Endlich Erleuchtung: Vom Saulus zum Paulus 3

Neujahrsansprache "Ich verspreche: Ab 1. Januar 2015 eine Politik der universalen Menschenrechte! Nie wieder Merkelsches Totspardiktat!" Von der Kanzlerin autorisierter VORABDRUCK -Schluss

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Foto: Bedingungsloses Grundeinkommen als Teil des Gesamteinkommens

Teil 3 und Schluss meiner Neujahrsansprache

2. Nun zu den Maßnahmen im ökonomischen Bereich:

Oberstes Ziel muss sein, das menschenrechtsverletzende kapitalistische System allmählich durch ein von den Produzenten und Konsumenten selbst bestimmtes gemeinwirtschaftliches System erst zu ergänzen und schließlich in Gänze zu ersetzen.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Neben der grundlegenden Änderung unseres deutschen Demokratiemodells verlangt unser kapitalistisches Wirtschaftssystem in einer ersten Phase die Abmilderung der schlimmsten Auswüchse gegen fundamentale soziale Menschenrechte und in einer zweiten Phase die völlige Überwindung des kapitalistischen Systems, was jedoch zu meinen Lebzeiten kaum gelingen wird. Aber seien wir Optimisten und beginnen mit den ersten Schritten.

Im letzten Jahrzehnt ist unsere Republik sozialpolitisch wortwörtlich auf den Hund gekommen. Die Schuld daran haben Schröder und Fischer mit der Einführung der Agenda 2010 und ich selbst auch. Ich bekenne, dass ich leider den Einflüsterungen der deutschen Großunternehmer und ganz besonders denen von Schäuble und Weidmann nicht mein entschiedenes Nein entgegengesetzt habe. Aber ich bin eben Laie auf diesem Gebiet, und als CDU-Chefin versacke ich im Kapitalistensumpf. Meine Entourage achtet sorgfältig darauf, dass ich den Blick über den deutschen großkapitalistischen Tellerrand nicht hinaus richten kann. Ich hätte vielleicht jedes Jahr einmal für einen Monat in einem HartzIV- oder Asylanten-Haushalt leben sollen, um einen geschärfteren Blick für die realen Lebensverhältnisse eines Großteils meiner Landsleute zu gewinnen. Aber wenn man wie ich, Schäuble und Weidmann Netto-Sparquoten von 100.000 Euro/Jahr hat und ebenso seine angehäuften Millionen darüber hinaus gewinnbringend anzulegen gezwungen ist, dann verliert man automatisch den Blick aufs Wesentliche der Nation.

Der entscheidende Schlag gegen die Agenda 2010 muss durch die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens geführt werden, auch wenn Schröder, Fischer, das Großkapital, meine Parteigenossen und die Sozis Rabatz machen werden. Wir Deutschen sollten als erstes reiches Industrieland der Welt stolz sein, das Menschenrecht auf ein würdiges Leben universal zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Jede und ein Jeder soll aus ihrem/seinem Leben das möglich machen, was ihr und ihm die Natur mitgegeben hat. Das ist nicht nur ethisches Grundgebot, sondern auch ökonomisch vernünftig. Liebe Landsleute, ich rechne mehrheitlich mit ihrer Unterstützung gegen das Gezeter der Kapitalfraktion. Die ersten Pilotvorhaben in dieser Richtung sollten noch in 2015 beginnen.

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Foto: Longo Mai Kooperativ-Bewegung: Schweizer Kooperative "Le Montois", Jura

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Die zweite wichtige Neuerung in der Wirtschaftspolitik wird der Einstieg in gemeinwirtschaftliche, von den Produzenten selbst bestimmte Initiativen sein. Überall dort, wo der Kapitalismus Arbeitslosigkeit produziert oder erst gar nicht antritt, sollen die dort lebenden Menschen in ihren Eigeninitiativen gefördert werden, entweder durch zinslose Darlehen oder verlorene Kredite. In allen Regionen, ob groß oder klein, gibt es natürliche und menschliche Ressourcen, die den Reichtum unseres Landes ausmachen. Die Kunst dabei wird sein, die örtlichen Nischen und ihre Potenziale auszuschöpfen, eventuell mit der Nachbarregion oder auch in grenzüberschreitender Weise. Grundprinzip sollte sein, soviel wie möglich lokal und in nachhaltiger Weise zu produzieren und Importe von außerhalb der Region zu reduzieren, und das alles in selbstbestimmter Weise. Sicher ist das leichter gesagt als getan, aber jeder Mensch, jeder Quadratmeter Boden ist wertvoll und darf nicht leichtfertig vergeudet werden. Die Ausnutzung aller Menschen im Land in nützlichen Tätigkeiten wird das Nationale Produkt ungeheuer bereichern, in sozialem, wirtschaftlichen und kulturellem Sinne. Es gibt bereits zahlreiche private Initiativen in Deutschland, Europa und der Welt. Ich nenne hier nur die Longo Mai-Bewegung und andere Kooperativen. Wenn diese Initiativen öffentliche Unterstützung erfahren, werden sie in vielen Bereichen die kapitalistische Produktion zurückdrängen.

