Wer darf Pathos?

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Unterscheiden wir denn zwischen Pathos und falschem Pathos?

Wäre ein Unterschied nicht rein akademisch und überdies anachronistisch, wie etwa die Unterscheidung von U- und E-Musik?

Pathosbezeichnet in der klassischen Rhetorik nach Aristoteles eine der drei Arten der Überzeugung, nämlich die durch rednerische Gewalt und emotionalen Appell. Die anderen beiden sind Ethos (die Autorität und Glaubwürdigkeit des Sprechers) und Logos (Folgerichtigkeit und Beweisführung), erklärt uns das deutsche Wiktionary, und Wikipedia sekundiert:

Gegenwärtig steht Pathos unter Verdacht und ist zum (ab)wertenden Schlagwort geworden, etwa in der Film- und Literaturkritik. Der Differenziertheit der Pathos-Begriffe entsprechend kann sich dieser Verdacht gegen äußerst unterschiedliche Phänomene richten. Er gründet etwa nicht nur in neuen Formen der Emotionskritik, sondern richtet sich auch auf diegroßen Erzählungen(Lyotard), mit denen der Stil traditionell verbunden ist: so etwa bei Schiller die Idee der Freiheit.

Sind wir nicht frei in der Wahl der rhetorischen Mittel?

Wer darf E-Pathos nutzen...... echtes, ernsthaftes, erträgliches Pathos? Sind Poesie und Humor legitime rhetorische Mittel aus dem Werkzeugkasten des Pathos.... oder führt ihr Einsatz zur Disqualifizierung und Ächtung im Überzeugungskampf?

Schwer einzuschätzen, ob sich Pathos, Ethos und Logos gegenseitig bestärken oder substituieren.... darf eine brillante Beweisführung pathetisch vorgetragen werden? Weckt Pathos Misstrauen gegen Autorität und Glaubwürdigkeit des Vortrags? Darf der Redner versuchen, seiner Überzeugung durch einen deftigen Scherz Nachdruck zu verleihen, oder büßt er dadurch an Glaubwürdigkeit ein?

Warum erleben wir immer wieder, dass uns trotz einer folgerichtigen Beweisführung Kompetenz und Wahrhaftigkeit der Argumente nicht einleuchten? Dass wir schon dem Argument nicht folgen und das trotzige Pathos in Text oder Rede nur noch unseren Brechreiz erregt?

War also darf rednerisch Gewalt ausüben? Wer darf emotional appellieren? Überzeugen heißt nicht überreden..... sondern das Feuer zu übertragen, glaubhaft Wut, Angst oder Begeisterung in die Arena des Auditoriums zu werfen und mit Argumenten die vergessene Glut aus der Asche zu füttern... Pathos mag nutzen, wer aus einer unterlegenen Position versucht, neue Zuhörer zu gewinnen.

Das Pathos der Machthaber dagegen wird uns unerträglich, denn wir erwarten, dass ihr Mandat auf Ethos und Logos gegründet sei. Wie oft haben wir erlebt, dass Pathos als Fassade benutzt wird für Eigennutz, Niedertracht und Verrat an den gemeinsamen Idealen.



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Hier endet der 325. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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archinaut

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