Die neoliberale Universität: Von der Austreibung des Geistes aus der Uni
Glossar Detlef Müller-Bölings Manifest „Die entfesselte Hochschule“ wollte staatliche Überregulierung überwinden. Doch nun knechtet uns die neoliberale Universität. Alles dreht sich um Begriffe wie „Drittmittel“ oder „Exzellenz“. Was bedeuten sie?
Im neoliberalen Raum fehlt der Platz für den universitären Geist
Illustration: der Freitag
Freiheit: Der zentrale Mythos
Freiheit imaginiert die neoliberale Gesellschaft vor allem im Rahmen von Wirtschaft und Wettbewerb, blendet dies aber meist aus. Die Suggestion, mit Erreichen der Freiheit sei eine Erlösung von kulturellen Rahmenbedingungen zu haben, macht sie zu einem zentralen Kampfbegriff vermeintlich liberaler Wissenschaftspolitik. Viele berufen sich auf Wilhelm von Humboldts Satz: „Was man daher höhere wissenschaftliche Anstalten nennt, ist, von aller Form im Staate losgemacht, ...“ Humboldt meint damit, dass die innere Organisation, also Forschung und Lehre, nicht staatsförmig organisiert werden kann.
Muster staatlicher Ordnung wie Hierarchie und ökonomische Narrative des Wettbewerbs, die durchaus im Sinne des Liberalismus um 1800 waren, gel
um 1800 waren, gelten gerade nicht. Der Liberalismus weiß um die Grenzen von Marktförmigkeit, der Neoliberalismus nicht. Die neoliberale Universität folgt jenen Strategen des Wirtschaftsmanagements, die sich seit den 1960er Jahren die Entfremdungskritik der Arbeiter- und Studentenbewegung aneignen, um sich selbst gegen diese Kritik zu immunisieren. Hierzu bringen sie das subversive liberale Lebens- und Arbeitsideal der Künstler gegen die staatliche Einengung in Stellung, um Projektarbeit und Befristung auszuweiten.Die Universität wird entlang bestimmter Behauptungen organisiert, etwa der, dass die Befreiung aus staatlichen Fesseln die Experimentierfreude stärkt. Die der Freiheit wie dem Experiment inhärente Möglichkeit des Scheiterns ist aber mit dem ökonomischen Paradigma unvereinbar, das die Maximierung zum Ziel jeder Bemühung erhebt. Dem Freiheitsmythos der neoliberalen Universität wohnt also ein Widerspruch inne, denn er wird von dem ihm zugrunde liegenden Wertesystem konterkariert. Universitäten sind überdies nicht frei in dem, was sie als Produkt anbieten: Forschung und Lehre müssen immer sein. Der Effekt dieses Freiheitsmythos ist Konservatismus, etwa in Gestalt von Stromlinienförmigkeit der Forschungen und Lebensläufe – die nicht zuletzt die Existenzangst des akademischen Prekariats spiegelt. Die Denominationen der Professuren gehorchen in ihrer Kleinteiligkeit politischen und ökonomischen Moden. Konzepte wie Grundlagenforschung oder Bildung sucht man in den universitären Zielvereinbarungen oft vergebens.Eine weitere Behauptung des Wissenschaftsmanagements ist, dass die Universität angesichts ihrer neuen Freiheit quantitative Messverfahren zur Absicherung benötigt. An die Stelle staatlicher Kontrolle tritt unter dem Schlagwort „Qualitätssicherung“ die Kontrolle durch privatwirtschaftliche Agenturen. Freiheit im Kontext der neoliberalen Universität muss also nicht zuletzt als Geschäftsmodell verstanden werden, das sämtliche Aspekte der Institution der Messbarkeit unterwirft. Im Ergebnis hinterlässt der neoliberale Freiheitsmythos die Universität als Ruine. In dieser spiegelt sich das gesamtgesellschaftliche Versagen, anzuerkennen, dass es mit vormodernen Erlösungsmotiven wie Gott oder Freiheit vorbei ist. Melanie ReichertDrittmittel: Das neoliberale MantraHochschulfinanzierung ist in der Bundesrepublik Deutschland