Fantastische Fehlinvestition

Corona Die Gesundheitsämter nutzen die Daten der Luca-App kaum noch – dafür aber die Polizei. Nach knapp einem Jahr im Einsatz illustriert die App eindrücklich, was in Deutschland in Sachen Digitalisierung falsch läuft
Ausgabe 02/2022
Manchmal erlebt sogar die Polizei ein Bisschen mit
Manchmal erlebt sogar die Polizei ein Bisschen mit

Foto: Robert Neetz/Imago

Fast ein Jahr ist es her, da warb Rapper Smudo von den Fantastischen Vier bei Anne Will öffentlichkeitswirksam für die Luca-App. Toll klang das alles: einfacher Check-in, unkomplizierte Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter, kein Papierkram, voller Datenschutz.

Im Januar 2022 sind die Schlagzeilen andere: Gerade erst haben Recherchen des SWR ergeben, dass die Polizei in Mainz bei einer Ermittlung auf die Besucherdaten einer Gaststätte zugegriffen hat, die über die Luca-App erhoben worden waren. Eine rechtliche Basis dafür gab es nicht, wie inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft einräumt. Mitarbeiter:innen sollen nun „hinsichtlich der Rechtslage sensibilisiert“ werden. Na dann.

Nun rufen Politiker von den Grünen und sogar von der selbsternannten Digital-Partei FDP dazu auf, die Luca-App zu löschen. Zwar kann man den Rechtsbruch der Staatsanwaltschaft weder Smudo noch der Luca-App selbst ankreiden. Doch es ist ja nicht nur diese Episode mit der Polizei: Während die nämlich unerlaubterweise die Daten nutzt, tun viele Gesundheitsämter genau das offenbar nicht mehr. Zu viele Kontaktdaten schwemmte die Luca-App ein, zu wenig Personal bei den Ämtern – Kontaktverfolgung eingestellt. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums erklärte nun, er könne zum Nutzen oder Erfolg der Luca-App keine Aussagen treffen.

Klingt nicht mehr so toll. Über 21 Millionen Euro haben 13 Bundesländer ohne große Ausschreibungen und trotz Mahnungen von Expert:innen für eine App ausgegeben, die von den Ämtern kaum noch genutzt wird. Entwickelt von einem privaten Anbieter, der sich zwar offensichtlich auf offensive PR versteht, aber eben auch im eigenen Interesse handelt. Ganz zu schweigen vom Misstrauen gegenüber einer digitalen Verwaltung, das durch missbräuchliche Anfragen von Sicherheitsbehörden befördert wird. So kultiviert man Digitalisierungs-Verdruss, den sich eine Gesellschaft im Jahr 2022 nicht leisten kann. Am Ende vertraut man in Deutschland dann doch wieder lieber auf das Fax.

Bis Ende Februar können die Länder nun entscheiden, ob sie die Verträge mit der Luca-App kündigen. Eine Alternative gab es ja schon vor Smudos großer Erfindung: die öffentlich finanzierte Corona-Warn-App.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

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