Gedanken über Jogurt und die Politik

Mindestlohn Wie verkaufen die Parteien ihre Ware, sprich Themen? Gedanken über Jogurt, Politik und die Kunst des Verkaufens

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Gedanken über Jogurt und die Politik

Foto: Sean Gallup / Getty

In meiner Jugendzeit im Rheingau erlebte ich sie noch. Die „fliegenden Händler“. Meine Mutter nannte sie Hausierer. Sie schellten mit ihrer Handglocke. Einige klingelten an der Haustür. Alles Mögliche boten sie feil. Teppiche, Waschmittel, Bürsten- und Kurzwaren, sowie Schmuck . Eines Tages stand bei uns in der Küche ein Bürstenhändler. Sein Ziel war es, meiner Mutter eine neue Klobürste zu verkaufen. Er redete und lobte seine Bürstenware. Im Toilettenraum befand sich unsere Klobürste. Meine Mutter ließ ihn reden. Als er endlich schwieg, meine Mutter anschaute und nun einen Verkaufserfolg erwartete, begann Mamma zu sprechen. Sie lobte unsere Klobürste. Das kleine Wunder geschah. Genervt griff der Händler in seine Tasche. Er legte ein Zweimarkstück auf den Küchentisch. Er erklärte, unsere Klobürste ist gekauft. Leider verlief das Verkaufsgespräch in eine andere Richtung. Der Gast begann meine Mutter zu bedrängen und verlangte, sie müsse kaufen. Meine Mutter tat das einzig Richtige. Sie erklärte ihm, die Wohnung sofort zu verlassen.

Diese Geschichte erinnert mich an viele Reden und Erklärungen unserer Politiker in Talkshow und vor der Presse. Sie preisen ihre Politik in den höchsten Tönen. Nur ihre Ware sei die gute Ware. Ihr Konzept ist das einzig richtige Konzept. Beginnst der Verbraucher die Qualität der Ware zu hinterfragen, kommt das Erstaunen der Politiker. Du fragst noch und bezweifelst gar meine Qualitätsversprechungen? Du musst mir schon meinem Wissen und Können voll vertrauen. Das ist deine Pflicht als Käufer. Wo kommen wir hin, wenn wir kein Vertrauen genießen?

Der Käufer merkt, sein Kauf entpuppte sich als Fehlkauf. Schlimmer noch, als Fehlinvestition, in seine Zukunft. Der Verbraucher reagiert marktkonform. Er boykottiert die Ware und die Verkäufer. Er verschließt seine Tür und entzieht sich den Verlockungen des Marktes. Er wird zum Nichtwähler. Eine Gegenreaktion der Verkäufer bleibt nicht aus. Sie machen das, was sie können. Sie loben ihre Ware. Sie zeigen Unverständnis. Sie erklären öffentlich, die Boykotthaltung der Verbrauer schade dem Land. Ist die Verkaufsmesse, Wahltag vorbei, wird der Nichtwähleranteil kurz erwähnt und bedauert. Mehr braucht nicht geschehen. Längst haben diese Verkäufer sich eine Provision auch für diese, sich vermehrende Nichtkäuferschicht gesichert. Die Hauptsache ist letztlich, alle Verkäufer gewinnen. Die Käufer sind des Glaubens, sie erwarben die richtige Ware. Plötzlich einigen sich die schwarzen und gelben Verkäufer. Sofort ist ein neues Produkt marktreif. Die Konkurrenz beginnt diesen Verkaufsschlager zu bemängeln. Sie bringen ebenfalls ein Neuprodukt in den Umlauf. So schließt sich der Kreis.

Ein besonderer Verkaufsartikel aller Parteien ist der Mindestlohn. Die Roten und die Grünen wollen ihn jetzt verkaufen. In den Jahren ihrer Regierungszeit war der Mindestlohn „Ramschware“. Jetzt soll es ein Artikel, eine Machart, eine Farbe und ein Preis sein. 8,50 Euro beträgt das derzeitige Angebot. Bei der Festlegung ihrer Entlohnung rechnen die Verkäufer mit höheren Summen.

Die Schwarzen merken, die Roten haben den Verkaufsschlager. Schnell erhält der Verbraucher, sprich Wähler ein Warenangebot. Vielfältig und in verschiedenen Farben mit unterschiedlichen Preisen soll die Ware unter das Volk kommen. Die schwarzen Verkäufer schwärmen aus und erklärten, es ist alles in der Entwicklung. Wenn die gelben Verkäufer Einsicht zeigen, werden sie den Wähler mit ihren branchenspezifischen, regionalverträglichen Lohnuntergrenzen beglücken. Als Bonus bekommt der Arbeitnehmer die Hoffnung, seine zukünftige Niedrigentlohnung wird durch eine staatliche Förderung aufgestockt.

Die Gelben widersetzten sich seit Jahren jedem Verkaufsgespräch. Ihre Klientel verdiente gut daran, dass es keinen flächendeckenden Mindestlohn gibt. Für sie ist der Mindestlohn, eine „Volksdroge“! Ihre Verhinderungsverkäufer hat ein strammer Gegenwind erreicht. Sie erkennen, ihre Segel sind falsch gesetzt. Sie erklären dem staunenden Wahlvolk, es gibt viele Meere mit vielen Schiffen. Es braucht daher viele Schiffe, um auf allen Meeren das rettende Ufer zu erreichen. Motorschiffe der marktgerechten Entlohnung müssen es sein. Sie verschweigen dem Verbraucher, ihre Motoren benötigen Kraftstoff und Öl. Den Diesel verkaufen sie gekonnt, unter dem Begriff Leiharbeit und befristete Arbeitsplätze. Das Öl ist die Aufstockung der Niedriglöhne durch Hartz IV.

Politik ist wie der Kauf von Jogurt. Die Ware ist gut verpackt. Liegt in allen Warenhäusern bereit. Sonderpreise locken. Ein Kundenteil kauft voll Vertrauen, wobei er das Kleingedruckte nicht lesen will. Der Vorsichtige studiert die Inhaltangabe und versteht sehr wenig. Einige Kluge Köpfe erfassen den Inhalt und beschließen, ihren Jogurt erstellen sie selbst. Der Hersteller von Jogurt kennt die Trägheit der Masse. Erst wenn die Minderheit zur Mehrheit wird, könnte Jogurt für die alle ein Verkaufsschlager werden.

Ich bin Rentner und arbeitete als Fachinspektor für Lebensmittel- und Ernährungshygiene in Schwerin, sowie als Gesundheitsaufseher in Lörrach und Wiesbaden. Eine zusätzliche Ausbildung zum Umweltberater und zwei weitere handwerkliche Berufe ergänzen mein Berufsleben. Meine Heimat ist der Rheingau. Als früherer politischer Häftling der DDR kann ich der "Linken Partei" keinerlei Sympathie abgewinnen! Politisch war meine Heimat immer die SPD, bis zur Vollendung der Agenda 2010 unter Schröder. Seit dieser Zeit bin ich politisch heimatlos!

Word 2010 hilft mir beim Schreiben.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Helmut Eckert

Rentner; Umweltberater; Fachinspektor für Lebensmittel -und Ernährungshygiene; Gesundheitsaufseher; Ing. für Hygiene a. D.

Helmut Eckert

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