Stellen Sie sich nur einmal als Beispiel eine Förderung von Fast-Food-Kooperativen mit einem Angebot von gesunden Gerichten auf Basis von hauptsächlich lokal hergestellten Lebensmitteln vor. Dadurch könnte eine Rückwärts-Bewegung internationaler Fast-Food-Ketten, die die Essgewohnheiten vieler Menschen negativ beeinflusst haben, über den Großen Teich eingeleitet werden.

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Foto: Wikimedia Commons, Europäisches Dialog-Institut in Lodz (Polen)

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3. Lassen Sie uns zusammen nun einmal über die Europapolitik räsonieren.

Was seit Einführung des Euro gelaufen ist, ist eine besondere Schande für unsere deutsche Politik. Es wird nicht lange dauern, bis in allen europäischen Geschichtsbüchern wieder die Großmannssucht der Deutschen angeprangert wird. Noch halten unsere Nachbarn still. Heute nicht wegen deutschen Säbelrasselns. Nein, heute ist es die deutsche ökonomische Dominanz, die die anderen europäischen Länder zur Weißglut bringt. Und es ist ganz besondern mein TOTSPARDIKTAT, dass seit 2010 vielen Ländern die Luft abschnürt. So wie in Deutschland die Niedrigverdiener am Leben verzweifeln und in Depressionen verfallen, so geschieht das gleiche Spiel in Europa. Die von mir durchgesetzte Austeritätspolitik führt zu einschneidenden Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie zu massiven Arbeitsentlassungen im gesamten öffentlichen Dienst, ohne Ersatzarbeitsgelegenheiten bereitzustellen. Einkommen sacken bis zur Hälfte ab, Arbeitslosigkeit steigt ins Unerträgliche, besonders bei der Jugend. Einst stolze Völker fühlen sich gedemütigt und das Getrampel der „ökonomischen Springerstiefel“ über ihren Häuptern.

Ich bin mir bewusst, dass der Tag kommen wird, an dem die europäischen Bürger die Todes-, Kranken- und Elendsrechnung präsentieren werden, die sie meinetwegen zu zahlen haben. Ich hatte mich blind der Spar-Ideologie hingegeben, eine Ideologie, die verfolgt zu werden vernünftig ist, wenn ein würdiges Lebensniveau aller Menschen einer Nation gesichert ist. Ist das nicht der Fall, ist die Anwendung dieser Ideologie Mord, wie sie auch von Papst Franziskus implizit verurteilt wird. Ich kann mich immer nur wieder selbst schuldig bekennen und geloben, dass ab Januar 2015 die entschiedene Wende in der Europapolitik eingeleitet wird. Die Herren Schäuble und Weidmann haben für sich persönlich genug angespart, um den sofortigen Hut nehmen und ihren ruhigen Lebensabend genießen zu können. Vielleicht werden sie noch als Berater der Großindustrie gebraucht, aber in die Europapolitik sollen sie sich fürderhin nicht mehr einmischen.

Ja, wie könnte der europäischen tiefen Krise, in der wir stecken, begegnet werden. Ich will an dieser Stelle nur drei Punkte erwähnen, die ich für dringlich halte:

A. Es sollte ein sofortiger Fonds für gesamteuropäische Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, der die Kommunikation der europäischen Länder untereinander in nachhaltiger Weise erleichtert: Schiene, Wasserwege, Energietransport, Telekommunikation, Straßen- und Brückenerneuerung. Dabei sollte möglichst der größte Teil der derzeit Arbeitslosen eine Anstellung finden.

B. Ein Regionalentwicklungsfonds soll die menschlichen und natürlichen Potenziale der Regionen in selbstbestimmter Weise und fachkundig begleitet ausnutzen. Gefragt ist die Partizipation der betroffenen Menschen, nicht die Bevormundung durch Zentral- oder Regionalregierung. Staatliches Handeln soll sich auf Beratung und Zurverfügungstellung von finanziellen Mitteln beschränken.

