Der Aufstand linker Frauen gegen patriarchalische Strukturen in den eigenen Reihen begann nicht erst 1968. Im Allgemeinen, befand die Anarchistin Emma Goldman zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs (1936 – 1939), sei der Mann, der sonst immer so heldenhaft für seine Emanzipation kämpfe, weit davon entfernt, selbstverständlich auch die Frau befreien zu wollen. Die eigenen anarchistischen Genossen schloss Goldman in diese Beobachtung ausdrücklich mit ein. Für besonders rückständig hielt sie die Männer in Spanien, deren Kampf gegen rechtsgerichtete Putschisten unter General Franco sie von Nizza aus nach Kräften unterstützte. Besonders verbunden fühlte sie sich aber den sich als Mujeres Libres (Freie Frauen) selbst organisierenden libertären Frauen, die an der Front kämpften, die Versorgung im Hinterland sicherstellten und dort die Kollektivierung der Betriebe mit vorantrieben. Die meisten der 20.000 Mitglieder der Organisation, die auch eine gleichnamige Zeitschrift herausgaben, stammten aus der Arbeiterklasse.
Die Mujeres Libres kämpften an der Front, organisierten Schießübungen und medizinische und soziale Hilfsangebote für Prostituierte. Sie führten Alphabetisierungskurse durch und evakuierten Flüchtlingskinder. Sie betrieben Werkstätten, Fahrschulen für Frauen, leisteten Sanitätsdienste. Im Hinterland übernahmen sie Arbeiten, die damals zum großen Teil den Männern vorbehalten waren. Sie wurden Schweißerinnen, Maurerinnen, lenkten Straßenbahnen oder Busse und betätigten sich als Mechanikerinnen in der Luftfahrt. Die meisten hatten die Schule bereits im Alter von elf oder zwölf verlassen müssen. Die Durchführung elementarer Bildungskurse gehörte daher zu den selbst gestellten Hauptaufgaben der Mujeres Libres. Wer etwas konnte, gab sein Wissen weiter. Einige der Frauen, die sich in den Libertären Kulturzentren weiterbildeten, konnten nicht lesen. Andere, die das Abitur gemacht hatten, lernten dort mit Arbeiterinnen aus dem einfachen Volk solidarisch zu sein. Auf diese Weise rückten gebildete Frauen und ungelernte Arbeiterinnen eng zusammen.
Fünfzehnjahresprojekt
Der Historikerin Vera Bianchi haben wir es zu verdanken, dass eine in Spanien bereits vor 20 Jahren unter dem Titel Mujeres Libres – Luchadoras Libertarias erschienene Dokumentensammlung mit Erinnerungen der Kämpferinnen, ausgewählten Artikeln aus ihrer Zeitschrift sowie historischen Fotos und Abbildungen nun endlich auch in deutscher Sprache vorliegt. Die Initialzündung für Bianchis Interesse am Spanischen Bürgerkrieg war die Lektüre von Hans Magnus Enzensbergers dokumentarischem Montage-Roman Der kurze Sommer der Anarchie, den sie als Schülerin in die Finger bekam. Fasziniert von der Schilderung der mitten im Kampfgeschehen durchgeführten sozialen Revolution, beschloss sie, Historikerin zu werden. Während sie sich in Madrid auf die Magisterarbeit vorbereitete, fiel Bianchi die Textsammlung in die Hände. Einige Jahre später, im Jahr 2005, begleitete sie den anarchistischen Historiker und Spanienkämpfer Abel Paz bei einer Vortragsreise durch Aragonien und Katalonien. Sie nutzte die Gelegenheit, um eine der Herausgeberinnen zu kontaktieren: die damals bereits 86-jährige Sara Berenguer.
Von Madrid aus besuchte Bianchi die Anarchistin in ihrem südfranzösischen Wohnort Montaday. Die Frauen freundeten sich an und schnell war klar, dass Bianchi die deutsche Ausgabe des Buchs herausgeben sollte. Es sollte nochmals fast 15 Jahre dauern, bis es ihr gelang, die nötige finanzielle Unterstützung zusammenzubekommen. Bemerkenswert ist ein Artikel einer Autorin, die schon zu Beginn der Gefechte davor warnt, dass dieser Kampf um Leben und Tod, je länger er dauert, zur eigenen Verrohung beitragen müsse: „In ihm geht unsere geistige Gesundheit zugrunde.“ Man kann ihre anschließende Forderung als Beleg dafür nehmen, dass die befürchtete Abstumpfung auch bei ihr selbst längst stattgefunden hatte. Der Kampf müsse von blitzartiger Schnelligkeit sein: „Greift, wenn nötig, auf die härteste, die brutalste Vorgehensweise zurück; doch verkürzt ihn, lasst ihn zu einem schnellen Ende kommen.“ Anarchistische Milizen, also diejenigen, die sich der Errichtung einer herrschaftsfreien Gesellschaft verpflichtet fühlten, begingen bereits während der ersten Monate der Auseinandersetzungen furchtbare Verbrechen an der Zivilbevölkerung – vor allem an Angehörigen des vielen verhassten katholischen Klerus. Mehr als 7.000 Bischöfe, Priester, Mönche, Nonnen und blutjunge Seminaristen wurden ermordet.
