Mit einem Aufruf haben sich führende AfD-Funktionäre am Mittwoch gegen den Machtanspruch Björn Höckes in der Partei gestellt. Wieder einmal. Anlass, wohl aber nicht Auslöser war, wie Höcke sich am vergangenen Wochenende in Leinefelde, beim diesjährigen Kyffhäusertreffen des völkisch-nationalistischen „Flügels“ der AfD empfangen und feiern ließ. Wie ein heilsbringender Messias, ein Führer. Die Unterzeichner des Aufrufs werfen Höcke Personenkult, und das Bestreben vor, die gesamte Partei auf sich und seine politische Agenda auszurichten, wobei im Aufruf keine dezidierte Kritik an den politischen Inhalten, die der thüringische AfD-Landeschef vertritt, geübt wird. In gewisser Weise wiederholt sich hier ein Konfliktmodell, das man aus den vergangenen Jahren kennt. Immer wieder versuchten Akteure aus der AfD, die für sich in Anspruch nehmen, im Koordinatensystem der AfD gemässigt zu agieren, den Machtanspruch Höckes und seines rechten Netzwerkes zu begrenzen. Ohne Erfolg. Bernd Lucke, Frauke Petry und die „Alternative Mitte" – sie alle sind daran gescheitert, das Höcke-Lager in die Schranken zu weisen. Das Ergebnis ist bekannt. Die AfD durchläuft seit Jahren einen Radikalisierungsprozess, in dem die nationalkonservative Strömung in der Partei systematisch in die Defensive gezwungen wird.
An der Liste der Unterzeichner des Aufrufs fällt auf, dass die Namen aller wichtigen Funktions- und Mandatsträger der AfD aus Ostdeutschland fehlen. Dies war nicht anders zu erwarten. Im Osten ist die AfD weitgehend „Höcke-Land". Hier hat er seine weit verzweigten Netzwerke. Björn Höcke hat im Osten eine Infrastruktur der Macht aufgebaut, die in den ostdeutschen Landtagsfraktionen ankert, deren Mitglieder mehrheitlich zur Anhängerschaft des „Flügels" zählen. Seinen innerparteilichen Gegnern fehlt im Osten eine solche Machtbasis und eine Agenda, die sich deutlich vom derzeitigen Rechtskurs absetzt. So ringen in der Partei die nationalkonservativen Rechten mit den offen Rechtsradikalen um die Macht in der Partei.
Mehr noch. Die AfD mag im Westen mehr Mitglieder und in absoluten Zahlen und auch mehr Wähler und Wählerinnen haben. Auf gesellschaftliche Reichweite und Akzeptanz aber stößt die Partei im Osten in größerem Umfang als im Westen. Die AfD hat im Osten von den Radikalisierungsschüben der letzten Jahre und von der scharfen Anti-Establishment-Rhetorik des rechten Flügels der Partei profitiert. Die in Ostdeutschland numerisch große Gruppe bisheriger Nicht-Wähler- und Wählerinnen wird durch die Polarisierung der AfD mobilisiert.
Wo Bürgerlichkeit nichts zählt
Die AfD im Osten braucht den Westen nicht. Sie hat im Osten eine eigene Machtbasis und ein stabiles, wenn auch heterogenes Wählermilieu an sich gebunden. Die Ost-AfD funktioniert in einer ostdeutschen politischen Kultur, in der Geländegewinne nicht mit der Bürgerlichkeitsrhetorik eines Jörg Meuthen erzielt werden, sondern mit scharfer Polarisierung gegenüber dem viel gescholtenen „Altparteienkartell". In den ostdeutschen Bundesländern appelliert die AfD permanent an die Erfahrung des Systemumbruchs des Jahres 1989, und sieht sich in der Rolle einer Vorreiterin für einen Systemumbruch. Nicht zufällig wirbt die AfD in Cottbus für eine Veranstaltung unter dem Motto „Vollende die Wende". Dass die inhaltlichen Konturen der gewünschten Vollendung der Wende unscharf gehalten werden, tut nicht nur nichts zur Sache. Es stärkt die AfD, wenn sich jeder selbst ausmalen kann, was ihr Inhalt sein soll.
Diese Rhetorik vom Systemumbruch läuft im Westen dagegen ins Leere. Im Osten trifft sie 30 Jahre nach der Wiedervereinigung den Nerv jener Menschen, die den Eindruck haben, für sie gäbe es keinen Ort politischer und kultureller Repräsentation im vereinigten Deutschland.
Gewiss, die AfD ist nach wie vor eine rechte Sammlungspartei, in der divergierende Strömungen um die Vorherrschaft ringen. Doch die völkisch-nationalistische Strömung des Flügel agiert machtbewusst und lautstark. Ob der „Aufstand gegen Höcke" Erfolg haben wird, wird im Osten entschieden.
