Der Spion im Alltag

Überwachung Die Empörung der Datenschützer war groß, nachdem Microsoft seine Pläne zur neuen Xbox vorgestellt hat. Dabei tragen wir den größten Spitzel stets mit uns herum: das Handy
Der Spion im Alltag

Foto: Nicolas Vigier/ AFP/ Getty Images

Wieder einmal George Orwell, könnte man denken, wieder einmal absolute Kontrolle. In Orwells Werk „1984“ heißen die Überwachungsgeräte noch Teleschirme. Heute heißen sie Xbox One und werden von Microsoft hergestellt.

Die Sprach- und Bewegungssteuerung der Spielkonsole heißt „Kinect“. Sie sieht und hört ständig mit und ist mit dem Internet verbunden. Daten über Reaktionsgeschwindigkeiten, Lernfähigkeit und emotionale Zustände können so aufgezeichnet, von Microsoft-Servern verarbeitet und theoretisch auch an Dritte weitergegeben werden. Sieht man sich zu zweit einen Film an, könnte er auch gleich das Doppelte kosten. Microsoft hat erst kürzlich ein Patent für die automatische Zuschauerzählung beantragt. Xbox is watching you.

Das Smartphone schläft nie

Schon geht ein Aufschrei durch die Medien. Spiegel Online titelt etwa: „Microsoft patentiert Wohnzimmer-Überwachung“. Aber wo bleibt der Skandal, die tatsächliche Empörung? Haben wir uns nicht längst mit der Möglichkeit einer ständigen Überwachung abgefunden?

Der Tag beginnt mit dem Griff zum Smartphone-Wecker. Die Schlagzeilen der letzten Nacht, Emails und auch schon die Wettervorhersage für den bevorstehenden Morgen stehen bereit. Das kleine Gerät schläft nie und weiß oft mehr als wir. Schließlich begleitet es uns den ganzen Tag, und da die Erlaubnisanfragen der unzähligen Apps nach dem eigenen Aufenthaltsort ohne weiteres durchgewunken werden, kann jederzeit ein Bewegungsprofil erstellt werden.

Anwendungen wie Facebook und Co haben diese Funktionen sowieso schon integriert, als Service wohlgemerkt, beispielsweise um zu erfahren wo sich Freunde aufhalten, Informationen aus der Umgebung zu erhalten, oder die neue Joggingstrecke zu vermessen. So gewöhnen wir uns an eine ganz alltägliche Überwachung – bewusst und freiwillig.

Jeder wird zur wandelnden Kamera

Die Aufregung um die Euro-Hawk-Drohne bezieht sich auf technische Mängel, Kostenfragen und einen Minister, der mit Informationen hinter dem Berg hält. Aber primär dient auch dieses Gerät der Überwachung – das scheint allgemein akzeptiert, aber kaum jemanden zu stören. Dass inzwischen auch die Deutsche Bahn auf ihrem eigenen Gelände Minidrohnen gegen illegale Sprayer einsetzen will, stößt ebenfalls kaum auf Kritik.

Jetzt kommt mit der neuen Xbox die Drohne für das Wohnzimmer und die Aufregung wird vermutlich bald wieder vergessen sein. Immerhin: Fliegen braucht sie nicht.

Den nächsten Schritt geht Google mit seiner für das Jahr 2014 angekündigten Cyberbrille "Google Glass". Mit ihr wird jeder zu einer wandelnden Kamera. Bereits jetzt überwiegt die Faszination der Produkttester gegenüber jeder datenschutzrechtlicher Skepsis.

Der Mensch wird selbst zur Drohne. Vielleicht ist an 1984 doch mehr Zukunft als gedacht?

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Geschrieben von

David Kappenberg

Freier Journalist auf Hospitanz.

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