Die anarchistischen Frauen führten nicht nur erbitterte Gefechte mit den Faschisten, sie kämpften an mehreren Fronten. Sie grenzten sich ab vom Feminismus bürgerlicher Frauen, deren Ziele mit der Erlangung gleicher politischer Rechte für das weibliche Geschlecht erfüllt schienen. Die anarchistischen Frauen wollten den Kapitalismus durch eine ökonomische und soziale Revolution überwinden – und zwar nicht in ferner Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Das unterschied sie von der Kommunistischen Partei und der Sozialdemokratie. Sie führten aber auch einen Kampf innerhalb der anarchistischen Bewegung selbst. Die Mujeres Libres wollten neben der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft, deren Jugendorganisation sowie der Anarchistischen Iberischen Föderation als gleichberechtigte Organisation anerkannt werden.
Zwar konnten sie Räumlichkeiten dieser Organisationen nutzen und wurden finanziell unterstützt. Die geforderte Anerkennung als autonom agierende politische Kraft blieb ihnen dagegen verwehrt. Viele Genossen wollten sich nicht auf Augenhöhe mit den Frauen auseinandersetzen müssen. Als der Krieg verloren war, flüchteten viele Aktivistinnen vor den Repressionen der Franco-Diktatur ins Ausland. Nicht wenige bekämpften das Regime von dort aus weiter.
Info
Mujeres Libres – Libertäre Kämpferinnen Vera Bianchi (Hg.), Renée Steenbock und Vera Bianchi (Übers.), Verlag Edition AV 2019, 230 S., 17 €
Kommentare 16
verstörend: was hat die gewalt-/mord-bereitschaft der anarchisten
mit der befreiungs-bewegung anarchistischer frauen zu tun?
verstörend: die kom-mentare
mancher komm-en-tatoren.
meine völlig un-gekünstelte bemerkung/rat-losigkeit verstört Sie?
ach, was kommen Sie, lassen Sie sich nicht lange bitten:
spucken Sie Ihre lösung aus!
Ich (und andere) haben Ihnen die Lösung des Problems bereits mehrfach zur Kenntnis gebracht. Die Optionen liegen folglich auf der Hand: normal schreiben/kommentieren – oder eben allenfalls viertelernst genommen werden.
Aufgrund meiner – keinesfalls nur so dahingesagten – Neugierde auf kontroverse Standpunkte fände ich letzteres schade. Obwohl ich – einerseits – die Trotzhaltung gut nachvollziehen kann, die dazu führt, eine suboptimale Handlungsweise beizubehalten, habe ich – andererseits – keinerlei Lust, ständig kryptische Orakel zu lösen in dem Wissen, dass es eigentlich auch anders ginge.
So einfach ist das. Mehr Sinn gibt es da nicht zu entdecken.
was Sie als kryptische orakel miß-verstehen(wollen)
entspringt nicht einer trotz-haltung.
bewußtseins-abstumpfende rede suche ich zu meiden.
geläufigere rede-wendungen lassen gedanken-losigkeiten leichter passieren.
das sollten wir nicht durchgehen lassen/uns nicht leisten,
wenn wir soziale veränderungen durch gedanken-basierte haltung,
nicht durch stimmungen oder meinungs-übernahme erreichen wollen.
Sie weichen auf Allgemeinplätze aus. Aus ihrer Formulierung lässt sich also folgern: @denkzone8 braucht diesen Stil, weil ansonsten die Gefahr seiner "Gedankenlosigkeiten" steigt.
Es geht auch nicht um "Redewendungen", sondern um die übliche Kommunikation im Rahmen einer allen leicht zugänglichen Fassung. Der "Sender" sollte als bemüht sein, die Aufnahmefähigkeit des "Empfängers zu berücksichtigen.
