Die EZB gibt das Letzte

Eurorettung Präsident Mario Draghi will die Europäische Zentralbank kompromisslos für die Rettung des Euro einspannen. Das klingt couragiert, aber auch erschreckend
Die Sturmglocke fest in der Hand – Mario Draghi mit seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet (l.)
Die Sturmglocke fest in der Hand – Mario Draghi mit seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet (l.)

Foto: Arne Dedert/AFP - Getty Images

Die Europäische Zentralbank (EZB) zieht in ein Gefecht, in dem sie schon verschiedentlich stand, ohne es bis zur letzten Konsequenz auszufechten. Die Ankündigung ihres Präsidenten Mario Draghi, alles für den Erhalt des Euro zu tun, deutet auf einen Sinneswandel: Notfalls tun wir das Äußerste, was in unseren Kräften steht. Wird Euroland von einem Tsunami der Liquidität geflutet? Auf jeden Fall dürfte wieder mit dem Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB begonnen werden. Dies gilt besonders Spanien und Italien, die in den größten Refinanzierungsnöten stecken, da sie bis Ende des Jahres Schuldverschreibungen in einer Größenordnung von 148 Milliarden beziehungsweise 337 Milliarden Euro durch neue Staatsanleihen mit möglichst langen Laufzeiten ablösen müssen. Da sich dafür Zinsen jenseits der Sechs-Prozent-Marke abzeichnen und die Großschuldner auszulaugen drohen, könnte die Bank für temporäre Entlastung sorgen. Tatsächlich würde vor allem Zeit gekauft – in der Hoffnung, Zeit zu gewinnen.

Macht der Taten

Aber wofür? Um auch die EZB mit einer Bad-Bank-Filiale auszustatten, in die eingelagert wird, was anderswo ausgelagert wurde und seit Ausbruch der Finanzkrise häufig mit dem Label "Giftpapiere" versehen wird?

Schon unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet erwarb die EZB 2010 zur Stützung der Finanzmärkte Papiere der Eurokrisenstaaten im Umfang von 76 Milliarden Euro. Im Vorjahr wurde diese Praxis in den Monaten Juli und August – also in der Zeit der größten Kursstürze an den Börsen – befristet fortgesetzt, so dass inzwischen Schuldpapiere im Wert von etwa 290 Milliarden Euro die EZB-Depots bevölkern, deren Einlösung in den Sternen steht. Von diesem toten Kapital entfallen 130 Milliarden auf den Ankauf griechischer Staatsanleihen, die mit Sicherheit vollends abgeschrieben werden können, sollte das Land seinen Abschied aus der Eurozone nehmen. Für den dann eintretenden Verlust müsste auch Deutschland haften – zusätzlich übrigens zu den etwa 30 Milliarden Euro, die sich bei einem Griechen-Exit sofort aus den übernommenen Verpflichtungen für das Griechenland-Hilfspaket I (73 Milliarden Euro) und Hilfspaket II (172,6 Milliarden Euro) ergeben. Dies sei hier auch deshalb vermerkt, damit es dem Sittengemälde der Kompetenz nicht an Tiefenschärfe fehlt, um das sich Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP) und Bayerns Finanzminister Söder (CSU) in dieser Woche verdient gemacht haben, als sie laut über einen Euro ohne Griechen nachdachten.

Rhetorik des Willens

Doch zurück zur EZB. Das Finanzinstitut in Frankfurt/M. hat seit Ausbruch der Eurokrise im Frühjahr 2010 manches Tabu gebrochen und eine Geldpolitik verfolgt, die den Erhalt des Euro nicht immer an den Erhalt der notwendigen Geldwertstabilität binden wollte (oder konnte). Ende 2011 und im Februar 2012 hat die Bank ein Billionen-Füllhorn ausgeschüttet. Es gab zwei Drei-Jahres-Tender zum historisch niedrigen Leitzins von einem Prozent. Geld wurde an Banken quasi verschenkt, die sich ihre Liquiditätsprobleme auf diese Weise elegant aus den Bilanzen kaufen konnten und dabei auf Konditionen trafen, von denen jeder kreditnehmende Privatkunde nur träumen kann. Und was ist mit dem billigen Geld geschehen? Wenn es nicht wieder bei der EZB geparkt wurde, floss es in teuer verzinste Kredite an Eurostaaten, die sich vom Rendite-Hunger ihrer Gläubiger an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben sahen.

Anfang Juli senkte die EZB den Leitzins erstmals in ihrer Geschichte unter den Wert von einem Prozent. Doch auf die in den südeuropäischen Ländern erhobenen Risiko-Prämien auf Staatsanleihen hatte das so gut wie keinen Einfluss, allein der Subventionierung schwächelnder Banken war damit gedient. Gewiss lässt sich der EZB-Führung nicht vorwerfen, sie hätte sich passiv verhalten und zu wenig unternommen, um den Euro zu retten. Es sollte nicht reichen, um den Präsidenten vor einem Machtwort zu bewahren, das da lautet: „Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten.“ Soll man sich wirklich wünschen, dass auf diese Rhetorik des Willens die Macht der Taten folgt und sich die EZB als Notenpresse überschlägt?

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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