menschliche Wertungen bei Tierverhalten

Anthrorpomorhismen ? Kann man Tierverhalten als Gewalt oder Mitleid interpretieren, oder unterliegt man einem grundsätzlichem Irrtum ?

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Ich versuche gerade, Pinkers "Gewalt: eine neue Geschichte der Menschheit" hier verkürzt wiederzugeben.

https://www.freitag.de/autoren/alalue/evolutionaere-gewaltstrategie beschreibt ein Anfangskapitel, das ich in der Inhaltsangabe auch erwähnte.

https://www.freitag.de/autoren/alalue/pinker-gewalt-und-evolutionspsychologie

Pinker benutzt deutliche Worte.

„Wer schon einmal zugesehen hat, wie ein Falke einen Star zerfleischt, wie ein stechendes Insekt ein Pferd quält oder wie das Aids-Virus langsam einen Menschen tötet, der hat unmittelbare Bekanntschaft mit den Methoden gemacht, mit denen Überlebensmaschinen andere Überlebensmaschinen kaltblütig ausnutzen.“ Die in der Natur auch auftretenden Vorgänge werden als grausame, unfaire und brutale Gewalt benannt.

Dies wird als unzulässiger Anthropomorphismus kritisiert: menschliche Eigenschaften auf andere Elemente, in diesem Fall auf Tiere, zu übertragen, was aber nicht möglich sei.

Andere diskutieren teilweise Übereinstimmung zwischen Tier und Mensch und über mögliche menschliche Alleinstellungsmerkmale, die sich eventuell erst bei ausreichender biologischer Beschreibung des Menschen zeigten.

Natur und Tierreich, nach Dawkins Überlebensmaschinen, sind weite Begriffe. Sehen wir uns einige Beispiele an, wie Menschen Tiere und umgekehrt, töten.

Menschen werden von Bakterien in Seuchen hingerafft und wehren sich mit Antibiotika.

Parasitäre Würmer , und Regenwürmer, die zum Angeln benutzt werden.

Schlangenbisse und Krokodiltaschen.

Ein Tiger frißt einen Menschen, und der ißt Steaks.

In Wiki gibt es verschiedene Definitionen von Gewalt, ich benutze den Begriff einfach naiv. Ich möchte keine gültige Definition versuchen, das ist müßig. Nur ein paar Gedanken vermitteln.

Man kann ihn grundsätzlich nach den Auswirkungen definieren, wie Pinker es tut. So wie er mit vorschwebt, sind drei Momente daran beteiligt:

1. die Wirkung auf das Opfer.

Ich finde, das Opfer muß psychische Mindestqualitäten haben, um von Gewalt zu sprechen. Bei einem Bakterium findet keine Gewalt statt. Würmern würde ich nur bei echtem Nutzen beschädigen. Spätestens ab Reptilien beginnt die Gewalt, aber wenn ich Hunger hätte und darauf angewiesen wäre, hätte ich bei keinem Tier Probleme.

2. das Wissen des Täters um sein Tun.

Streng genommen gäbe es Gewalt dann nur beim Menschen.

3. die innere Befindlichkeit des Täters.

Sie variiert den Grad der Gewalt. Gerade der Mensch hat da viele Möglichkeiten: Rache etwa wird am besten kalt serviert. Was empfanden Schreibtischtäter wie Eichmann ? Wenn sich jemand rächt, jemand ausraubt, jemand anders beschützen will und deshalb einen anderen angreift, das sind große innere Unterschiede.

Nun komme ich auf Gebes Einwand, alle solche Zuschreibungen seine Anthropomorphismen.

Tiere können uns lesen. Es gibt die Geschichte vom Raben eines Bekannten von Konrad Lorenz. Der verabschiedete ihn immer mit „Servus“, oder einem anderen Gruß. Sie versuchten ihn zu täuschen: lies Mantel an der Garderobe hängen und tat so, als ob er auf die Toilette müßte: der Vogel durchschaute ihn und grüßte. Dann zog er Schuhe und Mantel an: der Rabe durchschaute ihn und grüßte nicht. Konrad Lorenz beherrschte die Sprache der Vögel, und verstand ihre Botschaften. Die ganzen Flüsterer verstehen auch psychische Vorgänge bei ihren Klienten, es gibt Ratgeber, in denen Ursache und Zweck der Katzenmimik und Gestik erklärt wird.

Die geistigen Vorgänge sind stark an die Hirnstrukturen gebunden. Ob sie jetzt von diesen direkt erzeugt werden, oder nur als Resonsnazkörper dienen, ist egal: ohne sehr ausgefeilte Materie kein Gedanke, und auch keine Resonanz oder sonstwas.

Wir haben doch ähnliche Strukturen wie die Tiere: das Stammhirn ist in etwa auf Reptilienstand, das Mittelhirn entspricht den höheren Säugetieren, fast den Affen. Wenn ein junger Affe den alten Boss entthront und selber Chef wird, mit den ganzen Privilegien, hat er das gleiche Glückshormonbad in irgendwelchen Bereichen des Mittelhirns wie ein Sportler wenn er siegt.

Mit den Scannern kann man die Erlebnis- und Hirntätigkeiten gut zuordnen, und da bestehen nicht nur intuitiv große Übereinstimmungen, und es werden auch gleiche Hormone ausgeschüttet.

Meiner Meinung nach ist der wesentliche Unterschied, der fast immer wirkt, unsere gesteigerte Möglichkeit der Selbstwahrnehmung, mit der wir unsere Aktivitäten wie Emotionen selber beobachten können. Das können Tiere so gut wie nicht, und wir wissen nicht, wie es sich anfühlt, wütende oder froh ohne diese Selbstwahrnehmung zu sein.

Man kann die Aktivitäten der Tiere nach unseren Schemen benennen. Zunächst nach den objektiv wahrnehmbaren Gehalt: wenn eine Schimpansin das Kind einer schwächeren Herdengenossin tötet, ist das Gewalt. Dabei hat sie großen Adrenalinspiegel, den wir auch kennen: sie will erfolgreich sein, es schnell beenden und keine eigenen Verletzungen riskieren. Also arbeitet ihr Gehirn sehr aufgeputscht, auch wenn sie es nicht bewußt steuern oder beeinflussen kann. Ob sie nun das empfindet, was wir Hass oder Wut oder Entschlossenheit nennen, ist kaum zu sagen. Aber sehr intensiv ist es auf jeden Fall.

Tier haben aber auch viele positive Aktionen mit ihren Artgenossen, oft auch mit anderen. Ich sah kürzlich ein Video auf youtube, in dem eine Katze neben ihren Jungen einige Entenküken aufzog. Hier dürften auch zumindest ähnliche Empfindungen wie unsere entstehen.

Deshalb halte ich Gebes Kritik, jede solche Interpretation als Anthropomorphismus abzutun, für übertrieben.

So ungefähre Urteile sind schon möglich. Im übrigen ist das Wahrnehmen eines Gegenstandes auch nur eine vereinfachte Dartellung eines viel komplexeren Vorganges: auf Quantenebene ist in einem reglosen Ziegelstein recht viel los.

Ob man sich nun die Pinkerschen deutlichen Worten stört, die er für seine Botschaft braucht, sei belassen. Aber wenn sich drei Schimpansenmännchen auf einen einzelnen einer anderen Herde stürzen und ihm die Glieder verdrehen, Fleischstücke rausreißen, dann kann man das schon als Gewalt bezeichnen, und dabei geschehen in ihren Hirnen andere Vorgänge, als wenn sie ein Weibchen kraulen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

alalue

In einer Demokratie darf jeder so blöd sein wie er kann

alalue

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