Das muss man den Tories lassen, was sie am 7. Mai geschafft haben, das vollbrachte seit über 100 Jahren keine Partei im Vereinigten Königreich: Stimmen zu gewinnen, statt zu verlieren nach fünfjähriger Regierungszeit. Und das, obwohl Premier David Cameron dem Wahlvolk eine Serie unerhört brutaler Kürzungen in den öffentlichen Haushalten zugemutet hat. Labour dagegen ging dort in die Knie, wo die Partei hätte gewinnen müssen, bei den Verlierern der Tory-Politik, der Arbeiterschaft, den Geringverdienern, kurz bei der eigenen Klientel.
Warum war das so? Weil links wählende Schotten sich klar für die Schottische Nationalpartei (SNP) entschieden haben? Sicher hat dank der charismatischen SNP-Chefin Nicola Sturgeon der schottische Löwe gut gebrüllt. Doch was Labour am meisten schadete, war das Unvermögen, sich nach der vernichtenden Niederlage von 2010 kompromisslos vom New-Labour-Erbe zu lösen. Halbherzig hat Ed Miliband versucht, mit einer sozialeren Variante von Austeritätspolitik zu punkten, und sich zu nur mäßiger Gegenwehr aufgerafft, wenn Cameron mit der Legende hausieren ging, Labour habe als Regierungspartei durch überbordende Ausgaben die Sparpolitik erst heraufbeschworen, zu der die Tories gezwungen waren.
Ungeachtet dessen zeigt das Wahlergebnis einmal mehr die Absurditäten eines höchst undemokratischen Mehrheitswahlrechts. Mit nur 36,8 Prozent der Stimmen regieren die Tories nun allein gegen eine satte Mehrheit von über 63 Prozent der Wähler, die sie nicht an der Macht sehen wollten. Die Grünen haben im gesamten Königreich mit 3,8 Prozentpunkten nur ein Unterhausmandat erobert. Ebenso die europafeindliche Ukip, die auf immerhin mehr als zwölf Prozent kam.
Großbritannien bleibt im Griff der Austerianer. Angela Merkel kann sich auf ihren liebsten Verbündeten gegen die Austeritätsgegner in der EU verlassen. Auch wenn sie wissen dürfte, dass Cameron sein Versprechen einlösen muss, spätestens 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU abzuhalten. Und nach seinem Wahlsieg kündigte er bereits an, die Abstimmung schon auf 2016 vorzuziehen. Anders kann er seine Hinterbänkler, die mit Ukip-Parolen mehr als liebäugeln, nicht im Zaum halten. Unternehmer, Manager und Banker – die gesamte City of London votiert entschieden gegen ein Ausscheren aus dem europäischen Verbund. Am liebsten würde sie ein Plebiszit verbieten, denn David Cameron wird in Brüssel nie und nimmer das Gesamtpaket der EU-Verträge neu verhandeln können, um wieder für mehr Europafreundlichkeit auf der Insel zu sorgen. Rechnen kann er nur auf Konzessionen bei der Zuwanderung aus EU-Ländern. Ein Kompromiss zwischen London und der Brüsseler Kommission zu Lasten von EU-Ausländern in Großbritannien ist wahrscheinlich.
Kommt es zum Referendum, dürfte Großbritannien weiter erodieren, weil es ein Nationalitäten-Staat, aber kein Nationalstaat ist. Schotten und Waliser, und, mit Abstrichen, die Nordiren, werden auf der versprochenen Autonomie bestehen und sich nicht allein gegen das Londoner Austeritätsregime wehren, sondern in Westminster Labour den Part des Oppositionsführers streitig machen. Wenn sie dort unablässig gegen die Wand laufen, winkt eine erneute Abstimmung über Schottlands Unabhängigkeit. Sie ist unausweichlich, wenn sich eine Mehrheit der Engländer beim Referendum für einen BREXIT entscheidet. Die Schotten wollen in der EU bleiben, wenn nicht als Teil des Vereinigten Königreichs, dann eben als selbstständiger Staat.
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