Nationalpark YASUNI-Ecuador, 3. Folge

Stiftung PACHAMAMA Hintergründe der Zerstörung eines der reichsten Ökosysteme der Erde

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Foto: accion ecologica, Huaorani-Krieger im Yasuni Nationalpark

Seit dem 15. August 2013 ist der „Fall Yasuni“ nicht nur ins nationale ecuadorianische Blickfeld gerückt, sondern schlägt auch international hohe Wellen. An diesem Tage erklärte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa den Rücktritt von der sogenannten „Yasuni-ITT-Initiative“, die die Unverletzbarkeit des vielleicht reichsten Ökosystems der Erde sicherstellen sollte.

Folge 3

Yasuni und die „Stiftung Pachamama“

Ich habe in Kurzform versucht, „Yasuni“ in seinen historischen nationalen und internationalen Kontext zu stellen. Für uns in Deutschland und Europa, die wir für universale Freiheit, Menschenwürde, Frieden und „Heile Welt“ eintreten, ist es unerlässlich, auch sogenannte „ferne“ und scheinbar unwesentliche Geschehnisse recht zu deuten, einzuordnen und für die Orientierung eigenen Handelns nutzbar zu machen. Deshalb soll hier die Komplexität von „Yasuni“ noch durch den Fall der „Stiftung Pachamama“ zusätzlich erhellt werden, bevor ich abschließend meine persönliche Einschätzung einer möglichen Handlungsweise erläutere, wie aus den politischen und wirtschaftlichen Zwängen zwischen zwei globalen kapitalistischen Blöcken (westliche Industrieländer – China) eine unabhängige, von den „Dritte Welt“-Völkern selbst getragene demokratische und nachhaltige Entwicklung angegangen werden könnte.

Wer ist die „Stiftung Pachamama“? Warum wurde sie auf Geheiß des Präsidenten Correa im Zusammenhang mit „Yasuni“ am 4. Dezember 2013 verboten?

Präsident Correa begann schon vor der Aufkündigung des Projektes „Yasuni ITT“ Vorsorge zu treffen, wie Yasuni und darüber hinaus das Zentrum und der Süden des ecuadorianischen Amazonasgebietes, für die Entwicklung des Landes nutzbar gemacht werden könnte. Das sollte vor allem durch Ausbeutung von Öl- wie anderen mineralischen Ressourcen, Gold und Kupfer (im Cordillera del Condor-Gebiet), geschehen. Wie geschildert hatte sich Correa aus der Abhängigkeit des Yankee-Imperialismus in die Abhängigkeit Chinas begeben. Ecuadors nationale Währung ist seit dem Jahr 2000 der US$, der dem Land keine unabhängige Geldschöpfung durch die Nationale Zentralbank mehr erlaubt. Um der Einmischung von IWF und Weltbank (und damit der USA) in die innere Politik zu entgehen, kam nur China mit seinen schier unerschöpflichen US-Dollarreserven als „Retter“ in Betracht. Und China gibt Cash sofort ohne Bedingungen für innenpolitisches Handeln, allerdings nur gegen das Recht auf unmittelbare Rückzahlung (Zinsatz: 7 bi 8 % p/a) durch Exporterlöse. So waren in 2013 etwa 80% der zu erwartenden Erlöse aus dem Erdölexport bereits an China verpfändet. Dieser politische und ökonomische Schwenk des Präsidenten hat den Spielraum für aktive Gestaltung seiner Entwicklungspolitik („Sozialismus des 21. Jh.“) zugunsten der breiten Masse der Bevölkerung und mit Hilfe seiner „revolución ciudadana“ entscheidend eingeengt. Die von Correa als notwendig erachtete Ausnutzung der mineralischen Rohstoffe des Amazonasgebietes ist seine einzige Option geblieben, um der ökonomischen Abhängigkeit durch China zu entgehen und finanzielle Luft für den von Oben oktroyierten Sozialismus zu schnappen. Dabei muss er selbstverständlich versichern, dass sein Eingriff in die biologischen Reserven des Landes minimal sei und dass die indigenen Völker an den Segnungen der Modernisierung des Landes (durch verbesserte Kommunikation, Erziehung und Gesundheit) teilhätten.

