ZPS und Höcke - Kunst als 5. Gewalt

ZPS Das Ignorieren und Verharmlosen von Höcke durch die Medien wird von der Kunstaktion des ZPS korrigiert

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Ich möchte mich hier zur Debatte um die Kunstaktion des "Zentrums für Politische Schönheit" zum AfD-Politiker Björn Höcke zu Wort melden. Dies tue ich als Soziologe, nicht als Kunstkritiker. Und ich melde mich zu Wort als jemand, der sachlich involviert ist.

Konkreter Anlass ist der Artikel "Brecht das ab" von Michael Angele (Ausgabe 48/2017).

Meine Argumentation ist sehr einfach: Die Kunstaktion des ZPS ist notwendig geworden, weil die Mainstream-Medien ihrer Aufgabe in der kritischen Berichterstattung vor allem im Sinne eines investigativen Journalismus gegenüber Björn Höcke nicht gerecht geworden sind.

Dass ich mich mit Björn Höcke so intensiv befasse, ist bereits Resultat eines - wie soll man das nennen? - "Versagens der Medien" mit Thilo Sarrazin in den Jahren 2010/2011. Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" wurde von BILD und SPIEGEL durch Vorabdrucke in die Bestseller-Liste gepuscht, auch der Bertelsmann-Konzern sorgte dafür, dass es dort blieb. Die Berichterstattung war katastrophal, es wurde kaum herausgearbeitet, dass Sarrazins Buch in der Tradition der Rassenhygiene stand. Michael Haller, Medienwissenschaftler aus Leipzig und Mitherausgeber eines Sammelbandes zu Sarrazin, hatte die Mainstreammedien dafür kritisiert, dass diese die eugenische und rassistische Argumentation Sarrazins ausgeblendet hätten. Eine kritische Analyse habe nicht (bis auf wenige Ausnahmen) stattgefunden. Als Mitautor des Sammelbandes bin ich damals "am Ball geblieben" und über die Verteidiger Sarrazins schließlich auf Netzwerke gestoßen, aus denen sich wenig später die AfD zusammensetzen sollte. Dieser Spur folgend war ich dann der erste, der ein kritisches Sachbuch zur AfD vorgelegt hat, bereits vor über vier Jahren. Entsprechend wurde ich sehr früh als Experte quer durch Deutschland zu Veranstaltungen zur AfD eingeladen, wodurch ich mir wiederum ein konkretes Bild der AfD jeweils vor Ort machen konnte und dergestalt ein Wissen über die AfD in Deutschland in der jeweiligen regionaler / lokalen Aufstellung gewann. Mein Befund der letzten fünf Jahre zum Verhältnis der Mainstream-Medien: Zu großen Teilen verharmlosen die Mainstream-Medien den rechten Flügel der AfD, sie bringen keine klaren Analysen, die in die Tiefe gehen, und sind sehr schnell bereit, AfD-Funktionär*innen Plattformen zur Selbstdarstellung zu geben.

Der Fall Björn Höcke reiht sich in diesen Befund ein. Es ist zu konstatieren, dass die AfD ihren eigenen AfD-Landesvorsitzenden und -Landesfraktionsvorsitzenden Björn Höcke kritischer einschätzt als die Mainstream-Medien, die ihn großteils vor der Kritik in Schutz nehmen. Im Gutachten des Bundesvorstandes der AfD heißt es, Björn Höcke sei der Autor, der unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" Texte in NPD-Magazinen verfasst habe. Dort steht nicht "Der letzte Beweis stehe aber aus", wie dies von Medien schnell hinterher geschoben wird, wenn überhaupt über "Landolf Ladig" berichtet wird. Meistens wird in der Berichterstattung "Ladig" nicht erwähnt, wenn ich nachhake wird gesagt: "Das sei doch nicht bewiesen". Als hätte Journalismus nichts damit zu tun ob etwas bewiesen wird oder nicht. Man stelle sich ein derartiges Verhalten hinsichtlich der Panama- oder Paradise-Paper vor: "Das ist doch nicht bewiesen, das ist nur eine Spur". Als wäre es nicht die Aufgabe des Journalismus, Spuren zu folgen.

Mich als Soziologen führt diese Form von Journalismus an den Rand der Verzweiflung. Ich bin meiner Aufgabe gerecht geworden, meine Analysen haben herausgearbeitet, dass es derart viele "Überzufälligkeiten" zwischen den Texten von "Ladig" und Höcke gibt, dass ein Zusammenhang bestehen muss. Nimmt man weitere "Überzufälligkeiten" jenseits der reinen Textidentitäten hinzu, kommt eine andere plausible Erklärung als die, dass Höcke "Ladig" ist, nicht in Frage. Das wird im Gutachten des AfD-Bundesvorstandes, welches sich auf meine Analysen bezieht und diese empfiehlt, auch genau so deutlich zum Ausdruck gebracht.

