Wie denn?

Tatort Was die Reihe aushält: Nora Tschirner und Christian Ulmen moderieren in der Weimarer Event-Folge "Die Fette Hoppe" den ARD-Vorabendspaß zur Hauptsendezeit lustig durch

Axel Milberg, der als Kieler Kommissar Borowski am kommenden Sonntag regulär dran ist, hat dem Spiegel ein Interview gegeben. Darin beklagt er die jetzt schon legendäre Tatort-Schwemme. Das kommt so mittel rüber: Einerseits hat Milbergs Stimme einiges Gewicht in terms of Tatort, weil Boro seit nun 10 Jahren zu den Top-Charakteren der beliebten Reihe gehört. Andererseits ist der Schauspieler nicht die Autorität, deren Wort Folge geleistet würde, weil es die Autorität nicht gibt in einer derart geräumigen Reihe wie dem Tatort.

Milbergs Einwurf macht also – neben der Werbung für den eigenen Auftritt – Karriere womöglich erst im Futur 2: Erst wenn die Markenpfleger der ARD den Tatort zu Tode inflationiert haben, wird Milberg zu denen zählen, die es immer schon gewusst haben. Die Sache kann für die ARD auch gut ausgehen, so wie die Steigerung des Tatort-Takts seit den neunziger Jahren als Erfolg dasteht, ohne den wir heute nicht hier wären.

Man weiß es nicht. Das Urteil über den MDR-Event-Spaß-Tatort aus Weimar (MDR-Redaktion: Sven Döbler) am Boxing Day kann indes davon abhängen, welcher Schule man zuneigt. Milbergs Mannen würden vielleicht in Abrede stellen, dass es sich überhaupt um einen Tatort handelt, wobei der Tatort bekanntlich so groß ist, dass er alles Mögliche einschließt, was sich als Fernsehfilm in 90 Minuten nach dem gängigen Vorspann senden lässt um 20.15 Uhr an einem arbeitsfreien Tag vor einem Werktag.

Ha-Ha-Heiter bis tödlich

Und dafür ließen sich die gleichen Gründe ins Felde führen, die einst die Schwemme als große Modernisierungsleistung der ARD in Zeiten eines prekärer werdenden Fernsehens belegen könnten: Dass der Tatort nicht einfach nur eine der ARD-Marken, sondern dass der Tatort die Ober-Chef-Marke ist, ein Synonym für den Fernsehfilm, in dem alle Genres zu Hause sind, sofern sie sich ihrerseits noch mit einem Kriminalfall assoziieren lassen.

Die Weimarer Folge Die Fette Hoppe (Regie: Franziska Meletzky) öffnet den Tatort jedenfalls in Richtung Vorabendspaß (Ha-Ha-Heiter bis tödlich) und Jugendwelle, auf der Nora Tschirner (als Kira Dorn) und Christian Ulmen (als Lessing) so surften und die Palina Rojinski (als Nadine Reuter) heute noch reitet. Rojinski ist zweifellos eine Erscheinung, aber eben noch weniger Schauspielerin als Tschirner und Ulmen, sondern ein multimediales Image. Das lernt die Tatort-Zuschauerin, die mit Twitter oder ProSieben-Sendungen, in denen das Rojinski-Image zwischen dem Klaas- und dem Joko-Image auftaucht, bislang nichts am Hut hatte. Kann sein, dass das the Future of Fernsehen wird – für den Moment fällt auf, dass in diesem Tatort fast so viel anderes Fernsehen herumtollt wie in der ersten Markus-Lanz-Wetten, dass..?-Sendung.

Dabei machen Tschirner und Ulmen ihre Sache gut, sie haben ein Gefühl füreinander und für das Timing. Man sieht das etwa an dem Drehbuchsatz "Grenzen, Privates – Berufliches, Grenzen", einem Satz ohne Verb, den Tschirner mit ihrer Lust am Rumspielen und den dazugehörigen Figuckchen groß macht, während ihn Thorsten Merten als Vorgesetzter Stich am Ende spricht (und dabei auch noch "Berufliches" und "Privates" vertauscht wie ein schlechter Imitator). Vielleicht besteht der Unterschied zwischen dem Fernsehen der Fetten Hoppe und dem gewöhnlich Film darin, dass Tschirner und Ulmen eher moderieren als spielen. Die Situationen sind in der Handlungslogik eines Falls aneinandergereiht, sie könnten aber auch Clips einer Verstellungs- oder Sonst-was-Sendung sein. Die Figuren sind eh Karikaturen.

Der Humor (Buch: Murmel Clausen, Andreas Pflüger) zündet nur manchmal nicht (der Pizza-Witz vom Anfang). Ansonsten ist er niedlich, wie etwa die Versuche der Musik (Eike Hosenfeld, Tim Stanzel, Moritz Denis) vorführen. Da wird wieder und wieder Tatort-Titelmusik variiert, ohne dass man künstlerische Konsequenz dazu sagen wollte: So radikal, das Format komisch zu zerlegen, ist Die Fette Hoppe lange nicht. Das ganze Lustigsein will nicht mehr als Lustigsein. Das macht das Ganze etwas fad.

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Eine Frage, die häufiger gestellt werden sollte: "Waren Sie mal Sommelier?"

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

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