Kommentare 10
liebe afd!
laßt euch den höcke nicht ausreden!
die bewegung braucht einen führer!
besonders wenn gauland-hindenburg abtritt.
sonst wird die partei noch koalitionär,
ohne die koalition zu dominieren!
alle völkisch-denkenden deutschen schauen auf euch:
tut, was ehre und pflicht euch gebieten!
p.s.:
deutsche männer und frauen
(in dieser reihenfolge und ohne ergänzungen!)
schaut auf diese partei! und ihren geliebten führer: b.h.!
wer soll uns sonst gegen schand-denkmäler
und lügen-presse verteidigen?
wer den guten ruf des deutschen volks in weiten teilen der welt
und in guten geschichts-büchern mehren?
wie nötig sind uns räume und plätze,
wo wir noch die hacken zusammen-schlagen können!
H.H.!
Was geht mich fremdes Elend (AfD) an. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!
++ "Die AfD im Osten braucht den Westen nicht. Sie hat im Osten eine eigene Machtbasis und ein stabiles, wenn auch heterogenes Wählermilieu an sich gebunden.
Die Ost-AfD funktioniert in einer ostdeutschen politischen Kultur, in der Geländegewinne nicht mit der Bürgerlichkeitsrhetorik eines Jörg Meuthen erzielt werden, sondern mit scharfer Polarisierung gegenüber dem viel gescholtenen „Altparteienkartell".
In den ostdeutschen Bundesländern appelliert die AfD permanent an die Erfahrung des Systemumbruchs des Jahres 1989, und sieht sich in der Rolle einer Vorreiterin für einen Systemumbruch. " ++
Ja, die im Osten sind eben - auch wenn sie "rechts" wählen noch immer einer "arbeiterliche Gesellschaft". Und genau dort kann man einhaken. Trotzdem entsetzlich.
Ach ja, da doziert'r wieder der Begrich, der pfaffe, und was erfahren wir? "Die AfD durchläuft seit Jahren einen Radikalisierungsprozess, in dem die nationalkonservative Strömung in der Partei systematisch in die Defensive gezwungen wird." Ja, das mag für die partei zutreffen, aber es erklärt nicht ihre wahlerfolge.
Es sei denn, die radikalisierung der partei wird mit der radikalisierung der wählerschaft gleichgesetzt bzw. schlimmer noch: Die radikalisierung der partei wird dadurch befeuert und so erklärbar, dass ihre wählerschaft bereits seit längerem viel radikaler rechts steht als die partei!?
Das jedoch deckt sich nun ganz und gar nicht mit den mir persönlich bekannten AfD-wähler*innen. Das sind eher gebildete (normale) leute, die von den welterklärern à la Begrich einfach den kanal voll haben...
Solange sich die rechten Verblendeten selbst dermaßen desavouieren wie durch den Kommentarschwall zu diesem Artikel braucht man sich keine Sorgen machen. Sie schaden ihrer "Bewegung" selbst. Und zwar mehr als der Artikel. Gefährlicher sind so Leute wie Meuthen.
Böser Björn! Nur gut, dass -offensichtlich- jetzt die "Stunde der Wahrheit" gekommen ist. Nach Lucke und Petry jetzt Höcke? Nein, sicher nicht! Die AfD will nicht zur NPD 2.0 mutieren. Nazis bekommen nicht die Macht. Herr Gauland will zurück, zu "alten Strukturen, die sich bewährt haben". Ist das nicht süß? Sollte es wegen Höcke zur Spaltung kommen, so wäre es das Ende der vermeintlichen Erfolgsstory. Gut auch, dass dieser show-down-intern exakt vor den Wahlen im Herbst, in drei Ostbundesländern über die Bühne geht. Mit Höcke lahmt ein Flügel, soviel ist schon mal gewiss. Ob Sturzflug oder Höhenflug? Schau mer mal!
Genau die hier dokumentierten Argumente bilden den Nährboden für den "Rechtsruck" in der Bevölkerung. Zum Vertrauensverlust in unsere Regierigen (zuletzt als Schicksalswahlfarce) kommt das Hämmern der Medien auf die "Alternativlosigkeit ihres tuns" in einer gnadenlosen (sozialdarwinistischen) Wettbewerbsgesellschaft. Die Unzufriedenheit einer verdummten (nicht etwa dummen) Bevölkerung sammelt sich dann um "Erlöser". Die kann man solchem Volke vorsetzen. Aber doch lieber hassbraun statt rot und vernünftig. Das stabilisiert das eigene Versagen und die Rechtshetze zahlt man aus der "schwarzen Portokasse".
Letztlich ist die Frage gar nicht so sehr, wer in der AfD weiter rechts steht. Hinsichtlich der bürgerfernen EU-Bonzokratie, des Euro mit Negativzinsen und der Weigerung, Schlepper als Seenotretter zu feiern als wäre vor Libyen die Titanic gesunken, passt zwischen die beiden Richtungen kein Blatt Papier.