Die Floskel von Journalist*innen "Aber das ist nicht bewiesen" / "Ein letzter Beweis steht aus" ist nicht nur wegen der passiven Zuschauer*innenrolle, die damit eingenommen wird und einem kritischen Journalismus nicht zusteht, problematisch, sondern auch aufgrund eines vorbürgerlichen Verständnisses von "Beweis". Ich befürchte, dass sich die wenigsten Journalist*innen die Beweislage angeschaut haben, denn was soll bitte schön "ein letzter Beweis" sein? Ein Geständnis? Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Schaut man sich ernsthaft die Indizienreihe an, ist bewiesen, dass Höcke "Ladig" oder aber Mitglied einer Gruppe unter dem Namen "Ladig" ist - letzteres würde die Sache für Höcke nicht besser machen. Wenn geschrieben wird "Ein letzter Beweis steht aus" müsste auch benannt werden, welche Möglichkeit noch plausibel ausgeschlossen werden soll mit diesem "letzten Beweis", was also mit diesem "letzten Beweis" noch bewiesen werden sollte.

Warum ist es wichtig, auf diese Identität zwischen Höcke und "Ladig" zu verweisen? "Ladig" hat nicht einfach nur Artikel in "NPD"-Zeitungen verfasst. Er hat drei Artikel verfasst in zwei Periodika. Der letzte Artikel erschien in einer NPD-Zeitung, allerdings in der NPD-Zeitung von Thorsten Heise. Und Thorsten Heise steht für den rechten Rand der NPD (ja, selbst in der NPD gibt es noch einen rechten Rand), er ist ein führender Neonazi in Thüringen, dem Bundesland mit den meisten Neonazi-Konzerten und der Heimat des Thüringer Heimatschutzes, aus dem bekanntlich der NSU hervorging. Die anderen beiden Texten von "Ladig" finden sich nicht in einem NPD-Magazin, sondern in "Volk in Bewegung", einem Magazin rechts von der NPD, ein Magazin, das immer wieder indiziert wird. Warum die "Ladig"-Texte nicht indiziert wurden, erschließt sich mir nicht. "Ladig" ruft in seinem ersten Artikel dazu auf, dass sich eine rechte Avantgarde, die er als noch bestehende "Glut" der "prächtigen Entwicklung" des "Dritten Reichs" verstanden haben will, auf die kommende "politische Revolution" vorbereitet, um ihrem "Führungsanspruch" gerecht zu werden. Das heißt Ladig plant eine nationalsozialistische Revolution und es ist nicht plausibel zu sagen, Höcke sei nicht Ladig. Selbst wenn entgegen aller Indizien angenommen werden würde, Höcke sei nicht Ladig, ist zu konstatieren, dass sich Höcke 2013 mit Fragmenten aus einem Ladig-Text als Bundestagskandidat nominieren ließ, dass Höcke der einzige ist, der den strategischen Begriff Ladigs "aufpotenzierte Krisendynamiken" für die kommende Revolution benutzt und dass Höcke der einzige ist, der den völkisch-utopischen Begriff Ladigs "organische Marktwirtschaft" benutzt und dass Höcke ein Nachbar und Bekannter von Thorsten Heise ist. Selbst wenn sich also jemand entgegen des gesunden Menschenverstandes hinstellen sollte mit der Behauptung, wir wüssten ja gar nicht, ob Höcke Ladig ist, müsste dieser zur Kenntnis nehmen, dass sich Höcke (und nur Höcke) begrifflich im Fahrwasser von Ladig befindet und gute nachbarschaftliche Kontakte zum Ladig-Herausgeber Thorsten Heise hat. Wir müssen also davon ausgehen, dass Björn Höcke eine nationalsozialistische Revolution plant und dass Höcke beste Kontakte zu allen möglichen rechtsradikalen und rechtsextremistischen Gruppierungen hat - insbesondere zu Thorsten Heise.

Ob eine solche NS-Revolution möglich ist? Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird, es ist nicht ausgeschlossen, dass Krisen wie die "Klimakatastrophe" und eine neue "Weltwirtschaftskrise" sich gegenseitig aufpotenzieren, wie Ladig / Höcke hofft. In einer solchen destabilisierten Situation wäre eine neofaschistische Revolution nicht undenkbar. Höcke denkt in Generationen.

Die obige Information wird von den Mainstream-Medien nicht weitergetragen. Zwar gibt es einzelne Politiker*innen und Journalist*innen, die sagen, Höcke sei ein Nazi. Dies wird dann aber in der Regel nicht in einer angemessenen Weise argumentativ und faktenbasiert begründet.

Daher begrüße ich die Fokussierung des ZPS auf "Landolf Ladig" und sehe darin auch eine Kritik an den Mainstream-Medien. Die 5. Gewalt investigiert, weil die 4. Gewalt nicht investigiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Kemper

Ich arbeite als Soziologe kritisch zu Klassismus, Organisiertem Antifeminismus und die AfD

Andreas Kemper

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