Licht an, Kriminelle raus?

Prostitution In Schöneberg soll ein Straßenstrich durch Scheinwerfer vertrieben werden. Unser Autor hat dort zehn Jahre gewohnt und weiß: So läuft's nicht.
Ausgabe 18/2015
Statt mehr Licht wäre womöglich ein „Prostitutionspark“ wie in Zurich zielführender
Statt mehr Licht wäre womöglich ein „Prostitutionspark“ wie in Zurich zielführender

Foto: Construction Photography/Photoshot/Imago

Nutten auf dem Spielplatz, das wäre für den Prenzlauer Berg der nackte Wahnsinn. Wir Schmuddelkinder aus Berlin-Schöneberg sind da etwas entspannter. Wer schon mal so lange im Pinguin-Club hängengeblieben ist, bis die alten Geschichten ausgegraben wurden, von David Bowie, von Helden und Verlierern, von den Kindern vom Bahnhof Zoo, von der Geisterbahn und dem Rotlicht, der weiß: Während die Kinder im Prenzlberg von ihren busy parents verzogen werden, wird bei uns lieber der lustvolle Akt vollzogen. Es war schon immer die Partymeile von Westberlin. Hier konnte man morgens im Bademantel zum Bäcker gehen, und niemand hat einen komisch angeschaut. Das machte die Gegend lässig. Wer hier hinzieht, weiß: Wir gehen ins Schwulen- und Stricherviertel.

Und nun hat ausgerechnet die Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, das unsittliche Rumhuren am Spielplatz Ecke Eisenacher-/Fuggerstraße mit Flutlicht zu bestrahlen, um die dunklen Machenschaften auszuleuchten. Licht an! Krimi-nalität aus! Das ist so, als wenn man auf die Große Freiheit zieht und alle SM-Läden schließen will. Natürlich finde ich es auch suboptimal, dass das Rotlicht ausgerechnet einen Spielplatz zur Lustschaukel macht. Aber die Idee mit dem Scheinwerfer, der die Sexmotten vertreiben soll, erinnert mich an den Hauptbahnhof in Hamburg, wo Dealer und Obdachlose durch Dauerbeschallung mit Klassik vertrieben werden sollen. Das ist Spießermentalität: Wir bestrahlen einen Ort, an dem das Dreckige ist. Aber das gehört eben zur Subkultur. Mit solchen Aktionen machen sie den Stadtteil kaputt. Der hatte immer etwas Rotlichtiges.

Mein Kind ist jahrelang quer durch Schöneberg zur Schule gegangen. Als wir in ein Kaff bei Bremen gezogen sind, sagte es einmal: „In Berlin war der Schulweg eine Lehre fürs Leben.“

Statt Licht auf das Böse zu strahlen, könnten sich die Schöneberger Lokalpolitiker auch an der Schweiz orientieren und die Straßenzüge in einen „Prostitutionspark“ umwandeln, wie er neben dem Zürcher Hauptbahnhof errichtet wurde. Ein von Steuern subventionierter Rundkurs für Autofreier, die ihren „Fick-in“ in „Verrichtungsboxen“ erledigen. Aber das Zürcher Modell gibt es in Schöneberg ja schon– die Motzstrasse, eine autonome Sexmeile. Wir leben in der Großstadt.

Man könnte den Geist beschwören, der diesen Stadtteil immer geprägt hat, nämlich dass seine Bewohner koexistieren: Also, Stricher. Bitte geht nicht auf den Spielplatz, geht ins Stundenhotel.

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Geschrieben von

Axel Brüggemann

Journalist und Autor in Wien und Bremen.

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