Tag 1: Die Eröffnung

Festivaltagebuch Unsere Autorinnen Katharina und Laura haben sich die Nacht um die Ohren geschlagen, um ihre Eindrücke der Festivaleröffnung so schnell wie möglich mit euch zu teilen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Tag 1: Die Eröffnung

Berlin, 9.4.2014, 19.30 Uhr: Auf dem Roten Teppich vor dem Kino International herrscht reges Treiben. Gespanntes Getuschel, klirrende Gläser und klickende Kameras vermischen sich zu einem harmonischen Klangteppich. Die Anwesenden warten auf die Dame der Stunde. Isabell Šuba präsentiert heute ihren neuen Film „Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“ und eröffnet damit gleichzeitig das 10. „achtung berlin“ Filmfestival. Der Film ist in der Kategorie „Bester Spielfilm“ für den new berlin film award nominiert. Während sich der Saal überraschend schnell füllt, flüstern die neugierigen Zuschauer über so manchen prominenten Sitznachbarn. Unter anderem hat sich Rosa von Praunheim die Ehre gegeben, um den Auftakt des kreativen Hauptstadtkinofests mitzuerleben. Der Moderator des heutigen Events, Schauspieler Milton Welsh führt charmant, mit viel Witz und im Schottenkilt durch den Abend. Aufgrund des ersten runden Jubiläums dauert die unterhaltsame Dankesrede der beiden Initiatoren Sebastian Brose und Hajo Schäfer beinahe eine halbe Stunde und lässt die Spannung auf den angepriesenen Eröffnungsfilm fast ins Unermessliche steigen. Dann ist es endlich soweit. Um 21 Uhr hebt sich der Vorhang im Kino International für „Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“.

Die Idee zum Film kam Isabell Šuba als sie im vergangenen Jahr mit ihrer Dokumentation „Chica xx Mujer“ überraschend an den 65. Filmfestspielen in Cannes teilnehmen durfte. Dabei stellte sie mit Schrecken fest, dass im offiziellen Wettbewerb kein einziger Film aus weiblicher Hand lief. Isabells Bedenken wurden schnell bestätigt: Im Filmbusiness sollte sich frau lieber warm anziehen statt tief ausgeschnitten.

Für die junge Regisseurin Isabell Šuba (in Cannes gespielt von der Schauspielerin Anne Haug) geht ein Traum in Erfüllung als sie erfährt, dass ihr eigener Kurzfilm auf dem Filmfestival in Cannes läuft. Doch leider läuft nicht alles wie geplant. Kurz vor ihrer Abreise trennt sich ihre Freundin Laura von ihr und auch in Cannes selbst erwartet sie eine böse Überraschung nach der anderen. Zu allem Überfluss ist Isabell an ihren unfähigen Produzenten David (Matthias Weidenhöfer) gefesselt und die Zusammenarbeit der beiden wird auf die Probe gestellt. Ständige Auseinandersetzungen und eine nicht wirklich entspannte Umgebung sind für die Nachwuchsfilmemacherin eine Herausforderung. Protzige Mega-Yachten, roter Teppich und eine schrille High Society sind für Isabell eine fremde Welt. Sie beginnt, diese Unzufriedenheit an ihrem Produzenten auszulassen, anstatt sich um ihre zukünftigen Filmprojekte zu kümmern. Dieser folgt in Sachen Genderfragen den archaischen Regeln des Urwalds. Der Film begleitet Regisseurin Šuba und ihren echten Produzenten Matthias Weidenhöfer (bzw. im Film unter dem Namen David Wendlandt) auf die 65. Internationalen Filmfestspiele in Cannes.

Vor allem mit ihrer ausgeklügelten und fein pointierten Situationskomik beweist Isabell Šuba, dass sie trotz der Ernsthaftigkeit der Sexismusdebatte nicht ihren Humor vergisst. Subtile Andeutungen und brachial inszenierte Missverständnisse zwischen der engagierten und fordernden Jungregisseurin und ihrem oftmals chauvinistisch dargestellten Produzenten machen den Film zu dem was er ist: eine schräge aber unterhaltsame Impro-Komödie innerhalb des imposanten aber schlussendlich verlogenen Cannes-Filmfestivalzirkus.

Im Anschluss an die Vorführung gab es den traditionellen Empfang im großen Foyer neben dem Kinosaal des International, bei dem sich alte und neue Fans des Festivals bei Freigetränken bei kollegialen Gesprächen trafen, darunter die Regisseure Gerd Conradt („Die Spree – Sinfonie eines Flusses“) und Arne Feldhusen („Stromberg – der Film“). Viele Jungproduzenten und –regisseure erkannten in dem zuvor gesehen Film über das Filmemachen Situationen wieder, die sie so ähnlich auch schon erlebt hatten. Schauspielerin Stefanie Stremler, die in der Tragikomödie „Staub auf unseren Herzen“ viele Filmszenen improvisieren durfte, zollte den Kolleginnen und dem Kollegen in Šubas Film Respekt; sie hätten bei ihren Improvisationen inmitten des Stresses in Cannes so gute Dialoge geliefert, dass jede Einschichtigkeit und Redundanz vermieden wurde. Produzent Fabian von Borcke von „57films“, dessen letzter produzierter Film „Si-o-se Pol“ u.a. auf den Festivals in Cambridge, Hof, Lübeck und Braunschweig lief, reiste extra aus Hamburg an, weil er seine Karten für Šubas Film bei einer anderen Gelegenheit weggeben hatte.

Die Anwesenheit vieler Filmemacher, die mit früheren Arbeiten im Programm von „achtung berlin“ vertreten waren, zeigt die besondere Verbundenheit und Treue, die die regionale Filmszene Hajo Schäfer und Sebastian Brose entgegenbringt. Die beiden Väter des Festivals selbst betonten, wie schicksalshaft „achtung berlin“ ihr Leben bestimmt hat: Beide trafen bei ihrem Einsatz für das Festival ihre heutigen Lebenspartnerinnen, die sie – diesmal im wörtlichen Sinne – zu Vätern machten.

Von Katharina Kunisch und Laura Alsleben / im Rahmen des Studiengangs Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation – MHMK, Standort Berlin.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

achtung berlin

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden