Kalvarien

Vorfrühling: Nebel über Golgatha

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Heute hast Du mir den Kalvarienberg gezeigt, trotz des Regens sind wir ein Stück des Prozessionsweges abgelaufen, und dann wolltest Du etwas für Dich bleiben, gerade als das Kreuz und die Mariengrotte in unser Blickfeld kam.

Und ich muss zugeben, dass mich das Bild des Kreuzes und der Grotte, die vor dem trüben Himmel aufragte, beeindruckt hat und dass ich in diesem Moment auch neugierig wurde und mich fragte, wie so eine Prozession auf den Kalvarienberg wohl abläuft. Alleine bin ich dann das letzte Stück hochgelaufen, der Hang und das frische grüne Gras waren vom Regen feucht und rutschig, Du warst ja schon oben und bist zur anderen Seite fortgegangen.

Traurig und etwas verloren steht die Muttergottes da in ihrem Gefängnis hinter Gittern, eine ganz unpassende Assoziation, das weiß ich wohl, aber das Schutzgitter zeigt ganz gut, dass Heiligkeit allein heute kein Schutz mehr vor Kunsträubern ist…

Du bist weiter gegangen, und ich kann mir gut vorstellen, dass der Platz vor der eingesperrten Frau wahrscheinlich nicht Dein Lieblingsort hier auf dem Berg ist, trotz der vielen Bänke, die für die Andachten aufgestellt wurden.

Neben der Mariengrotte unter dem steil gewölbten Natursteinhügel ragt das nackte Kreuz über einem schmalen, befestigten Plateau noch höher in den grauen feuchten Himmel, ohne den Gekreuzigten, und ich folge jetzt dem gewundenen Pfad hinter der Mariengrotte und steige die Stufen zum Kreuz empor, vorsichtig über glitschige Stufen am rostigen Handlauf und ich frage mich, warum das Kreuz leer ist… der vom Kreuz Abgenommene sei in den Schoß seiner Mutter zurückgekehrt, heißt es ja, aber ich kann mich nicht erinnern, ob die vergitterte Maria ihren Sohn auf dem Schoß hielt, ich habe sie nicht genau genug angesehen…

Ob dieses kleine Plateau am Fuß des Kreuzes meine Lieblingsstelle werden könnte? Nein, ich denke nicht, selbst wenn der Blick eindrucksvoll ist, rundum in alle Richtungen, auch die Entlüftungsstutzen des Wasserspeichers und den Sendemast sieht man von hier aus leider besonders gut. Ich folge dem Weg weiter, vorbei an der letzten Station für die Prozession. Bald ist Ostern, denke ich, das Fest einer heidnischen Göttin, die dem höchsten christlichen Fest den Namen gab…

Ich finde Dich dann auf der anderen Seite des Hügels, auf dem Waldweg, wo die Bäume lichter stehen und den Blick auf Feldflure und die weißen Häuser der neuen Ansiedlungen freigeben, Deinen Lieblingsblick, zwei, drei knorrige Baumsenioren stehen dort, der Waldboden neigt sich, in der Ferne die nächsten Häuser, fast am Fuß der nächsten Hügelkette.

Du bist gerne hier, besonders im Herbst, wenn die Blätter golden werden und langsam den Blick freigeben, weg vom Kreuz ins Tal, und Du erzählst, dass die Kinder hier am Berg Höhlen und Baumhäuser bauen, und manchmal spielen sie wohl auch mit den alten Trollen und Elfen, denen dieser Ort gehört, dem Gefolge der Göttin Ostara und ihren Vorgängerinnen, von Anfang an…

Nachtrag zum 362. Eintrag vom 09.08.2012: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt.

Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt.

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archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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