Aber vermutlich ist alles viel banaler, nicht wahr?
Die oben erwähnte Durrutimontage „Der kurze Sommer der Anarchie“ ist auch nach fast 5 Jahrzehnten, immer noch der beste Einstieg in die Materie. Sehr zu empfehlen, nicht nur dem selektiv unreflektierten Empörungsunwesen, was die blutigen Exzesse gegen die katholische Gestapo zu Beginn der einzig wirklichen (anarcho)kommunistischen Revolution in Europa des 20sten Jahrhunderts betreffen.
Ich kann mir gut vorstellen, daß @pleifel mit dem, was Sie nachgeschrieben (aber leider nicht zitiert haben), auch noch ein gewisses, notwendiges Maß an sinnstiftender Konsistenz der Texte mitgemeint haben könnte.^^
++ Im vorliegenden Fall empfinde ich es als eine Respektlosigkeit und Arroganz gegenüber den Mitdiskutantinnen, trotz mehrfacher Aufforderung verständlich zu schreiben, die kryptischisch, unverständliche Schreibe beizubehalten. ++
"Trotz mehrfacher Aufforderung"... Also jetzt gehts los mit Bella Mob im Einsatz. Super.
“Ich (und andere) haben Ihnen die Lösung des Problems bereits mehrfach zur Kenntnis gebracht.“
“trotz mehrfacher Aufforderung verständlich zu schreiben“
Was ist das denn?! Ist das jetzt der Verweis für denkzone8 oder werden die Eltern einbestellt?
Die FC-Spießer sind los.
»(…) Die FC-Spießer sind los.«
Nee – das ist (zumindest von meiner Seite) der Versuch, einen Foristen, der a) durchaus was auf dem Kasten hätte, b) sich jedoch chronisch selbst ins Abseits stellt, dazu zu bewegen, sich letzten Endes nicht selbst unter Wert zu verkaufen. Insofern ist es – so viel ist wahr – das Gegenteil jener Sorte Gleichgültigkeits-Toleranz, der Sie und ein paar andere hier Aufschlagende offensichtlich anhängen.
Von einer Platzverweis-Forderung oder gar einer »Eltern-Einbestellung« – da spreche ich sicher für alle, die DZs kryptische Ausdrucksweise kritisieren – ist das Lichtjahre entfernt. Und – wie oben bereits kundgetan – wird er in ebenjenem Style weitermachen.
Also: alles in trockenen Tüchern; die Aufregung kann heute zuhause bleiben.
»(…) Sehr zu empfehlen, nicht nur dem selektiv unreflektierten Empörungsunwesen (…)«
Herauszuarbeiten wäre vor allem, dass die Revolution kein Deckchensticken ist – auch die anarchosyndikalistische nicht. Auch die Mujeres Libres hatten sich an unterschiedlichen Fronten zu behaupten. Eine nicht unwesentliche war der gußeiserne Paternalismus der alten Arbeiterbewegung – ein patriarchalischer Mehltau, der in den anarchosyndikalistischen Organisationen wie CNT und FAI ebenso gang und gäbe war wie in den stalinistischen und sonstwie sozialistischen. Die Haltung »Mädels, euer Platz ist in der Küche« wurde nach meinen Kenntnissen speziell auch von der Pasonaria der spanischen Syndidalisten, Federica Montseny, offensiv propagiert; die Einheit der Arbeiterklasse war eben auch den (wenigen) Frauen in der Führung wichtiger als emanzipatorisches »Gedöhns«.
Dass die Popen im Sommer 1936 für ihre jahrzehntelange Unterstützung des feudalistischen Systems zu bezahlen hatten, lag auf der Hand. Allerdings hatte die Revolution nicht nur ihre erhebenden Momente, wie es diese Szene aus dem Film »Libertarias« auf durchaus eindrucksvolle Weise zeigt. Missionierendes Eiferertum gehörte ebenso mit dazu – beispielsweise, als Angehörige der Mujeres Libres »bürgerliche« Bordelle mit aushoben und den nunmehr arbeitslosen Frauen dort belehrende Einläufe verpassten und – jedenfalls im Film – ein paar Knarren in die Hand drückten.
