Am Rand der Komfortzone

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Über frisch aufgebaute Stahltreppen poltern die Schritte nach oben, früh am Abend des 07. März 2012, eingeladen hat das BMW Guggenheim Lab in den alten Speicher, nicht weit entfernt liegt die Spree.

Das BMW Guggenheim Lab versteht sich als eine Kombination aus Veranstaltungsort, öffentlichem Forum und Gemeindezentrum. Es wird über einen Zeitraum von sechs Jahren weltweit neun Metropolen besuchen. Berlin ist die zweite Station auf seiner Reise und auch hier soll es ein Ort kreativproduktiver Zusammenkunft sein. Das Programm thematisiert Herausforderungen eines gemeinschaftlichen Lebens in Großstädten und hinterfragt den Komfort des Einzelnen und der Gemeinschaft. Dabei sollen insbesondere auch Fragen und Ideen aufgegriffen werden, die der jeweiligen Nachbarschaft besonders am Herzen liegen. Mit einigen Gruppen und Akteuren aus dem Kiez stehen wir deshalb auch bereits in Kontakt.

Knapp halbhundert Leute verteilt im Raum, nur wenige sitzen, die meisten stehen.... vorne fünf, sechs vom Team, ein Beamer..... schnell wandern die Bilder, eine mobile Struktur soll von New York kommen, weiterziehen nach Mumbai, ein Pavillon als Treffpunkt zum Nachdenken und zum Austausch, eine Zukunftswerkstatt mit Events und Ausstellungen......

Der Junge mit dem Ohrring macht den ersten Einwurf: Nehmt Ihr uns mit nach Mumbai, wenn Ihr hier abbaut?

Über den großen Screen laufen gerade die Porträts der Guggenheim-Kuratoren, der Vortragende vorne neben dem Beamer erläutert den Start in New York.... die Stahlstruktur des Labs hat ihren Platz auf einem leeren Grundstück in einer Lücke zwischen zwei Brandwänden gefunden.

In New York gab es auch Proteste! kommt ein zweiter Einwurf. Das Publikum rührt sich bereits, manche tuscheln, die Rede stockt.

Wir freuen uns ja, dass Ihr uns als Anwohner eingeladen habt, beginnt eine längere Erwiderung, und wir wollen uns jetzt ansehen, ob wir das gut finden, was Ihr hier vorhabt!

Wir wundern uns auch, dass Ihr uns nicht im Vorfeld gefragt habt! wirft ein anderer ein: Wenn BMW so eine Aktion sponsert, wollen wir doch wissen, was die Leute vor Ort davon haben.... in New York haben die Anwohner gegen das Lab protestiert!

Das ist mir nicht bekannt! kommt die Abwehr vom Beamer.... Aber das ist doch im Internet zu sehen, wieso weißt Du das nicht, wenn Du für Guggenheim arbeitest?

Immer mehr Stimmen melden sich aus dem Publikum, aber auch: Lasst die Leute mal ausreden, wir wissen noch gar nicht, was sie vorhaben!

Das riesige, leere Grundstück an der Spree, das sich die Initiatoren ausgesucht haben, ist seit Jahren Projektionsfläche süßer Investorenträume und anarchischer Ruderalphantasien.... Wenn Ihr das Lab veranstaltet, ist das Grundstück danach mehr wert und die Mieten in der Nachbarschaft steigen weiter! lautet der Vorwurf.

Der Vortrag verwildert in erregte Streitgespräche, ein riesiges Transparent wird vor dem Screen ausgerollt: Stopp den Mietsteigerungen!

Mies sitzt still am Rand und geht schließlich. Insgeheim hat er gehofft, Peggy hier zu treffen, aber er hat so lange nichts von ihr gehört, dass er sich kaum noch an ihr Gesicht erinnern kann.



Hier endet der 284. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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