Es geht nicht nur um die Wurst

Podcast Der berüchtigte Fleischfabrikant Tönnies und sein Sohn machen eine Mischung aus PR und Laberei, um das angeschlagene Image der Marke zu polieren
Ausgabe 38/2021

Die Podcast-Welt lässt mich immer aufs Neue staunen. Kürzlich ist mir ein wahres Filetstück untergekommen: Tönnies & Tönnies. Darin plaudern der Fleischfabrikant Clemens Tönnies und sein Sohn Maximilian über „Tradition, Wandel, Erfolg, Gegenwind und Verantwortung“. Der Clemens Tönnies?, habe ich mich gefragt. Der mit dem Corona-Ausbruch im Schlachthof? Der mit dem rassistischen Spruch beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn? Der macht nun mit seinem Sohn einen Laberpodcast? Das habe ich kaum glauben können – und natürlich alle bislang erschienenen Folgen angehört.

Eines muss man sagen: Der Themenmix ist bestechend. Clemens Tönnies als Hauptfigur, ein maximal polarisierender Milliardär, viele würden wohl sagen, ein maximaler Unsympath. Dazu sein Sohn, der Thronfolger der Unternehmerdynastie. Und dann noch das emotionale Themenfeld Fleisch- und Wurstwaren. Das haben wir gerade erst wieder gemerkt, als sich Gerhard Schröder höchstselbst zur Rettung der Currywurst bei VW aufgeschwungen hat: Die Wurst bewegt Deutschland.

Das Ergebnis ist eine echte Kuriosität. Clemens Tönnies erzählt einfach so vor sich hin: von der bescheidenen Metzgerei der Eltern. Wie er und sein Bruder schon immer mit angepackt haben: „Die Wurstküche war unser Spielplatz.“ „Werd ich nie vergessen“, sagt Clemens Tönnies sehr oft – sehr auf Ostwestfälisch. Und ab und zu gibt es was fürs Poesiealbum. „Es gibt die Weisheit von mir: Ich habe ein Konto, das heißt Erfahrung, da buche ich die Dinge drauf.“

Sein Sohn spielt dagegen eher eine Nebenrolle. Ab und zu darf er ein Stichwort geben, in den späteren Folgen wird er als der modernere Junior präsentiert, der für die vegetarischen und veganen Produktlinien zuständig ist, die der Senior eigentlich doof, aber dank der Tönnies-Profis immer besser findet. Außerdem lernen wir, dass Fleisch und Leistungssport unbedingt zusammen zu denken sind, dass Clemens Tönnies und Wladimir Putin eine „Männerfreundschaft“ verbindet und Tierschützer:innen in Wahrheit eher Eiferer sind, die wenig Ahnung haben.

So werkeln die zwei also an der Image-Politur, die der Konzern ja wirklich nötig hat (siehe oben). Dafür haben sie Hilfe von einem Profi. Produziert hat Tönnies & Tönnies die Anda Business Communication GmbH des ehemaligen Regierungssprechers Béla Anda. Die bietet zum Beispiel „Krisen-Kommunikation für Unternehmen … und Individuen“ an. Und sie verantwortet auch den Podcast Die Agenda mit Wurst-Freund Gerhard Schröder.

Bei Tönnies & Tönnies kommen kritische Berichte über die Zustände in den Schlachthöfen, über die Wohnsituation der Arbeiter:innen oder über die schlechte Bezahlung in der Fleischindustrie allgemein denn auch so gut wie nicht vor. Und irgendwie kriegen sie es sogar hin, sich selbst als eigentliche Opfer des Corona-Ausbruchs im Tönnies-Werk zu sehen. Aber Tönnies & Tönnies kann ja ein guter Anlass dafür sein, mal wieder „Tönnies“ und „Arbeitsbedingungen“ zu googeln.

Natürlich habe ich nichts anderes erwartet. Bin ja nicht doof. Es handelt sich schließlich um einen PR-Podcast. Aber interessant ist es schon, welches Bild für gut vermittelbar gehalten wird. Der hart arbeitende Unternehmer, bei dem der Handschlag noch was gilt und der daheim immer noch am glücklichsten ist – irgendwo zwischen Familie, Fußball und ehemaligem Landesgartenschau-Gelände in Rheda-Wiedenbrück. Oh herrliche Deutschland-Idylle!

Nur beim Publikum will das Ganze nicht so recht ankommen. 2,4 von 5 Sternen bei Apple Podcasts. Und eine Bewertung: „Karma wird es richten.“ Deswegen war ich in Sorge, es wäre schon nach sechs statt nach den versprochenen acht Folgen Schluss. Und habe bei ABC angerufen. Es geht weiter. Es war nur Sommerpause.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

Benjamin Knödler

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