Nichtsdestotrotz war die spanische Revolution – zusammen mit der Commune – die wahrscheinlich einzige autochrone linke Volksrevolution in Europa. Das verdient auch von heutigen Akteur(inn)en allen Respekt. Es ist sicherlich lohnend zu überlegen, wie die Geschichte gelaufen wäre, wenn die emanzipatorischen Strömungen innerhalb dieser Bewegung – wozu durchaus auch linksbürgerliche gehörten wie etwa die Bewegung für Alpabetisierung und Freie Schulen – ein größeres Gewicht erlangt und somit eine noch breitere Dynamik hergestellt hätten. Rückblickend wäre es sicher aufschlussreich, diesen Strings forschend und durchaus auch kritisch nachzugehen: Am Ende hat die spanische Arbeiterklasse (ebenso wie die Frauen, die in ihren emanzipatorischen Bestrebungen um Jahrzehnte zurückgeworfen wurden) einen blutigen Preis dafür entrichtet, dass die Einheit der Linken – bei maximaler Umsetzung emanzipatorisch anfälliger Forderungen – nicht umgesetzt werden konnte.
Stalins egoistische, von taktischen Erwägungen geprägte Machtpolitik hat hier sicher einen wesentlichen Teil beigetragen. Es wäre allerdings kurzsichtig und letzten Endes auch bequem, alle Fehler und Unterlassungen auf den großen Worscht im Kreml abzuschieben.
„Libertarias“ ist ein gut gemeinter Film, aber übernimmt nicht nur, sondern preist auch noch den fatalen Idealismus vieler Anarchisten aus dieser Zeit. Über Deine weiteren Ausführungen ließe sich redlich streiten, mit einigem bin ich nicht einverstanden, das Thema übersteigt aber nicht nur Zeit und Umfang betreffenden Rahmen, auch mein Bedürfnis darüber zu rechten ist eher begrenzt.
Nur so viel, u. a. kämpften diese Anarcho- Frauen gegen die von Staat und Parteien organisierte Konkurrenz kapitalistischer Ökonomie, und nicht für gerechtes Konkurrieren, was die heutigen Quotenweiber und feministischen Konkurrenzgeier immer so gerne mit „Emanzipation“ verwechseln. Sie kämpften gegen den LOHN und seinen kapitalistischen Zweck, diese KOST so gering wie möglich zu kalkulieren, einem Lohn, der außer einem harten Leben nichts versprach und verspricht. Das macht Ihren Kampf Erinnerungswürdig, sonst gar nix.
Es ist Ihr, und Bellas, Erziehungsduktus, der einfach übergriffig ist. “haben Ihnen die Lösung des Problems bereits mehrfach zur Kenntnis gebracht.“ Sehen Sie das nicht? Und wie Sie es jetzt formulieren, ist es nicht besser: Jemand, der “durchaus was auf dem Kasten hätte [...]“. Ich finde, solche Vorhaltungen, Vermutungen, Aufforderungen mit erzieherischem Impetus - eine, quasi, Ausstellung von Zwischenzeugnissen -, so etwas geht nicht. Wie würden Sie es denn finden, würden Ihnen hier Zeugnissemit Aufforderungen zur Besserung Ihres Schreibstils zugestellt?
“Und – wie oben bereits kundgetan – wird er in ebenjenem Style weitermachen.“
Das hoffe ich doch.
»Wie würden Sie es denn finden, würden Ihnen hier Zeugnisse mit Aufforderungen zur Besserung Ihres Schreibstils zugestellt?«
Die hypothetische Form der Formulierung hat eine gewisse Komik. Dass Bella einem »Mob« angehört, der quasi mit der Mistgabel durch die dFC zieht und dort ein Volksempfinden der ziemlich miesen, politisch offensichtlich klar rechts einzuordnenden Art anstachelt, prankt oben ja in allerschönster (wenn auch wenig begründeter) Aussagekraft. Ich selbst durfte mich vor nicht mal 14 Tagen ebenfalls (wieder) an der Unterstellung delektieren, ich sei ein Rechter. Und »Aufforderungen zur Besserung« kriege ich für gewöhnlich nicht wegen meines Stils, sondern gleich wegen meiner Inhalte.
Was tut man? Man steckt es weg – respektive: man beißt, wenn es sein muß, halt die Zähne zusammen, denkt sich seinen Teil und verkneift sich, an die guten Netiquette denkend, die Konterattacke.
Zu Denkzone: vollkommen d’accord – soll er so viele Absatzschaltungen und Diviszeichen in seine Kommentare reinhauen, wie ihm danach ist; wozu sind die auch sonst auf der Tastatur? Frei nach Derrida: »Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.«
Okay so? Oder muß ich für die gute Schulnote noch hintanfügen: Wir sind schließlich ein freies Land?