Ein Albtraum für die SPD in Hamburg

CumEx Die SPD hat allen Grund in Hamburg Debatten über CumEx zu fürchten. Nur komisch, dass sie das geradezu herausschreit.

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Am Freitag, den 1. November plant die Linke in Hamburg eine Veranstaltung, die den schönen Titel: STEUERDIEBE! Wie uns Gangster im Nadelstreifen mit Cum-Ex abzocken. Das gehört sich so für Linke, dass sie zu solchen Themen Veranstaltungen und mithin Aufklärung organisiert.

Das Besondere dieser Veranstaltung ist aber, dass dort mit Norbert Hackbusch und Fabio De Masi nicht nur zwei Linke diskutieren werden, sondern auch ein Sozialdemokrat, der sich gerade um den SPD-Parteivorsitz bewirbt. Nobert Walter-Borjans wird ebenfalls auf dem Podium sitzen und mitdiskutieren.

Besonders? Ist es nicht gang und gäbe, dass Linke und SPDler irgendwo miteinander sitzen und diskutieren? Das ist wohl so, aber der Hamburger Landesverband der SPD führt gerade Wahlkampf und im kommenden Februar wird das Landesparlament neu gewählt. Mit nervös ist der Zustand der Truppe um Bürgermeister Tschentscher nur ungenügend beschrieben und so löst diese Veranstaltung mehr Aufmerksamkeit bei den Genoss*innen des letzten Trupps der Aufrechten und Beansprucher der Mehrheit in dieser Stadt aus, als es sich vielleicht Walter-Borjans, der ja aus NRW kommt, wo er sich als Aufkäufer einer brisanten Steuer-CD einen Namen machte, gedacht haben mag.

Zuerst fiel es einem Freund von Olaf Scholz auf. der das Plakat am 26.10. postete und fragte: „Was ist das denn?“ Wolfgang Rose und Johannes Kahrs folgten zwei Tage später. Rose, früher mal Landesbezirksleiter von Ver.di stellte aber keine Frage, sondern fest: „DAS MACHT MAN NICHT, Genosse Norbert Walter-Borjans“. Damit war es dann auch bei den Matadoren, die die Landespolitik in Hamburg journalistisch begleiten, gelandet und Herbert Schalthoff, der im lokalen Fernsehsender eine Art Politiktalk betreibt, schrieb: „Große Aufregung in der Hamburger SPD um dieses Plakat bzw. um diese Veranstaltung der Linken, auf der der Scholz - Herausforderer Norbert Walter-Borjans auftritt. Fällt er damit der SPD in den Rücken oder ist es „nur“ eine harmlose, vielleicht ja sogar kontroverse Diskussion? Auf jeden Fall gelungene PR der Linken ...“

Vordergründig gilt die Aufregung dem Fremdgängertum von Walter-Borjans, die aus Gründen der Solidarität mit Olaf Scholz gleich besonders heftig ausfällt, da beide ja darum kämpfen Majestix bei den Sozen zu werden. Recht eigentlich geht es aber auch noch um etwas anderes. Hamburg spielt im Cum-Ex-Skandal eine besondere Rolle, dabei geht es um die Warburg Bank in Hamburg. Für diese wird es immer enger. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt schon lang. Im Rahmen einer von der Bafin angestrengten Sonderprüfung von Warburg durch Prüfungsgesellschaft Deloitte, gegen die sich Warburg heftig gewehrt hatte, stellten die Prüfer fest, dass Warburg massiv in Cum/Ex-Deals involviert war. Angeblich drohen der Bank Belastungen bis über 300 Millionen EUR plus aufgelaufener Zinsen. Das könnte die gesamten Eigenmittel der Bank aufzehren.

Dabei hatte Hamburg selbst hat alles getan, damit es nicht soweit kommt. Eine Korrektur des Steuerbescheides von 2010 wurde durch das Hamburgische Finanzamt solange verzögert, dass es fast zur Verjährung der Hauptforderung in Höhe von 43 Millionen EUR gekommen wäre. In letzter Minute gab es dann eine Anweisung aus dem Bundesfinanzministerium - damals war Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister -, so dass es nicht zur Verjährung gekommen ist.

Ob Olaf Scholz als Bürgermeister die Hamburger Warburg Bank aktiv beschütze oder nur vergessen hatte, dass bei ihm "politische Führung" bestellt worden war, weiß man natürlich nicht. Man weiß aber, dass er Elisabeth Roegele, zuvor schon einmal Chefsyndika der Deka-Bank, für die sie „als Bereichsleiterin Recht und Produktsteuern ... die juristische Sauberkeit der Cum-Ex-Geschäfte in der Dekabank zu beurteilen“ (Handelsblatt, 28.02.2019), vor einem Jahr - mit Wirkung zum 1. August 2018 - zur Vizepräsidentin der BaFin befördert hatte.