Bereits im Juni 2013, d. h. zwei Monate vor Aufkündigung von „Yasuni ITT“, hatte Correa ein „Decreto Presidencial“ für die NGOs im Lande erlassen, in dem u.a. verfügt wurde, sich politisch nicht in innere Angelegenheiten zu mischen sowie sich der Anwendung jeglicher Gewalt zu enthalten. Er wusste um die „Macht“ und Einfluss der NGOs, wenn es um die Verteidigung der Interessen der indigenen Völker und ihrer Territorien ging. Ecuador hatte internationales Recht diesbezüglich anerkannt und auch in der Verfassung von 2007 ausdrücklich verbrieft. Vor allem gelang es auch mithilfe der Unterstützung internationaler NGOs den jahrzehntelangen Rechtsstreit gegen Texaco – Chevron erfolgreich zu führen, der zu einer Schadens-Verurteilung von 9 Mrd. US$ wegen Umweltzerstörung und Gesundheitsgefährdung der indigenen Völker im Einflussgebiet von Texaco führte.

Die „Stiftung Pachamama“ in Ecuador, gegründet 1997, ist ein Ableger von „Pachamama Alliance“ in den USA, gegründet zwei Jahre vorher durch drei US-Bürger, die das Siedlungsgebiet der Achuar im Südosten des Landes besucht hatten. In den 16 Jahren ihres Bestehens in Ecuador hat die nationale NGO mit Unterstützung der „Alliance“ zahlreiche Projekte im Zentrum und Süden des ecuadorianischen Amazonasgebietes (südlich von Yasuni bis zur peruanischen Grenze) durchgeführt (Stärkung der Organisation von indigenen Völkern, juristische Unterstützung bei Territorialfragen, auch vor dem interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, sowie Ökotourismus). Dem Präsidenten war von Beginn an klar, dass „Pachamama“ und andere NGOs, die für den Erhalt des Amazonasgebietes eintreten, einen vehementen Widerstand gegen seine Pläne zur Ausbeutung der mineralischen Ressourcen leisten würden. Deshalb auch das vorbeugende Dekret.

Am 28. November fand nach zweimaliger Verschiebung die Öffnung der Angebote des 11. Ausschreibungsprozesses zur Vergabe von Ölförderungskonzessionen in Quito statt. Dabei waren u.a. auch die „Stiftung Pachamama“ (auf Quechua: „Mutter Erde“ oder das „Belebte Universum“). Dieser wurde vorgeworfen, gewalttätig gegen den chilenischen Botschafter in Quito und gegen einen Weißrussen, der ein Ölkonsortium seines Landes repräsentiert, vorgegangen zu sein. Unmittelbar danach nutzte Correa bei seinen wöchentlichen Auftritten vor dem Auditorium seiner Gefolgsleute die Gelegenheit, ganz nach dem Vorbild von Chávez, die Stiftung Pachamama und weitere Führer von indigenen Organisationen als Unruhestifter zu identifizieren, die gegen sein Dekret verstoßen hätten. Die direkte Aufzeichnung von Teilen der Rede des Präsidenten ist in Youtube zu verfolgen, allerdings ohne deutsche Untertitel. Aber wer Spanisch beherrscht und sich in Ecuador auskennt, kann sich ein Bild über den Präsidenten und seine Form der Regierungsführung ein gutes Bild machen:

Praesident Correa

Am 4. Dezember 2013 wurde auf Veranlassung des Umweltministeriums die “Stiftung Panamama” aufgelöst. Unmittelbar darauf trafen aus der ganzen Welt Solidaritätsschreiben zugunsten der Stiftung ein, darunter auch aus Deutschland und von der Vereinigung der Friedens-Nobelpreisträgerinnen, Amnesty International, Human Rights Watch, u.v.a.m.

Bis heute wurden die von der „Stiftung Pachamama“ eingesetzten Rechtsmittel negativ beschieden und inzwischen auch verschiedene Führer der indigenen Völker juristisch-polizeilich behelligt.

