutlich höheren zu belegen. Solche Sätze müssten sowohl nach der Art der Produkte als auch nach ihrem Preis unterschiedlich festgelegt werden. Für Autos gibt es dann einen Basissteuersatz, der sich entsprechend bestimmter Preisklassen der Fahrzeuge erhöht, sodass sehr teure Gefährte vielleicht mit 200 Prozent zu versteuern sind. Da hier lediglich das Prinzip dargestellt sein soll, wird auf eine detaillierte Beschreibung verzichtet; denn es soll nur aufgezeigt werden, dass eine einzige Steuerart und ein Tarif mit den Steuersätzen genügen, um die Tilgung der Darlehen zu regeln, die die Gemeinschaft vergibt, indem sie Geld in Umlauf bringt. Die Richtschnur für die Gestaltung der Umsatzsteuer ist einerseits die Abschöpfung "überschüssiger" Geldmengen im Wirtschaftsprozess und andererseits die Verpflichtung des Staates, für eine möglichst gerechte Verteilung der Tilgungslast innerhalb der Bevölkerung zu sorgen. – Dass noch eine Reihe anderer Aspekte für ein Konzept mit nur einer Verkehrsteuer sprechen (beispielsweise deutlich vereinfachte Steuerverwaltung, kurzfristige Korrekturmöglichkeit und vollständige Transparenz), muss hier nicht erörtert werden, da allein das Prinzip der Geldschöpfung und das der Regulierung seiner Umlaufmenge die Notwendigkeit offenbaren, das Steuerwesen in diese Richtung zu umzubauen.

Wir erkennen also, dass der Staat nicht "steuert", indem er die eingenommenen Abgaben der Bürger als Mittel zur "Lenkung" einsetzt, sondern indem er damit lediglich "überschüssige" Mengen Geldes wieder einzieht und vernichtet. Er sorgt so für die Stabilität der Währung und stärkt das Vertrauen aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten darein, dass sie Leistungen erbringen können und dafür einen angemessenen Gegenwert in Geld erhalten (Anteile vom staatlichen Darlehen); und dieses Geld versetzt sie ihrerseits in die Lage, selbst Leistungen zu beziehen. Will oder soll die Staatsführung (im Auftrag der Bürger) die wirtschaftlichen Aktionen in ihrem Hoheitsbereich "beschleunigen" oder "bremsen", kann sie das neben der Ausübung ihrer Macht, Gesetze zu erlassen oder zu ändern, nur im Wege der Ausgabe oder des Einzugs von Geld erreichen. Deshalb ist es so wichtig, möglichst präzise Erkenntnisse über die Geldmenge im Umlauf und über die zu erwartende Leistungsmenge der Gesamtwirtschaft zu gewinnen. Heute führen statistische Ämter (in Deutschland die Statistischen Landesämter und das Statistische Bundesamt) sehr zeitnah umfangreiche Erhebungen durch und setzen die ermittelten Daten ins Verhältnis zueinander, sodass zu praktisch allem Geschehen in der Gesellschaft Informationen vorliegen. Außerdem stellen internationale Organisationen Daten zur Verfügung, die zum Wissen über die Abläufe in der Wirtschaft beitragen. Auch die Computeranlagen und -programme, die zur Ermittlung verlässlicher Prognosen erforderlich sind, stehen zur Verfügung. Es gibt also keine technischen Hindernisse, die die Umstellung der Finanzpolitik auf das den Vorgaben unseres Geldsystems entsprechende Verfahren unmöglich machen. – Woran es allerdings mangelt, ist die Bereitschaft der politisch Handelnden, sich zunächst einmal gedanklich auf eine neue Ordnung einzulassen. Stattdessen erleben wir wie auf fast allen Politikfeldern, dass an Überkommenem festgehalten wird, ohne zu prüfen, ob diese Haltung zeitgemäß ist. Es wird entgegen jeder fundierten wissenschaftlichen Arbeitsweise nichts Grundsätzliches infrage gestellt. Die Prüfung aber, ob traditionelle Grundsätze den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an ihre Wirksamkeit noch genügen, sollte am Beginn jedes Denkprozesses stehen. Doch die in Deutschland seit den 1950er-Jahren von der CDU verbreitete, aber nicht auf sie beschränkte Parole: "Keine Experimente!" hat inzwischen offenbar die ganze Gesellschaft vergiftet. Das spricht Jeremy Rifkin an, wenn er bemerkt: "Alternative Erklärungen der Welt werden selten auch nur in Betracht gezogen, da sie in krassem Widerspruch zu dem stehen, was man als unzweideutige Wahrheit akzeptiert".