Der wesentlichen Unterschiede sind staatspolitisch und sozioökonomisch.
Will man die Bundesrepublik reparieren oder umbauen? Zurück in die 80er Jahre (die AfD wurde sehr wesentlich von konsternierten CDU'lern gegründet) oder den nach angelsächsischen Mustern tickenden westlichen Nachkriegsstaat analog zum östlichen loswerden? Nach dem Sowjetdeutschland auch noch das oberflächliche kapitalistische Grinsedeutschland?
Wie auch immer: Beides zugleich geht nicht. Die Eisenfraktion in der AfD wird dieses Ziel natürlich abstreiten, aber sie hat es. Man sollte dort keine Transatlantiker, Ami-Freunde, Brexitbedauerer oder Nato-Sympathisanten suchen.
Der zweite Punkt ist die Frage rechtsliberal oder rechtssozialistisch. Höcke nennt das zweite, aus Gründen, natürlich 'solidarischen Patriotismus'. Wie auch immer man darüber denkt, weiter rechts als die Wirtschaftsliberalen steht er damit klarerweise nicht. Jedenfalls nicht in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hinter den Kulissen der AfD brodelt ja noch die Frage der Rentenpolitik. Die Liberalen in der AfD, denen Höcke nicht ganz zu Unrecht attestiert, in die FDP besser zu passen als die AfD, wollen jedem Bürger zumuten, ab Kapitalmarkt zu spekulieren. Höcke lehnt das ab, ist durch und durch Korporatist (also das, was die Soziale Marktwirtschaft Müller-Armacks ihre durchaus faschistischen Wurzeln hat, im Shakehands von Kapital und Arbeit im Nationalstaat)
Früher war das CDU-Programm (und auch das der Godesberg-SPD, die nach dem revolutionären bekanntlich auch den reformistischen Marxismus fallen ließ), heute sind beide Parteien posteverything links-liberal, alle volle Pulle Globalismus und Ökonomisierung, aber eben einen Marxgartenzwerg aus kapitalistischer Massenproduktion auf dem Balkon.
Dagegen hat es die AfD als einzige mit Sicherheit nicht irgendwie links-liberale Partei natürlich sehr leicht. Die Frage ist eben, welche AfD.
In einem unterscheidet sich die AfD bisher wesentlich von der CDU, deren Ersatz sie doch sein will: die alte CDU war in der Lage, echte Flügel auszuprägen und miteinander Politik machen zu lassen. Und sie hielt die Spannung aus. Das ist der AfD bis dato anders. Bei ist immer alles Ausscheidungkampf. Es geht immer irgend jemand über die Planke. Lucke, Petry, demnächst wohl Meuthen.
So etwas wie die CDU in den 80er Jahren ist bei der AfD schwer denkbar: ein Herz-Jesu-Sozialist wie Norbert Blüm als Arbeitsminister, ein nationalkonservativer Eisenhardliner wie Alfred Dregger als Fraktionschef (der selbst Hitlers kriminellem Ostfeldzug etwas abgewinnen konnte, was der für die deutsch-russische Freundschaft werbende Höcke nicht tut) und ein vage konservativer und so provinzieller wie proeuropäischer Korkenzieher wie Kohl als Regierungschef.
Die alte CDU war der AfD insofern überlegen, als dass sie tatsächlich mehr hinbekam als einen immer krasser werdenden Ausscheidungswettbewerb.
Womit Höcke die AfD zerstören wird, ist nicht sein Korporatismus. Da sehnen sich die Menschen ja danach, weil radikaler Markt und marxistische Planwirtschaft beides Crap sind und das erste in Europa eskalierte, nachdem das zweite zusammenbrach.
Aber wenn es stimmt, dass er mit Holocaustleugnern verkehrt, dann lieber Turbokapitalismus, Verarmung und Marxgartenzwerg.
Der "Nazi"als Rechtssozialisst ist ein wirtschafts- und sozialpolitische Position, der "Nazi" als Geschichtsrevisionist exakt so irre, als würde von links eine Polpotistische Formation antreten, die sich an Schädelpyramiden delektiert.
Rein sozialpolitisch trifft es zu, wenn Höcke den Liberalen in der AfD attestiert, sie würden besser in die FDP passen. Den innerparteilichen Fight hat er vermutlich schon gewonnen.
Aber bestimmt findet sich eine politische Begabung, die diesen gefährlichen Mann an die Wand drückt, bis er quietscht.
aus einer protest-partei mit diffusem profil
wird mit b.h.:
eine rechte stoß-truppe die koalitions-abstoßend ist,
aus gestrigen ideen gegenwärtige + kommende lösungen
basteln will.