Zum Abschluss meiner „Pachamama“-Ausführungen drei persönliche Einschätzungen:

1. „Stiftung Pachamama“ und „Pachamama Alliance“

Die US-Mutter-NGO tritt allgemein für die Verteidigung des Amazonas-Ökosystems ein und bezieht ihre Mittel, wie sie selbst betont, zu 91% aus Spenden ihrer Mitglieder. Leider habe ich bisher keine weiteren Aufschlüsse über die Herkunft der finanziellen Unterstützung bekommen können. Allerdings geht diese Initiative eindeutig auf Ökoaktivisten in den USA zurück, dem von Correa ausgemachten „Feind“ (dem Imperium). Um an die Macht zu kommen, hatte Correa die indigenen Völker und die Öko-NGOs zu seiner Unterstützung gewinnen können, auch ihre Mitarbeit an der Ausarbeitung der fortschrittlichsten Verfassung bzgl. Umweltschonung (erstmalig verbrieftes Recht der Natur auf Schutz). Jetzt, wo er meint, die Ausnutzung der nationalen mineralischen Ressourcen des Amazonasgebietes zum Wohl des gesamten Volkes nutzen zu müssen, kommt er automatisch mit Organisationen zur Verteidigung dieses Ökosystems wie „Pachamama“ in Konflikt. „Pachamama Alliance“ agiert ähnlich wie auch die deutschen parteinahen Stiftungen, d. h. in „paternalistischer Weise“. Sie wissen generell, wo es lang gehen sollte mit der Verteidigung von Ökosystemen oder gesellschaftlichen Systemen allgemein und schulen dementsprechend ihre nationalen Counterparts. Ohne der „Alliance“ gute Absicht absprechen zu wollen, scheint mir ihr Ansatz von Außen gegenüber den indigenen Völkern dem Verhältnis von Lehrern gegenüber Schülern zu entsprechen. Meine eigene Unterstützung für nationale Minderheiten bestand stets in Beratung, wenn diese Minderheiten selbst die Initiative ergriffen und die Zielsetzung autonom definiert hatten. Ich meine, wir sollten uns als Gast empfinden, der helfen kann und will, wenn er denn eingeladen ist.

2. Präsident Correa

Der Präsident Ecuadors fühlt sich einer Mission verpflichtet: Äußere Unabhängigkeit vom Imperium/USA und innere Unabhängigkeit von der Nationalen Oligarchie, die die hauptsächlichen Ressourcen des Landes bis in die heutige Zeit auf Kosten ihres Volkes schröpfte. Um seiner Mission treu zu sein und analog zu Chávez die Mission von Bolivar erfolgreich zum Ende zu bringen (die „wahre“ Befreiung des ecuadorianischen Volkes), muss seine „Bürgerrevolution“ von Oben her, autoritär und rasch erfolgen. Es ist abzusehen, dass auch er seine Herrschaft perpetuieren wird, denn seine dritte Amtszeit wird für die erfolgreiche Einführung des „Sozialismus des 21ten Jahrhunderts“ nicht ausreichen. Bei dieser Mission geht er bewusst zwei Risiken ein: Die Abhängigkeit von China, die er für temporär hält, und die Ausbeutung der nationalen mineralischen Ressourcen, auch wenn die Umwelt darunter zu leiden hat. Neben den beiden zu kritisierenden Risiken ist m. A. nach auch die absolut autoritäre Regierungsführung des Präsidenten zu kritisieren, die in demagogischer Weise erfolgt und die keinerlei Widerspruch duldet. Der Präsident weiß alles. Er weiß, was für Mensch und Natur recht ist. Er kennt den Weg seines Volkes hin zur Freiheit. Alle in Ecuador angesiedelten Ethnien/Kulturen sind eingeladen, ihm gehorsam zu folgen. Dieser Absolutismus macht Angst. (Siehe auch das angegebene Video oder andere Videoaufzeichnungen des Präsidenten bei Youtube.)