An Überkommenem wird festgehalten, ohne zu prüfen, ob diese Haltung zeitgemäß ist

Die Diskussion darüber, in welcher Weise und welchem Umfang der Staat Leistungen erbringt, ist öffentlich zu führen, und deren Ergebnisse müssen von den Betroffenen, den Bürgern, anerkannt sein. Nur so können die Bürger bestimmen, welche Dienstleistungen und welche Investitionen sie vom Staat erwarten. Mit dieser Entscheidung erkennen sie automatisch an, dass sie zum Zwecke der Tilgung des Kredits, den der Staat dafür gibt (wofür sie das Geld "produzieren" lassen), eine Steuerlast übernehmen, die nach Zeit und Höhe der Raten bereits festliegt, wenn die Entscheidung zur Geldschöpfung fällt. – Zusammenfassend ist folgendes zu protokollieren: Der Staat "steuert" das Wirtschaftsgeschehen, oder besser: er nimmt Einfluss darauf, indem er "Spielregeln" aufstellt (beispielsweise im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Handelsgesetzbuch) und indem er staatliche Dienstleistungen erbringt (durch Verwaltungen etwa) sowie Investitionen tätigt (die Infrastruktur aufbaut). Dafür "schöpft" er Geld, das er zum Nutzen aller Bürger so lange in Umlauf bringt, wie es den beabsichtigten Zweck erfüllt, und das er danach wieder "einzieht". Außerdem gewährt die Gemeinschaft allen am privaten Wirtschaftsgeschehen Mitwirkenden (Herstellern, Dienstleistern und Verbrauchern) einen Dauerkredit, dessen Höhe sich an der privaten Wirtschaftsleistung orientiert. Je nach "Beschäftigungslage" wird Geld "neugeschöpft" oder "abgeschöpft", um die Geldwertstabilität zu sichern.

Beispiele dafür lassen sich in Lateinamerika, Afrika und Südostasien beobachten

Es wird sicherlich schwierig sein, die erforderliche Bereitschaft zum Umdenken zu erzeugen, damit der hier vorgestellten Alternative der Weg geebnet beziehungsweise die Notwendigkeit dafür zunächst einmal ins Bewusstsein der Bevölkerung getragen werden kann; doch wir müssen uns dieser Aufgabe stellen, wollen wir verhindern, dass die Ungerechtigkeit, die beim Einzug von Steuern heutzutage wirkt, die gesamte Gesellschaft auf eine schiefe Ebene lenkt, auf der sie ins Chaos rutscht. Beispiele dafür lassen sich in Lateinamerika, Afrika und Südostasien beobachten. Dazu noch einmal Jeremy Rifkin: "Die Kraft des Paradigmas [hier im Sinne von Erklärungsmodell] als Narrativ [als normbildende Beschreibung] beruht in seiner allumfassenden Beschreibung der Realität. Einmal akzeptiert, wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, seine zentralen Annahmen infrage zu stellen, schließlich scheinen sie die natürliche Ordnung der Dinge zu reflektieren. Alternative Erklärungen der Welt werden selten auch nur in Betracht gezogen, da sie in krassem Widerspruch zu dem stehen, was man als unzweideutige Wahrheit akzeptiert." Trotzdem: Es geht kein Weg an der Notwendigkeit vorbei, die überkommene Vorstellung der Steuer zu befreien von dem "Paradigma" der "Abgabe", davon, die Leistungen der Bürger seien Finanzquelle des Staates.

