Fühlt sich etwa jemand angesprochen?

Kühe sind keine Maschinen Ein Werbespot für vegane Schokolade versetzt den Bauernverband in Aufruhr. Dabei betrifft ihn die Werbung doch gar nicht. Oder?

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Glückliche Milchkuh auf satt grüner Alpenwiese
Glückliche Milchkuh auf satt grüner Alpenwiese

Foto: imago images/Sabine Gudath

Es ist schon unfair. Erst züchtet man sich in mühevoller Kleinstarbeit Tiere zu effizienten Produktlieferanten heran, baut ihnen Heime aus Stahl und Beton, erfindet Maschinen, die sie im wahrsten Sinne des Wortes aussaugen, quält sie so lange, bis nichts mehr geht, und am Ende muss man sich dafür auch noch kritisieren lassen.

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Die Firma Katjes hat sich in einem Werbespot für vegane Schokolade erlaubt, die Massentierhaltung als das zu bezeichnen, was sie ist: Ausbeutung. Nun haben Ausbeuter es noch nie gerne gehabt, wenn Dinge beim Namen genannt werden und deshalb hat der Bauernverband beim deutschen Werberat eine Beschwerde eingelegt. Julia Klöckner, von der man ohnehin meinen könnte, sie vertrete im Bundestag vor allem die Agrarindustrie und Nestlé, ist empört.

„Diskriminierend und ungerechtfertigt“

In besagtem Werbespot wird gesagt, dass Kühe keine Milchmaschinen sind. Mehr eigentlich nicht. Aber das sei ja an sich schon eine Unverschämtheit, eine Diskriminierung, findet der Bayerische Bauernverband. Dass die einzigen, die hier – sehr verharmlosend formuliert – diskriminiert werden, die Kühe sind, scheint ihm zu entgehen. Aber wenn die Vertreter der Milchindustrie das verstehen würden, hätten wir die ganze Debatte nicht.

Die Aussage der Werbung als „ungerechtfertigt“ zu bezeichnen, ist ebenfalls nichts weiter als ein verzweifelter Versuch, die Milchwirtschaft als notwendige, respektvolle, humane Angelegenheit darzustellen. Argumente hierfür gibt es keine. Wem die Schmerzen, die psychischen Belastungen, die Euterentzündungen der Tiere egal sind, wer Tiere, die auf Wiesen gehören, auf Betonböden zwischen Eisenstangen einsperrt, sie mit Maschinen melken lässt, kann mir nicht erzählen, er*sie würde sich auch nur im Geringsten um die Tiere scheren. Sie sind Produktionsmittel, nichts weiter. Die Werbung zeigt das ganz gut.

Kühe sind keine Maschinen

Der Bauernverband beschwert sich über die Aussage „Kühe sind keine Milchmaschinen.“ Für eine Zunft, die die Tiere so weit optimiert hat, dass sie tausende Liter Milch pro Jahr geben, eine Zunft, in der die Kühe an ihrer „Milchleistung“ gemessen werden und die Halter*innen der Tiere mit der größten „Milchleistung“ einen Preis erhalten, ist das schon kackfrech.

Des Weiteren werde die Milchindustrie falsch dargestellt. Das stimmt. Es fehlen Bilder von blutiger, keimbelasteter Milch, von Kühen, die nicht mehr auf ihren Beinen stehen können und von den oft genug stattfindenden Misshandlungen. Die Darstellung von Schlachtungen fehlt ebenso wie die Szenen, in denen den Müttern die Kälber entrissen werden und die Mütter tagelang nach ihnen schreien.

Bauernverband legt Beschwerde beim Werberat ein

Um der Verbreitung unangenehmer Wahrheiten möglichst erfolgreich entgegenzuwirken, hat der Bayerische Bauernverband eine Beschwerde beim deutschen Werberat eingelegt. Dieser lehnte diese nicht etwa ab, wie es selbst Hans Foldenauer, der Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, für angemessen halten würde, sondern prüft den Fall. Die Werbung könne gegen die Richtlinien gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen, so die Begründung.

Da stellt sich die Frage, wo der Werberat bei den ganzen Werbungen für Milchprodukte ist, die gesunde Kühe auf weiten Wiesen zeigen, die Milch als etwas Gesundes darstellen und die Milchindustrie als eine Ansammlung von altruistischen Tierfreunden.

Katja Heintschel von Heinegg, die Leiterin des Werberats soll zunächst gesagt haben, dass die Werbung eine sehr einseitige Darstellung der Massentierhaltung sei. Ich würde gerne wissen, wie die andere Seite aussehen soll.

Hippe Werbefilmer betreiben Landwirtschaftsbashing

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Auch Julia Klöckner verzichtet natürlich nicht auf peinliche Äußerungen: Zwar sei es – und wer wüsste das besser als sie – in Ordnung, wenn Unternehmen für ihre Produkte werben. Aber dieses „Landwirtschaftsbashing“ sei total unangebracht.

Nun ist es immer leicht, die Kritik an der eigenen Sache als „Bashing“ zu bezeichnen. Ein Argument wird daraus aber nicht. Zudem wird hier nicht die Landwirtschaft „gebasht“ (die vegane Schokolade enthält Hafermilch, Kakao, allerhand Dinge aus der Landwirtschaft), sondern die Ausbeutung von Millionen von empfindungsfähigen Tieren. Es greift nicht einmal jemand die Milchindustrie direkt an. Es wird nur gesagt, dass Tiere keine Maschinen seien und nicht in Reih und Glied an Melkrobotern hängen sollten. Wenn die Vertreter*innen der Milchindustrie so viel Wert auf das Wohlbefinden der Tiere legen, müssten sie eigentlich mit einiger Selbstverständlichkeit zustimmen.

Und natürlich kann der Spot laut Klöckner nur von unwissenden, hippen Werbefilmern produziert worden sein, von Städtern, die ja sowieso keine Ahnung haben und noch nie in einem Kuhstall waren. Ihr fällt also nicht nur nichts Besseres ein, als die bewährte Diskussionstaktik der CDU anzuwenden (Gegner*innen als unmündig und ahnungslos bezeichnen, um nicht auf ihre Kritikpunkte eingehen zu müssen), sie behauptet auch tatsächlich, dass Menschen, die schon einmal einen Kuhstall betreten haben, die Angelegenheiten der Milchindustrie völlig legitim finden müssten.

Aber es gibt auch einige positive Dinge zu bemerken: Der Bauernverband reagiert so nervös, wie ein Kind, das weiß, dass es einen Fehler gemacht hat, diesen aber nicht zugeben möchte. Irgendwo im Unterbewusstsein scheint also ein Denkprozess stattzufinden, der hoffentlich bei einigen irgendwann an die Oberfläche tritt. Auch dass die Vertreter*innen der Milchwirtschaft sich von einer so kurzen, harmlosen Aussage so sehr aus der Fassung bringen lassen, zeigt das. Denn niemand sagt in der Werbung, wer gemeint ist. Aber es fühlen sich erstaunlich viele angesprochen.

In Großbritannien gab es vor kurzem einen ähnlichen Fall. Auch dort haben die „Betroffenen“ ähnlich hysterisch reagiert und erst diese Reaktion hat der Angelegenheit richtig viel Aufmerksamkeit gebracht. Wenn wir Glück haben, hat sich der Bauernverband also ins eigene Fleisch geschnitten.

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