Ländersache. In fast allen Bundesländern sind die Universitäten finanziell autonom, das heißt, sie verfügen über ein aus Landesmitteln finanziertes Globalbudget, aus dem der laufende Betrieb finanziert werden muss. Grundmittel sind das Fundament der Finanzstruktur einer jeden Hochschule. Drittmittel heißen deswegen Drittmittel, weil sie von einem Dritten – Stiftungen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Europäischen Union – kommen und die bilaterale Finanzbeziehung der Hochschule zum Land zunächst nicht berühren. Drittmittel sind also ein Zwitterwesen der neoliberalen Hochschulfinanzierung. Denn Drittmittel trennen und verbinden gleichzeitig. Sie trennen die Universität einerseits von den Töpfen der Landesregierung, indem sie andere Töpfe öffnen. Andererseits verbinden sie die Hochschule mit ihnen, weil die Ausstattung des Grundbudgets durch die Einwerbung von Drittmitteln verändert wird.Nimmt man Drittmittel als Symbol von neoliberaler Wissenschaftspolitik, dann erscheint wie in einem Brennglas die Schnittstelle zwischen Finanz- und Hochschulpolitik an den Universitäten dieses Landes. Sie ist der Ort – um mit Goethes Symbolbegriff zu sprechen –, an dem die Idee einer flexibilisierten und deregulierten Hochschule in ein Bild verwandelt wird. Die Kosten, die Drittmittel verursachen, sind daher ökonomisch beschreibbar als Beispiel für die Transaktionskosten der neoliberalen Hochschulpolitik. Transaktionskosten entstehen volkswirtschaftlich nämlich dann, wenn Staaten sich dafür entscheiden, Märkte oder Pseudomärkte zu schaffen.Denn die Drittmittelkosten sind nie durch die Höhe der eingeworbenen Drittmittelsumme gedeckt. Hierzu muss man wissen, dass die Hochschule immer ihren Anteil an der Infrastruktur des Projekts leisten muss. Das führt zu einer chronischen Unterfinanzierung von Projekten, in einigen Fächern wie den Ingenieurwissenschaften sogar bis zu 60 Prozent. Es gibt zwar die „Overheads“, also Zusatzmittel zur eingeworbenen Summe, die aber nur zum Teil auskömmlich sind, wenn sie überhaupt gezahlt werden. Eigentlich also sind Drittmittel eine Belastung für jeden Hochschulhaushalt. Denn jedes Dezernat für Wirtschafts- und Finanzplanung muss die Folgekosten der Drittmittel – also die Kosten für die Projektinfrastruktur – aus dem Grundbudget finanzieren; was wiederum bedeutet, dass an anderen Stellen gespart werden muss.An Drittmitteln lässt sich beobachten, dass die Neoliberalisierung des Hochschulhaushalts kein Sparprogramm ist, sondern die Kosten erhöht. Drittmittel bilden das Mantra neoliberaler Wissenschaftspolitik. Wie alle Mantras stabilisieren sie das, was sie im Auge haben, durch Wiederholung, nicht durch Veränderung: Individualisierung der Gewinne für die Ingenieur- und Lebenswissenschaften, Sozialisierung der Verluste. Markus SteinmayrDigitalisierung: QuantitätsfixiertUm die Jahrtausendwende Geborene wissen, was es heißt, als Digital Native zu gelten. Wir sind die erste Generation, deren Jugend vom Smartphone begleitet wurde und die einen Großteil ihrer bisherigen Lebenszeit online verbrachte. Während mehr oder weniger kluge Köpfe dem Internet noch vor 20 Jahren prognostizierten, nicht zum Massenmedium zu werden, war für uns stets klar, dass Digitalisierung und Vernetzung alle Aspekte unseres Lebens, nicht zuletzt unseren Bildungsweg, beeinflussen würden.Nach Covid-19 traf uns Studierende an der Universität Duisburg-Essen im November 2022 ein verheerender Cyberangriff, der die komplette digitale Infrastruktur lahmlegte. Der Betrieb aber, so verkündete das Rektorat