Neben der gedanklichen Kraftanstrengung, die erforderlich wird, damit Änderungen im gesellschaftlichen Gefüge als Notwendigkeit akzeptiert werden, sind auch noch einige andere Brocken aus dem Weg zu räumen. Die beiden schwersten Brocken sind folgende: Erstens "wabert" eine gigantische Menge Geld über den Globus, die wie es bildhaft heißt, "Anlagen sucht". Unter den "Experten" werden Zahlen gehandelt, die schwindelerregend hoch sind. Man müsse damit rechnen, dass im kapitalistischen Finanzsystem mindestens fünfzigmal mehr Geld "unterwegs" ist als der Gegenwert aller Leistungen. Zwar gibt es auch Berechnungen, wonach die Geldmenge "nur" zwanzigmal so groß ist; doch wieder andere "Experten" sprechen von einem Faktor hundert, um den die Geldmenge die Leistungsmenge übersteigt. Selbst wenn man vom niedrigsten Wert ausgeht, bedeutet dies, unser Geld ist "eigentlich" nur noch fünf Prozent von dem wert, was es nominal vorgibt. Dass diese Inflation sich nicht bemerkbar macht, liegt daran, dass Unsummen Geldes irgendwo "geparkt" werden, also tatsächlich am Wirtschaftsprozess gar nicht teilnehmen. Aber die Geldflut kann sich sehr schnell über uns ergießen, wenn nämlich unter den international operierenden Finanzjongleuren die Angst umgeht, ihr System sei gefährdet – beispielsweise wegen größerer Kriegshandlungen. Dann werden sie in "Sachwerte" umzusteigen versuchen und alle im kapitalistischen System lebenden Menschen mit einem Tsunami von Preisexplosionen ins Elend stürzen. Genau besehen sind wir davon abhängig, dass niemand den Finanzmanagern zuruft: ihr habt ja gar keine Kleider an! Dieser Zustand verhindert jedenfalls, dass ein einzelner Staat, der im System der kapitalistischen Finanzmärkte eingebunden ist, sich erfolgreich um die Geldstabilität in seiner Volkswirtschaft bemühen kann. Und zweitens hat die globale Verbreitung des angelsächsischen Systems der "freien Finanzmärkte" dazu geführt, dass heute praktisch keine staatliche Kontrolle mehr wirksam ist, die es erlaubt, sogenannte Geldmengenziele durchzusetzen, wenn es "den Märkten" nicht gefällt. Sich diesen Kräften zu widersetzen, gelänge nämlich nur mit der Maßnahme, den eigenen Währungsraum gegenüber den übrigen abzuschotten, also beispielsweise feste Wechselkurse einzuführen und grenzüberschreitende Finanztransaktionen nur zu gestatten, wenn sie der "realen" Wirtschaft dienen – ein "Paradigmenwechsel", dem sich die geballte Macht der multinational operierenden "Finanzindustrie" entgegenstemmt. In Deutschland wird solch eine Absicht zusätzlich erschwert, weil hier keine eigene Währung, sondern der Euro gilt, weswegen Entscheidungen wie eine Abschottung etwa zum US-Dollar-Raum die Zustimmung der 18 übrigen Euromitgliedsstaaten benötigen. Die Verhältnisse in der EU, wo Übereinkünfte, wenn überhaupt, nur unter Ansatz des sogenannten "kleinsten gemeinsamen Nenners" erzielbar sind, lassen jeden Gedanken daran, dass man sich von den international aufgestellten "Finanzmärkten" löst, als Illusion erscheinen.

