Steht der Weltuntergang bevor? Viele, vor allem junge Menschen, scheinen nicht an eine Zukunft zu glauben. Woran liegt das und wohin führt uns das? In seinem Buch Endzeit. Die neue Angst vor dem Weltuntergang und der Kampf um unsere Zukunft blickt Christian Jakob auf die Krisen unserer Zeit, die sich zu einem Endzeitszenario zu verdichten scheinen.
Dass angesichts des Klimawandels apokalyptische Vorstellungen aufgerufen würden, findet der Autor nicht überraschend. Bilder von Feuer, Sintflut und Dürre seien jahrtausendealt, und all das findet ja auch in erschreckender Echtzeit statt. Der Klimabewegung und der „Letzten Generation“ werde aufgrund deren bildhafter Warnungen jedoch häufig Apokalyptik vorgeworfen. Zu Unrecht, findet Jakob: „Ernsthaft fat
#8222;Ernsthaft fatalistisch sind nicht sie. Das sind jene, die der kollektiven Gestaltbarkeit der Zukunft, dem Widerstand gegen die Zerstörung keine Chance mehr geben – als Folge von Verdrängung, Abspaltung, Schuldgefühlen, Ignoranz, Egoismus oder schlichter Bequemlichkeit. Sie sagen: Es bringt ohnehin nichts mehr.“Emotionale EskalationDiese Affekte in der Klimakrise betrachtet Jakob – Jahrgang 1979, der in Bremen Soziologie, Volkswirtschaft, Philosophie studierte, außerdem Global Studies in Berlin, Buenos Aires und Delhi – mithilfe der Psychoanalyse. Angst und Schuld führten oft zu Abwehr und Verdrängung, was wiederum mehr Angst, Scham und Schuld anhäufe. Das Verdrängen der als unerträglich empfundenen Schuld lähme das eigene Handeln. In Folge erschienen vielen die Dinge im Allgemeinen als nicht mehr reparabel. Dieser Fatalismus könne paradoxerweise zu einer „Affirmation der Apokalypse“ führen: Wenn eh schon alles zu spät sei, stünde das eigene klimaschädliche Handeln nicht mehr auf dem Prüfstand. Das könnte zudem jenen in die Hände spielen, die den Klimawandel selbst zwar oft leugneten, aber die Angst vor ihm für sich nutzten – wie rechtsautoritäre Kräfte, die Abschottung propagierten.An dieser „emotionalen Eskalation“ sei die mediale Berichterstattung nicht unschuldig, so der Autor, der selbst Journalist ist und 2017 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet wurde. Hochdramatische Fakten würden weiter zugespitzt. Hinzu kämen die von Algorithmen gesteuerten sozialen Medien, die gerade junge Menschen den Schrecken der Welt ungefiltert aussetzten. Der darauffolgende „Doomscroll-Kater“ ließe viele im wahrsten Sinne des Wortes abschalten, wie Studien zum weltweiten Nachrichtenkonsum zeigten.„Und doch besteht der Ausweg womöglich nur darin, sich eben dieser überfordernden, kaum erfassbaren Realität zu stellen“, meint Jakob. Dieser Maxime folgt auch er. Indem er die Stimmen von Klimaforscher:innen, Soziolog:innen, Philosoph:innen und Psychoanalytiker:innen zusammenbringt, analysiert er kapitelweise die verschiedenen Krisen und Phänomene wie Krieg und Atomangst, Klima und Flucht, Pandemien oder künstliche Intelligenz. Schon deren separate Betrachtung erscheint als ein Schritt hin zu weniger Angst: Denn durch die Unschärfe des Wegschauens, so Jakob, würden die Krisen vielfach zu einem einzigen großen zivilisatorischen Rutschen zusammengedacht. Eigentlich sei das Leben insgesamt betrachtet noch nie besser, der weltweite Hunger nie geringer, die Lebenserwartung nie höher gewesen, schreibt der Autor. Freilich erwähnt er auch die stattfindende Zerstörung der Lebensgrundlagen. Er betont jedoch eine trotz allem bestehende Offenheit der Zukunft. „Der Blick auf die Prognosen der Vergangenheit zeigt vor allem eins: Kaum etwas tritt so ein, wie es vorhergesagt wurde.“ Jakob ist sogar vorsichtig optimistisch. Seit 2018 sei mit Fridays for Future beim Umwelt- und Klimaschutz global einiges passiert. Gerade angesichts positiver Trends ginge es nun darum, mittels Druck auf die Politik die Erderwärmung weiter zu senken.Die anbrechende Zeit beschreibt der Autor als „Transapokalypse“, in der wir uns anhaltend gegen erodierende Lebensbedingungen stemmen müssten. Entscheidend sei, wie wir diese Zeit gestalten würden.Die Gestaltbarkeit der Welt ist ein zentrales Motiv des Buches. Viele Zeilen scheinen an (ehemalige) Aktivist:innen gerichtet zu sein, die in Resignation und Rückzug abdriften. In jedem Fall adressiert Jakob ein europäisches Publikum, dem die meisten Veränderungen erst noch bevorstehen und das er zugleich für seine Selbstbezogenheit kritisiert. Die Realität und Prognosen im Globalen Süden seien in Europa teilweise nur „Grundlage eines empathielosen, rein instrumentellen Blicks: Wenn wir nicht aufpassen, dann passiert uns das auch.“ Die realen Katastrophen in anderen Teilen der Erde seien so „nur noch Anschauungsmaterial für die Verhandlung der eigenen Zukunft“. Diese Ignoranz sieht Jakob auch gegenüber Lebensentwürfen jenseits westlicher Wachstumsmodelle. „Die Zukunft nur als dystopischen Rest einer einzig lebenswerten Gegenwart zu sehen, ist eine schrecklich fantasielose Vorstellung“, schreibt er. Die Furcht vor dem Zerfall der Normalität sei verständlich. Aber die Welt gehe davon nicht unter.Es gelte, ein „Recht auf Zukunft“ für alle zu erkämpfen – ohne Grenzzäune oder Wüstenbunker, sondern mit Empathie und Solidarität. Und das schon heute: „Das Überleben ist in erster Linie eine Frage globaler Gerechtigkeit.“Christian Jakob will in seinem Buch aufzeigen, wie sich der Glaube an eine bessere Zukunft bewahren lässt, ohne zu beschwichtigen oder die Krisen unserer Zeit zu leugnen. Das gelingt ihm. Das Buch zeigt auf, dass mit dem Hinsehen die Angst kleiner werden kann. Ganz im Sinne der Aktivistin Luisa Neubauer, die er zitiert: Würde sich die Gesellschaft „in aller Ehrlichkeit der Wirklichkeit stellen“, dann wäre das „kein Moment der Verzweiflung, sondern ein Moment der Befreiung“.Placeholder infobox-1