Zurück zur Hamburger Warburg Bank, der Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe drohen: Die 12. Große Strafkammer des Landgerichts will nach Informationen des Handelsblattes die §§ 73a und 73b StGB anwenden, in denen geregelt ist, dass illegal erzielte Profite auch von Profiteuren des Erlangten eingezogen werden können, die nicht die Tat begangen oder beteiligt waren ("nicht Täter oder Teilnehmer ist"). "Aus Sicht der Staatsanwaltschaft und offenbar auch aus Sicht des Gerichts steht eine solche Beteiligung bei den Warburg Gesellschaften, Société Générale, BNY Mellon beziehungsweise deren Töchtern und Hansainvest außer Zweifel".

Nun kommt auch noch hinzu, das vor dem Landgericht Bonn gerade ein Prozess läuft, der zwei britischen Angeklagte - damals Aktienhändler und Berater in London - in vielen Fällen versuchte und schwere Steuerhinterziehung in der Zeit von 2006 bis 2011 vorwirft. Dabei soll ein Schaden von 447 Millionen Euro entstanden sein. Unter anderem war auch die Hamburger Warburg-Bank einer ihrer Kunden.

Nun sind diese Angeklagten nicht nur geständig, sondern auch um Aufklärung und Erläuterungen der Hintergründe bemüht. Einer der Beschuldigten hat am 19.09.2019 eine für die deutschen Banken hoch belastende Aussage gemacht, nämlich dass diese anhand von Referenznummern zu bestimmten Zahlungen Bescheid hätten wissen können, dass bei ihnen Steuern auf Dividenden mehrfach erstattet wurden. Genau das hatten Banken immer bestritten, und behauptet, dass aufgrund der Verzwicktheit der Transaktionen und Intransparenz am Markt eine solche Feststellung nicht möglich war. Weil die Angeklagten für zwei Firmen der Hamburger Warburg Bank, ihre Dachgesellschaft und eine Investment-Tochter, tätig waren ist Warburg als sogenannter Nebenbeteiligter im Verfahren mit dabei.

Im Januar 2018 war es der Hamburger Bundestagsabgeordnete der Linken Fabio De Masi der im Zusammenhang mit der Anweisung des Bundesfinanzministeriums an Hamburg tätig zu werden, um die Forderungen nicht verjähren zu lassen, die Vermutung äußerte, das Bankhaus erfreue sich der Protektion durch höchste Regierungskreise und sei deswegen von Steuernachforderungen verschont geblieben. Außer lautstarken Zurückweisungen durch die Hamburgische Finanzbehörde – die damals übrigens vom heutigen Bürgermeister geleitet wurde – erfuhr man nur, dass die Finanzbeamten lauter sind, was aber auch niemand infrage gestellt hatte. Warum Hamburg mit seiner Steuerforderung so lange wartete, bis der Fall beinahe verjährt war, dazu erfuhr man, mit Hinweis auf das Steuergeheimnis nichts.

Fassen wir mal zusammen: die Warburg Bank wankt ganz erheblich. Zum einen sitzt ihr die BaFin im Nacken, die aufgrund der scholzschen Personalpolitik – Elisabeth Roegele – allen Grund hat, den Anschein von Milde im Zusammenhang mit CumEx aktiv zu dementieren. Auf der anderen Seite fallen in Bonn gerade ehemalige Komplizen der Bank in den Rücken und die Zeit des Wahlkampfes in Hamburg rückt näher und der Spitzenkandidat der SPD ist derjenige, der in Hamburg durch sein Verhalten dem Bundesfinanzministerium Veranlassung gab, die Hamburger Finanzbehörde anzuweisen gegen Warburg einen Steuerbescheid zu verschicken.

Kann man da nicht SPD-Mann Rose verstehen, wenn der sagt, in einer solchen Situation darf kein SPD-Mann der auch nur etwas von Finanzen und CumEx versteht mit Linken in Hamburg öffentlich im Kreis hocken?

P.S.
Natürlich hat Walter-Borjans seine Teilnahme an der o.g. Veranstaltung mittlerweile abgesagt.

Wer intensiver in die Materie einsteigen will, empfehle ich meinen Artikel Die Banken Republik

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