unablässig auf Instagram, musste weiterlaufen. Für die ältere Generation der Lehrenden war es die Rückkehr in die Zeit prädigitaler Universitätskommunikation. So hörten wir in den Lehrveranstaltungen Anekdoten über die uns vermeintlich fremden guten alten Zeiten, in denen man noch echte Bücher auslieh, papierne Vorlesungsverzeichnisse nutzte und in Sprechstunden den Mund aufbekam. Okay, Boomer … Ihr beklagt euch über unsere Technologieabhängigkeit, über unsere sozialen und kommunikativen Schwächen. Glaubt ihr in den Rektoraten, Fakultäten und Dienstzimmern denn, dass ihr, habituell digitalisiert, studierendenzentriert unsere Bedürfnisse erkennt? Ziel verfehlt, Generationendialog verweigert.Vielleicht hätten wir die digitale Pause damals besser dazu nutzen sollen, mit euch ins Gespräch über Wissenschaftspolitik zu kommen. Dann hätten wir euch erklärt, dass wir in puncto Digitalisierung vor allem Wert auf Qualität statt Quantität legen. Wir wollen Sicherheit, gute Kommunikation und echte Perspektiven. Ihr aber scheint in der euch eigenen sentimentalen Erinnerung an diese guten alten Zeiten die Fähigkeit, euch zu wehren, liegen gelassen zu haben!Wo bleibt euer Widerstand gegen digitalisierungsaffine, aber bildungsferne Rektorate? Oder warum stellen wir uns heute noch nicht auf eine dystopische Zukunft ein, die sich als gnadenloser Wettbewerb um die – dank digitaler Tools noch präziser messbaren – höchsten Veröffentlichungs- und Zitationszahlen offenbaren wird? Nur in der Gegenwart kann die Zukunft verändert werden. Warum müssen wir trotzdem fürchten, dass der Ausbau stabiler IT-Infrastrukturen aufgrund ökonomischer Interessen und Sparzwänge viel zu kurz kommt?Wir verlangen, dass unsere Daten genauso vor Hackern wie vor der Datensammelwut großer Verlage geschützt werden. Anstatt uns kollektive Verdummung dank Künstlicher Intelligenz zu prophezeien, lehrt uns, den digitalen Raum für selbstbestimmte, kollaborative Forschung zu nutzen. Klärt euch und uns auf! Sorgt dafür, dass wir im Wissenschaftsbetrieb nicht aus Angst um die befristete Stelle zu allem Ja sagen, und helft uns, den digitalen Raum besser zu machen – frei von asymmetrischen Machtstrukturen, sozialer Ungleichheit und Profitinteressen. Jana ZitterichExzellenz: Kampf ums PrestigeWettbewerb ist gut. Im Wettbewerb zeigen sich die Besten. Je mehr Wettbewerb, umso schneller und effektiver zeigen sich die Besten der Besten. So werden Edelgard Bulmahn und Co. im Bundesministerium für Bildung und Forschung gedacht haben, als sie im Januar 2004 eine großangelegte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ankündigten: „Brain up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“. Die bereits in TV-Shows praktizierte Ermittlung von Superstars wurde nun auf die Hochschulen ausgedehnt und im Juni 2005 als „Exzellenzinitiative“ grundgesetzlich verankert. Seit 2019 wird sie unter dem Namen „Exzellenzstrategie“ (leicht verändert) fortgesetzt. Die Idee ist so simpel wie kurzschlüssig: Durch die Vergabe von beträchtlichen finanziellen Mitteln sollen Konkurrenzverhältnisse zwischen den Universitäten angekurbelt und ausgewählte Stätten der Forschung und Lehre attraktiver gemacht werden.Wer entsprechende Antragsprosa produziert und mehrstufige Begutachtungsverfahren besteht, kann sich freuen. Es gibt Geld für „Zukunftskonzepte“ und damit für die Entwicklung der Gesamtuniversität; Beträge für „Exzellenzcluster“ zur Förderung von Forschungen an einem Themenkomplex. Früher gab es noch Mittel für „Graduiertenschulen“, also zur Alimentierung