C. Mir liegt besonders eine breit angelegte europäische Bildungs- und Ausbildungsoffensive am Herzen. Alle Europäer sollen aus sich das Bestmögliche machen können. Ein großer Teil der jungen Menschen aus allen Ländern könnten gemeinsam in „Europäischen Ausbildungszentren“ auf Facharbeiter- und auf Universitätsniveau studieren. So würde nicht nur die Berufsbefähigung gefördert, sondern auch der interkulturelle Austausch und die Stiftung einer europäischen Identität. Europa braucht die Festigung dieser Identität, um sich im Wettbewerb mit den anderen regionalen Blöcken der Welt behaupten zu können. Wir sollten dabei auch nicht vergessen, Russland, die Ukraine und die Türkei in den europäischen Raum mit einzubinden, obwohl ich in Bezug auf die Türkei inzwischen viele Bedenken wegen ihrer Rückbesinnung auf religiöse Traditionen als konstitutive Elemente des Staatswesens habe. Das passt einfach nicht zu unserer Auffassung einer strikten Trennung von Kirche und Staat.

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Foto: UN, 2012 das Jahr der Nachhaltigkeit, Symbol des siebten globalen Entwicklungszieles

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4. Abschließend möchte ich noch die Grundbedingung erwähnen, an der unser aller Überleben hängt, die schonende Nutzung unserer natürlichen Umwelt.

Hier darf es in Zukunft keine faulen Kompromisse mehr geben. Zulange haben wir uns von Kapitalinteressen leiten lassen und ihre großzügigen Spenden kassiert, damit die verschwenderische Kapitalverwertung ungehemmt ihren Lauf nehmen kann. In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland und Europa werden wir ganz besonders darauf achten müssen, dass Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium für Förderungswürdigkeit herangezogen wird. Wir möchten uns auch verpflichten, einen ausreichenden Entwicklungsfonds für „Dritte Welt“-Länder bereitzustellen, der in besonderer Weise nachhaltige und demokratische Entwicklung fördert. In diesem Zusammenhang sei auf die acht Globalen Entwicklungsziele der UN hingewiesen, deren siebtes Ziel die nachhaltige Nutzung der natürlicher Ressourcen betrifft.

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Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger: Damit bin ich am Schluss meiner Neujahrsansprache angelangt. Ich würde mich herzlich freuen, wenn ich Sie mehrheitlich positiv überraschen konnte. Es wurde höchste Zeit, dass ich mein politisches Verhalten um 180° ändere. Ich habe eingesehen, wie menschenverachtend ich die vergangenen acht Regierungsjahre vom Berliner Elfenbeinturm aus regiert habe. Ich möchte Sie trotz aller bisherigen politischen Verfehlungen bitten, mir nochmals eine Chance zum Weiterregieren zu geben. Geben wir uns alle einen Ruck zu einem politischen Neuanfang in der Republik hin zu einer unbedingten Verteidigung der universalen Menschenrechte. Ich freue mich schon auf Ihre Mitarbeit. Allein bewege ich nichts. Sie haben die Macht in den Händen, ich werde Ihr Diener sein, wenn Sie es denn wollen.

Auf ein Neues Jahr! Auf ein menschenwürdiges Deutschland!

Ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Meine lieben Landsleute,

das war meine Botschaft an Sie zum letzten Neujahr. Aber Eines möchte ich dann doch noch hinzufügen, zusätzlich zu unser aller Emanzipation gegenüber den USA, zum sofortigen Anstreben eines Freundschaftsvertrages mit Russland sowie zum Ablegen unserer schändlichen Untertanenrolle:

Die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt, zu denen wir einen gewichtigen Beitrag geleistet haben durch unsere einseitige Ausrichtung auf Kapitalverwertung überall, wo deutsches Kapital reichliche Ernte einheimsen kann, sind inzwischen derart, dass sie das menschliche Zusammenleben auf der Welt insgesamt in Frage stellen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die stetig anschwellenden Flüchtlingsströme überall auf dem Erdball. Wenn sich unsere offizielle Politik gegenüber den Menschen in Deutschland, Europa und der Welt nicht sofort zum Leitprinzip der Förderung des universalen Rechts auf menschenwürdiges Leben und friedfertiges Miteinander bekennt und stattdessen weiterhin primär auf ökonomische Profite schielt, dann versagen wir als Nation insgesamt wieder, wie wir auch als Verursacher zweier Weltkriege versagt haben.

Legen wir gemeinsam unseren "inneren" Saulus ab und beginnen ab sofort ein Leben als Paulus.

Ihre ergebene Kanzlerin.

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Liebe dFC,

wie Ihr alle ermessen könnt, bin ich selbst am meisten überrascht, Euch diese autorisierte Neujahrsbotschaft übermitteln zu dürfen. Letzte Nacht erschien mir im Traum das Fresko Michelangelos über die Bekehrung des Saulus zum Paulus und eine kaum vernehmbare Stimme raunte mir zu, so ähnlich sei es auch der Kanzlerin ergangen.

Euch allen einen guten Rutsch und lassen wir uns im Neuen Jahr überraschen.

Aus Panamá liebe Grüße, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda