Brandenburger Waldmops

Komische Kunst Gelegentlich erwischen sie uns doch, die bunten Hoffnungen der melancholischen Provinz: Ist alles Mops, was von Loriot bleibt?

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Loriot, 2008
Loriot, 2008

Bild: Sean Gallup/Getty Images

Mit einer guten Freundin habe ich mich im Januar über die Ausschreibung des Künstler-Wettbewerbs unterhalten, sie ist Architektin und Stadtplanerin, und sie hatte auch schon überlegt, einen Beitrag einzureichen…. Vielleicht einen Mops-Spring­brun­nen, grinste sie fröhlich, irgendwas für die Gute Laune! Ich lachte und bezweifelte leise, ob ein lustiger Springbrunnen ausreichend Strahlkraft entwickeln könnte, um Tagestouristen anzuziehen…. diese Hoffnung war nämlich mit der Suche nach einer bleibenden Erinnerung an den namhaften Sohn der Stadt verbunden: Mir wäre ein Museum am liebsten. Etwas, was die Leute zusätzlich davon überzeugt, von der Autobahn abzufahren und Brandenburg zu besuchen! zitierte die Auslobung einen der Initiatoren. Wir haben uns dann noch ein bisschen über Denkmäler im Allgemeinen und im Besonderen belustigt, wahrscheinlich auch über die Bundeswippe, die in Berlin geplant ist… Ein paar Wochen später habe ich doch einen Beitrag eingereicht, am allerletzten Tag ein paar Gedanken aufgeschrieben.

Die Stadt Brandenburg an der Havel hat es schwer. Die Namenspatronin des gleichnamigen Bundeslandes, das Rainald Grebe zu einem seiner größten Erfolge inspirierte, liegt viel zu weit weg von der Ostsee, zu weit weg vom Ballungsraum Berlin-Potsdam, zu weit weg von Intercity-Stecke und Autobahn. Knapp über 70.000 Einwohner, Durchschnittsalter um 47 Jahre, 604 Geburten und 901 Sterbefälle im Jahr 2012, Zu- und Fortzüge nahezu ausgeglichen. Für zuziehende Studierende an der Fachhochschule und Auszubildende mit neuem Hauptwohnsitz am Ort zahlt die Stadt eine Wohnsitzprämie von 100,- EUR jährlich… dabei locken grandiose Wasserlagen.

Als Dreijähriger schon ist einer fortgezogen, der später sehr berühmt und, was vielleicht sogar wichtiger ist, weithin bekannter Sympathieträger quer durch alle Schichten und Generationen wurde: Vicco von Bülow, besser bekannt unter dem Künstlername Loriot, der sich seit 1985 bereits mehrfach in seiner Geburtsstadt engagierte und im Jahr 2011 verstarb. Was für ein Pfund für die kreisfreie Stadt in der sandigen Mark, wenn sie damit zu wuchern verstünde.

„Loriot zu Ehren“ nun war die Aufgabe für die Teilnehmer des offenen Ideen- und Realisierungswettbewerbs, um eine würdige Erinnerung an Vicco von Bülow als namhaften Sohn der Stadt zu initiieren… Gesucht wird eine Idee für einen öffentlichen Raum, die identitätsstiftend sowie ansprechend für Loriot und „seine“ Stadt steht. Eine Vorgabe, was genau zu entstehen habe, gibt es nicht, um der Phantasie und Kreativität keine Grenzen zu setzen. Die Wahl der Medien ist frei. (Auslobung des offenen Ideen- und Realisierungswettbewerbs für Künstler, Kulturverein Brandenburg an der Havel e.V., November 2013)

In der ersten Entscheidungsrunde wurden aus 92 Einreichungen sieben Arbeiten zur weiteren Vertiefung ausgewählt, ich erhielt zu diesem Zeitpunkt eine freundliche Mitteilung, dass mein Beitrag nicht weiter berücksichtigt und bei Nichtabholung der Vernichtung zugeführt werde. Am 21. Juni 2014 verkündete die Jury ihre Entscheidung.

„Die wilden Waldmöpse werden ein Brandenburger Alleinstellungsmerkmal“, sagt Frank-Walter Steinmeier begeistert. Und er muss es wissen, belehrt die Presse­erklärung…. Ob die Bürger Brandenburgs das wohl glauben?

Weiter berichtet die Jury: …das Werk mit dem Namen „Der wilde Waldmops“, entwickelte sich schnell zum Favoriten…. Zum Werk gehört ein Sockel ohne Denkmal und nur mit den Fußstapfen Loriots. Der Künstler ist weg, sein Werk lebt. Es lebt in dem wilden Waldmops, der sich den Humboldthain, einem Park in bester Innenstadtlage, untertan gemacht hat. Eine Gruppe von acht gehörnten Waldmöpsen, etwa 50 Zentimeter hoch und aus Bronze, ist mit Fundamenten diebstahlsicher imHumboldthain verteilt worden und von einer kleinen Brücke, dem „Waldmops-Informationszentrum“, aus gut zu sehen. Am Informationszentrum erklärt eine Tafel alles, was Loriot zum Thema Waldmops hinterlassen hat.

Die Bronze lebt…. das hätte Loriot vielleicht zum Schmunzeln gebracht, so mögen die Beteiligten hoffen, und sie möchten gewiss gerne den Segen des berühmten Verblichenen für ihre Entscheidung reklamieren…. Die Presseerklärung schließt übrigens mit der ehrlichen Aussage: 50.000 Euro stehen für die Umsetzung der Idee zur Verfügung, die der Verein in den vergangenen Jahren zusammengetragen hat. Fürwahr ein beschränktes Budget….

Nein, mit 50.000 Euro wäre mein eigener Vorschlag nicht zu realisieren gewesen, das habe ich offen zugegeben: Wir wissen, dass das Budget dieses Wettbewerbs begrenzt ist. Wir werden Sponsoren suchen.

Der Titel des Beitrags ist Komische Havel ….ein Festival für Loriot! und kein einziges Stück Bronze kommt darin vor, ist nur ein Programm:

Mit dem Ausdruck Bilbao-Effekt kenn­zeichnen wir heute die Veränderung einer Stadt, die durch ein öffentliches, möglichst spektakuläres Bauwerk erreicht werden kann.

Für die Stadt Brandenburg möchten wir einen Loriot-Effekt er­reichen, der in die benachbarten Regionen ausstrahlt und eine besondere, unauf­kündbare Bezie­hung zwischen der berühmten Stadt und ihrem großen Sohn begründen soll.

Wir wissen, dass das Budget dieses Wettbewerbs begrenzt ist. Wir werden Sponsoren suchen für:

Bühne auf der Havel

legt ab jedes Jahr von Potsdam, ankert zum Baumblütenfest vor der Inselstadt Werder und erreicht den Quai vor der Brandenburger Johanniskirche im Juni.

Im Humboldthain jubelt das Publikum.


Sketch-Contest

Jede Kneipe der Stadt stellt eine Bühne vor die Tür, man gibt die Klassiker: „Die Nudel“, „Das Jodeldiplom“ , „Das Früh­stücksei“, und ja, auch „Die Badewanne“!


Hall of Fame

Zum stillen Schmunzeln trifft man sich in der Ausstellung. Das Bistro in der um­ge­nutzten Kirche bietet „Kosakenzipfel“ an – das ganze Jahr.


Smile Academy

Humor ist keine ernste Sache, trotzdem muss man immer wieder üben. Von Lach-Yoga bis zum Comedy-Workshop reicht das Kursangebot, und neben­bei entstehen fröhliche YouTube-Clips.


Die Auswahl der letzten Runde im Wettbewerb des auslobenden Kulturvereins zeigt verschiedene Skulpturen, in Bronze und in Stahl, mit oder ohne Sofa, der leere Sockel wird symbolisch aufgeladen, dabei auch ein gigantisches Überraschungsei… als ob die Freuden des Humors nicht flüchtig sind wie rosa Wölkchen kurz nach Sonnenaufgang.

Hoffen wir also für die wackeren Brandenbürger, dass die erzenen Waldmöpse wirklich diebstahlsicher verankert werden und sich fleißig vermehren…. man kann in Erwägung ziehen, auch in der Altstadt vereinzelt Waldmöpse zu installieren, schlägt die siegreiche Verfasserin Clara Walter vor, den ersten stiftet bereits die Bürgermeisterin persönlich und hofft, dass ihr Vorbild Schule macht. Ermutigend, dass die Entscheidung der Jury bereits weit außerhalb der Landesgrenzen freundlich kommentiert wird…

Eine wachsende Skulptur, ein Denkmal zum Mitmachen hat die junge Künstlerin also in ihrem charmanten Einführungstext beschrieben, ein hoffnungsvoller Ansatz der spielerischen Installation, und wir drücken alle Daumen, dass viele Leute von der Autobahn abfahren werden, um die Waldmöpse zu besuchen.

Nachtrag zum Eintrag vom 28.01.2013: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.

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Geschrieben von

archinaut

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