Zeit für die Vermögenssteuer

Kommentar Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Eine Vermögenssteuer wäre wichtig für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft
Es geht nur im Schneckentempo in Richtung einer Vermögenssteuer
Es geht nur im Schneckentempo in Richtung einer Vermögenssteuer

Foto: AFP/Getty Images

"Eine solche Einkommensentwicklung verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft.“ Diesen Satz hätte auch Linken-Chefin Katja Kipping sagen können. Aber er stammt aus dem Armuts- und Reichtumsbericht, den die Bundesregierung gerade fertiggestellt hat.

Im Kern steht darin, dass die Reichen immer reicher und die Armen eher ärmer werden. Inzwischen ist über die Hälfte des Gesamtvermögens in den Händen des reichsten Zehntels. Bei den Löhnen sieht die Entwicklung ähnlich aus: Im oberen Segment stiegen sie, während sie für die unteren 40 Prozent insgesamt sanken. Der arg strapazierte Begriff von der Schere zwischen Arm und Reich trifft auch in der Finanzkrise zu. Die Zeit ist reif, dagegen anzugehen.

Eine Vermögensabgabe, wie sie Grüne, Linke und das deutsche Institut für Wirtschaftforschung fordern, um Wohlhabende an den Kosten der Finanzkrise stärker zu beteiligen, wäre ein erster sinnvoller Schritt. Aber es braucht darüber hinaus eine langfristig angelegte Neujustierung.

Seit Jahren werden Wohlhabende entlastet und die Bezieher niedrigerer Einkommen belastet: Diese haben lange auf auf Lohnerhöhungen verzichtet, sie arbeiten als Leiharbeiter, in Teilzeit oder Minijobs und beziehen weniger Sozialleistungen. Unternehmenssteuer und Spitzensteuersatz wurden dagegen gesenkt, und die Vermögenssteuer gilt schon seit 1997 nicht mehr.

Ein Signal fürs Gerechtigkeitsempfinden

Im europäischen Vergleich besteuert Deutschland den Vermögensstand äußerst gering – eine Erhöhung der Erbschaftssteuer wäre für die meisten durchaus zu verkraften. Wie es anders geht, zeigt Frankreich, wo Präsident François Hollande Einkommensmillionäre mit einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent belegen will .

Es ist Zeit, dass das Pendel auch in Deutschland wieder in die andere Richtung schwingt. Ob nun die Reichen-, die Vermögens- oder die Erbschaftssteuer den Anfang macht, ist zweitrangig. Es geht zunächst einmal um ein Signal.

Zumindest das Bundesverfassungsgericht dürfte wohl keine Hürde mehr in der Vermögenssteuer sehen, die 1997 nach einem Karlsruher Einspruch gekippt wurde. Die Richter hatten verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Form der Erhebung geäußert. Inzwischen haben die Richter diese aber relativiert.

Im Prinzip gibt es auch hierzulande eine politische Basis für die Besteuerung von Reichen. SPD, Grüne und Linke treten für die Vermögenssteuer und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ein.

Die schwarz-gelbe Koalition setzt dagegen immer noch auf Bestandssicherung. Sie muss sich bewegen. Es ist reiner Populismus, wenn der finanzpolitische Sprecher der FDP, Volker Wissing, der Opposition vorwirft, „unsozial und unverantwortlich“ zu handeln, weil sie das Steuerkonzept der Regierung ablehnt.

Das wichtigste Argument für eine stärkere Besteuerung von Reichen ist jenes, das auch im Bericht der Bundesregierung steht: das Gerechtigkeitsempfinden. Die Rede von der Schere zwischen Arm und Reich ist eben nicht nur eine Floskel. Wenn sich die Ungleichheit zumindest ein Stück weit verringern würde, wäre das ein wichtiges Signal. Denn auf dem Spiel steht der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft.

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