Bildungspolitik für Toilette und Mond

FDP Die Liberalen wollen die weltbeste Bildung, aber über Klosanierung und Sprech-Blasen kommen sie kaum hinaus
Christian Lindner inszenierte sich auch als Kritiker aktueller Bildungspolitik. Aber wie die liberale Schul-Gerechtigkeitspolitik aussehen soll, das verriet er nicht
Christian Lindner inszenierte sich auch als Kritiker aktueller Bildungspolitik. Aber wie die liberale Schul-Gerechtigkeitspolitik aussehen soll, das verriet er nicht

Foto: Steffi Loos/Getty Images

Die gute Nachricht heißt: die FDP kann jetzt mehr als Steuerpolitik; sie hat sich bei ihrem Bundesparteitag in einer coolen Berliner Location nun auch Bildung und Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben. Die schlechte ist: die FDP bleibt eine Partei der Sprücheklopfer. Über launige Bemerkungen kommt sie in ihrem „Bildungs“-Programm kaum hinaus.

Natürlich wollen die Freien Demokraten nicht irgendeine Bildung, sondern gleich die beste der ganzen Welt. Kein Scherz. So steht es im Programm der Liberalen, die in Umfragen vor allem für die beiden anstehenden Landtagswahlen exzellent dastehen; 12 Prozent in NRW und 10 Prozent in Schleswig-Holstein werden erwartet. „Weltbeste Bildung für Jeden“, lautet das erste Kapitel des Wahlprogramms. Sie soll – auch das wörtlich – in einem „Mondfahrtprojekt“ erreicht werden. „So wie John F. Kennedy sein Land mit einer gewaltigen Kraftanstrengung auf den Mond führte, wollen wir Deutschland an die Spitze der Bildungsnationen dieser Welt zurückführen“.

22 Mal weltbeste Bildung

Bei der Generaldebatte über das Programm wurde freilich die große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich. Die Delegierten nahmen den Satzbaustein „weltbeste Bildung“ fleißig in ihre Reden auf – was aber immer wieder in unfreiwillige Komik ausartete. Etwa wenn ein Redner definierte, was mit der besten Bildung der Welt gemeint ist: „dass Kinder richtig lesen, schreiben und rechnen lernen“. Im neuen Programm steht weltbeste Bildung insgesamt 22 Mal – das klingt nach Autosuggestion.

Was sich wie die marktübliche Parteitags-Aufschneiderei anhört, ist in Wahrheit gehobener Dilettantismus. Im Programm der FDP stehen Sachen, die es qua Definition nicht geben kann. Zum Beispiel – so eine Kapitelüberschrift – „Inklusion mit Föderschulen“. Inklusion nennt man die selbstverständliche Einbeziehung von Kindern mit Handikaps in das Lernen an Regelschulen, an ganz normalen Schulen also. Sie sollen nicht mehr in Spezialschulen für Behinderte abgeschoben werden. Solche Sonderschulen oder Förderschulen fallen bei der Inklusion also konsequenterweise weg. Nicht so bei der FDP: Sie will die Inklusion – und sie will zugleich die Förderschulen behalten. In der Debatte wurde die Überschrift allerdings getauscht in, richtig: „Weltbeste Bildung auch für Schülerinnen und Schüler mit Förderungsbedarf“.

Kooperationsverbot fast abschaffen

Dass das FDP-Programm viel Rhetorik und wenig Substanz enthält, bewies ihr eloquenter Vorturner und Parteichef Christian Lindner. Er sagte in seiner großen programmatischen Rede, dass das Kooperationsverbot dringend aus der Verfassung gestrichen werden muss. Er atmete auf, als die Delegierten ihm für die Forderung applaudierten. „Dass ich das noch erleben darf“, rief er. „Ein FDP-Parteitag begrüßt die Abschaffung des Kooperationsverbots.“ Als bei der Generaldebatte dann allerdings ein Delegierter beantragte, die Abschaffung des unsinnigen Kooperationsverbots (das eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildung untersagt) ins Wahlprogramm zu schreiben, lehnte der Parteitag dies ab. Und zwar unter fleißiger Mithilfe der Parteispitze. „Dafür muss unser Bildungsföderalismus grundlegend reformiert werden“, heißt es dort nun lahm. Wie viel Mut steckt eigentlich in einer Partei, die ein Wahlprogramm mit dem Schwerpunkt Bildung verabschiedet, sich ihr wichtigstes Bildungs-Ziel aber gar nicht ins Programm zu schreiben wagt?

Lindner hielt auf dem Parteitag trotzdem eine starke Rede. Er kritisierte, dass der Finanzminister des Bundes Geld für den Aufbau von Schulen „in Botswana und Burundi“ geben kann, ihm dasselbe aber „für Böblingen und Bonn“ verboten ist. „Nur weil Kinder gern im Dreck spielen, müssen doch Schulen nicht so aussehen“, rief er – und seine Parteifreunde tobten. Lindner machte auch einen wichtigen inhaltlichen Punkt. Er sagte, dass Lebenschancen und Gerechtigkeit einer Gesellschaft nicht durch Steuerpolitik, sondern vor allem durch Bildung hergestellt würden. Das ist immerhin halb richtig. Aber wie die liberale Schul-Gerechtigkeitspolitik aussehen soll, das verriet Lindner nicht. Die Sanierung von Schulklos und eine unentschlossene Abschaffung des Kooperationsverbots sorgen jedenfalls nicht für Chancengleichheit. Schon gar nicht in den Armutskernen und Bildungsghettos in Nordrhein-Westfalen, wo Christian Lindner sich am nächsten Sonntag zur Wahl stellt.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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