Die Verhältnisse in der EU, lassen jeden Gedanken daran, dass man sich von den international aufgestellten "Finanzmärkten" löst, als Illusion erscheinen

Die Idee, bei uns ein neues Besteuerungssystem einzuführen, trifft also nicht nur auf die Hürde des traditionellen "Paradigmas" von der Steuer als Quelle staatlicher Finanzierung, sondern sie prallt auch auf die Mauer, die um das international und von den US-Finanzgiganten geführte Machtzentrum an der Wall Street gebaut wurde und hinter der sich die amerikanische Regierung und ihre Militärs mit der Waffe im Anschlag verschanzt haben. Diese "Gefechtslage" herrscht schon mindesten seit Ende des Ersten Weltkriegs und wurde auch durch den Zweiten nicht korrigiert; vielmehr hat sich die Abhängigkeit Europas, Lateinamerikas, Afrikas und großer Teile Asiens seither noch verstärkt. – Allerdings gibt es erste Anzeichen eines beginnenden Erosionsprozesses, der gedämpfte Hoffnung erlaubt. Das Schmierentheaterstück, das die amerikanische politische Klasse derzeit zur Aufführung bringt, und zwar durchaus nicht nur Herr Trump, deutet darauf hin, dass die USA sich aus der Rolle des "Weltpolizisten" wohl bald zurückziehen werden. Gleichzeitig mehren sich Anzeichen eines Erstarkens sogenannter Regionalmächte, die ihre Unabhängigkeit vom amerikanischen Finanzsystem anstreben. Im Zuge dieser Entwicklung wird die Frage nach einer Entflechtung des internationalen Finanznetzes immer lauter gestellt und bald wohl auch beantwortet werden, und zwar in Richtung der Wiedereinführung abgeschlossener Geldsysteme, die staatlich kontrolliert werden und aus denen heraus staatlich geregelter internationaler Austausch gepflegt wird.

Die Frage nach einer Entflechtung des internationalen Finanznetzes wird immer lauter gestellt

Eingedenk des Umstandes, dass die Einführung eines neuen Steuersystems einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft voraussetzt und dass dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen wird, mag die Einschätzung erlaubt sein, dass wir, beginnen wir jetzt mit der Aufklärung und Diskussion über ein neues Steuersystem, gerade rechtzeitig zur Tat schreiten dürften, sobald die internationale Konstellation dies erlaubt. Einen ersten Schritt in die Richtung können wir aber unmittelbar vollziehen, nämlich die Investition öffentlicher Infrastrukturprojekte durch die "Neuschöpfung" von Geld zu finanzieren, und wichtige Projekte nicht aufzuschieben oder gar ganz zu unterlassen, weil "kein Geld da ist". Als Beispiele hierfür, und zwar solche, deren Sinn über jeden Zweifel erhaben ist, bieten sich folgende an: Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und Übernahme der Betriebskosten dafür; Förderung und Ausweitung des Bildungssystems in Schulen, Hochschulen und Weiterbildungsinstituten; Befreiung der Forschung von der Finanzierung durch "Drittmittel"; Installation eines Telekommunikationssystems, das den aktuellen und den zukünftig zu erwartenden Anforderungen genügt; oder auch die Ausstattung der Verwaltungen mit moderner Technik. – Eines ist jedoch auf jeden Fall zu vermeiden, nämlich der Aufschub einer Diskussion um die Grundlagen unseres Steuersystems; denn es droht die Gefahr, dass der gesellschaftliche Zusammenhang kollabiert, weil die sogenannte Mittelschicht, die die Hauptlast zu tragen hat, aus Angst vor dem Verlust ihres Wohlstandes den politischen "Rattenfängern" folgen wird. Und im Übrigen stärkt die öffentliche Auseinandersetzung mit den Steuern den Gedanken der demokratischen Mitwirkung aller Bürger.

Dieser Beitrag wurde auch veröffentlicht im Blog zeitbremse.wordpress.com

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zeitbremse

Mein zentrales Thema: die direkte Demokratie, dazu: "Die Pyramide auf den Kopf stellen", Norderstedt 2008.

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