3. Gibt es angesichts der Tatsache, dass der globale Kapitalismus keine finanzielle Unterstützung für Ecuador und auch für andere „Dritte Welt“-Länder bereitstellt, um deren Ökosysteme zu erhalten, einen dritten Entwicklungsweg zur Unabhängigkeit und Erhaltung der natürlichen Umwelt?

Ich beschränke mich bei meiner Antwort auf Ecuador: Um es vorwegzunehmen: Ich habe die ideale Antwort nicht parat. Dennoch gibt es bei geschickter Ausnutzung internationaler Zusammenarbeit, d. h. international verfügbarer intellektueller und finanzieller Ressourcen, Wege zur Unabhängigkeit. Für ein kleines Land wie Ecuador mit begrenzten eigenen natürlichen und menschlichen Ressourcen ist es allerdings äußerst schwierig und langwierig, eine selbstbestimmte Entwicklung isoliert zu unternehmen. Dies kann nur in einer Gemeinschaft der Amazonas-Anrainerstaaten geschehen. Dabei sind diese Staaten auf den Import von Wissen und Technologien angewiesen, die die nationalen Ressourcen zum Wohl der Allgemeinheit optimal verwertbar machen können.

Dazu ein Beispiel: Im Jahr 2000 hatte ich in meiner Eigenschaft als Exekutiv-Sekretär des „Binationalen Plans Peru-Ecuador“, zusammen mit italienischen Wissenschaftlern und einem deutsch-peruanischen Wissenschaftler, der später Umweltminister von Peru wurde, ein Projekt entwickelt, die in der Welt einmalige Biodiversität von Peru und Ecuador in einem lateinamerikanisch-europäischen „Forschungszentrum für Biodiversität“ in Iquitos (Peru) oder Puyo (Ecuador) zu erforschen und für die Menschheit nutzbar zu machen. In einer ersten Phase war dies Projekt mit 20 Mio US$ veranschlagt worden. Wissenschaftler aus ganz Europa und Lateinamerika sollten zusammen nach Schulung der ersten Generation von Wissenschaftlern der indigenen Völker das reiche biologische Erbe des Amazonas-Anden-Raumes für Landwirtschaft, Medizin, Lebensmittelindustrie, Kosmetik, Chemie, u. v.a.m. nutzbar machen, wobei die indigenen Völker weiterhin die „Besitzer“ der biologischen Ressourcen und ihrer Nutzung wären. Wir wissen, dass die Biotechnologie im weitesten Sinne neben Tourismus und Informationstechnologie zukünftig den wichtigsten Beitrag zur Wohlfahrt der Menschheit leisten wird. Leider scheiterte die finanzielle Unterstützung für dieses Projekt damals an den deutschen Grünen im Europaparlament, die nur den Kopf voll vom „Kyoto-Protokoll“ hatten und unfähig waren, über den Tag hinauszublicken. Wäre das Projekt im Jahre 2000 von der EU finanziert worden, wären sicherlich alle ehrgeizigen extraktiven Projekte von Ecuador und Peru im Amazonasbecken heute nicht nötig, um Devisen für Entwicklung zu generieren. Aber im Jahre 2000 war die Lobby für Biodiversität und Nachhaltigkeit nicht groß genug. Politiker und das weltweite Kapital hatten und haben andere Interessen. Wie mit dem Elektroauto, dessen Entwicklung durch den Widerstand der Petro- und Automobilindustrie jahrzehntelang gebremst wurde und das bis heute nur zögerlich auf den Weltmarkt kommt, geht es auch mit den biologischen/genetischen Ressourcen, deren Reichtum verspielt wird, weil es keine kapitalkräftige Lobby gibt und die indigenen Völker selbst durch Präsidenten wie Correa in ihrem Widerstand gespalten werden. Das Versprechen auf rasche Modernisierung und Geldverdingen für internationale Konzerne lockt die bitterarme Bevölkerung des Amazonasbeckens in die Arme dieser Konzerne, wie die Bienen dem Honig entgegen fliegen.

Ende des Yasuni-Beitrages

LG aus Panamá, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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