Liberté toujours

Medien Wie die Redaktion von „Le Monde“ nach der Übernahme durch einen Investor für ihre Unabhängigkeit kämpft
Ausgabe 40/2019
Inzwischen denkt Xavier Niel über eine Stiftung nach, die die Anteile der Hauptaktionäre dauerhaft vor einer Übernahme durch Investoren schützen soll
Inzwischen denkt Xavier Niel über eine Stiftung nach, die die Anteile der Hauptaktionäre dauerhaft vor einer Übernahme durch Investoren schützen soll

Foto: Eric Piermont/AFP/Getty Images

Sie ist eine jener Zeitungen, die noch eine gewisse Aura haben. Beim Klang ihres Namens denkt man an hölzerne Zeitungshalter in Cafés, Bahnhofsbuchhandlungen, die Internationale Presseschau. Zuletzt war Le Monde allerdings selbst großes mediales Thema, und das nicht nur in Frankreich.

Geraten Zeitungen international in die Schlagzeilen, hat das oft unerfreuliche Gründe. Dieser Tage erlebt man Ähnliches auch bei den Zeitungen des Springer-Konzerns. Seitdem dort der Finanzinvestor KKR eingestiegen ist, wird auf allen Kanälen über möglichen Stellenabbau spekuliert. Im Fall von Le Monde ging es ebenfalls um den Einstieg eines neuen Investors.

Anfang des 21. Jahrhunderts, soviel ist klar, heißt „Zeitungmachen“ auch, mit wirtschaftlichen Krisen zu rechnen. Und das heißt in der Folge, mit Investoren und ihren jeweiligen Zielen umzugehen. Und damit stellt sich zwangsläufig auch bald die Frage nach der journalistischen Unabhängigkeit.

Auf solche Unabhängigkeit legte man bei Le Monde immer großen Wert. Unlängst erinnerte die Süddeutsche Zeitung an eine Geschichte über den Gründer und ersten Herausgeber der Zeitung, Hubert Beuve-Méry. Der habe seinen Besuchern gerne berichtet, dass unten auf der Treppe das Kapital drängele und nur drauf warte, heraufgelassen zu werden – wobei der Chef, so heißt es weiter, dieser Hoffnung des Kapitals nur selten entsprochen habe.

Der Geist des ersten Herausgebers sollte sich auch in den Möglichkeiten der Mitbestimmung bei Le Monde niederschlagen. Trotz wirtschaftlicher Schlingerkurse und des Einstiegs verschiedener Investoren sollte eine Gruppe aus Lesern, Redakteuren und Angestellten von Le Monde – ausgestattet mit einem eigenen Aktienanteil – per Sperrminorität große Entscheidungen mit beeinflussen und so die redaktionelle Unabhängigkeit bewahren können. Aber das war einmal.

Entsprechend groß war die Sorge, als bekannt wurde, dass der tschechische Milliardär Daniel Křetínský ohne Kenntnis der Redaktion Anteile an der Zeitung erworben hatte. Zumal der Unternehmer schon in andere französische Medien wie die Magazine Elle und Marianne investiert hat. Ein Unternehmer, der viel Geld im Energiesektor (Kohlekraftwerke!) verdient. Und der, das ist ein pikantes Detail dieser Affäre, 49 Prozent der Medienholding von Matthieu Pigasse, der neben Xavier Niel Hauptaktionär von Le Monde ist, hält.

An dieser Stelle könnte nun eine weitere pessimistische Erzählung über den Zustand der Medienlandschaft in Frankreich oder die schwindende Unabhängigkeit der Presse im Allgemeinen folgen. Was geschah, ist aber eher die Erzählung von einem gallischen Dorf. Sie wissen schon, welches.

Denn die Belegschaft wehrte sich, protestierte öffentlich – auch auf den Seiten der eigenen Zeitung – und forderte von den Hauptaktionären ein Vetorecht beim Verkauf der Anteilsmehrheit. Internationale Unterstützung erhielt man auch von über 500 Intellektuellen und Aktivistinnen, zu denen Edward Snowden, Axel Honneth oder Naomi Klein zählten. Dieser Protest hatte nun Erfolg. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die beiden Hauptaktionäre eine entsprechende Erklärung unterzeichnet haben. „Ein Abkommen, wie es in Frankreich noch keiner Zeitung zuteilwurde“, schwärmt die Redaktion laut FAZ. Bei der anstehenden Aufsichtsratssitzung am 3. Oktober soll darüber hinaus auf Anregung von Xavier Niel über eine Stiftung nachgedacht werden, die die Anteile der Hauptaktionäre dauerhaft vor einer Übernahme durch Investoren schützen soll. Man darf also gespannt sein. Und hoffen, dass das Beispiel Le Monde international Schule machen wird.

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Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

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