von Doktorand*innen in einem Wissenschaftsgebiet.Um in diesen Wettbewerben um Geld und Prestige mitspielen zu können, gilt es viel Papier mit ambitionierten Ansagen zu produzieren. Da Exzellenz nur schwer zu bestimmen ist, kommt es auf performative Akte an. Selbstdarstellung ist nötig und der Schwammigkeitsgrad beachtlich: „Die Herausforderung von Wandel und Komplexität annehmen“, lautet das erfolgreiche Zukunftskonzept der Universität Köln; mit „Ambitioniert und agil“ präsentiert sich die geförderte Uni Bremen. Nun ja.Die Folgen der „Exzellenzstrategie“ für die Uni-Landschaft sind bekannt. Wachsende Ungleichheit zwischen den Hochschulen verändert die Bedingungen für Forschung und Lehre, wobei die Studierenden vom Geldsegen in der Regel nur wenig mitbekommen. Denn die finanzielle Förderung stärkt primär die Produktion neuen Wissens; auch deshalb wurde ein Hochschulpakt zur Verbesserung der Lehre aufgelegt. Nicht zu übersehen ist die Zunahme von Bürokratie und Verwaltung. Schließlich zementiert die „Exzellenzstrategie“ die asymmetrischen Strukturen im deutschen Hochschulsystem. Nachwuchswissenschaftler*innen müssen weiterhin erleben, dass die ebenfalls von Edelgard Buhlman durchgesetzte Befristung von Verträgen ihre Entwicklung nachhaltig beschränkt: Denn Zeit und Aufmerksamkeit werden durch ein „Wissenschaftszeitvertragsgesetz“ limitiert und konditioniert. Während Professorinnen und Professoren den eingeworbenen Exzellenz-Status auch dazu nutzen, sich von der anstrengenden Lehre freistellen zu lassen, haben ihre Mitarbeiter*innen den Kalender fest im Blick. Sie unterrichten und publizieren und müssen zugleich immer wieder schauen, wo und mit welchen Themen und Mitteln Geld zu bekommen ist. Ralf KlausnitzerDiversität: Prozess ohne EndeDiversität oder Diversity ist an der neoliberalen Universität in aller Munde. Diversität versucht auf eigentümliche Art, Verschiedenheit, Widerspruch, Differenz und die Anerkennung dieser Kategorien der sozialen Welt miteinander zu verbinden. Diversität ist also Ziel und Mittel zur Erreichung dieses Ziels gleichzeitig. Sie ist ein angestrebter Zustand von Gesellschaft, von Institutionen und Unternehmen, von Umwelten also, in denen sich ein Individuum bewegt. Aus den Eigenschaften von Individuen, die markiert und als queer, männlich, weiblich und in anderen Modi gelesen werden, entsteht eine Gruppe, die per se marginalisiert und in der Minderheit ist. Die Eigenschaften, die markieren und thematisiert werden müssen, sind die ethnische Herkunft, die Hautfarbe, geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung und Religion. Ziel ist es, den durch diese Elemente Marginalisierten und aufgrund ihrer Eigenschaften so und nicht anders Gelesenen auf der Ebene von Gesellschaft, Unternehmen und Institutionen politische und kommunikative Repräsentation zu geben.Statt also zu versuchen, Menschen in der Universität und in der akademischen Kommunikation so zu behandeln, als spielte ihre Herkunft, ihre Hautfarbe, ihre Religion, ihre sexuelle Orientierung keine Rolle, zwingt das Dispositiv der Diversität die Mitglieder der Universität dazu, diese Eigenschaften, die eine Differenz markieren, als Voraussetzung jedweder Kommunikation anzuerkennen.Diversity ist vor allem Bild- und Symbolpolitik. Die Universität inszeniert ihre Forschung, ihre Lehre und ihre Verwaltung mit vielen ganz unterschiedlichen Menschen als divers: Alles und alle so schön bunt hier! Diversität ist also die Sichtbarmachung von Anders-Sein, von Unterschieden in verschiedenen Dimensionen, ja die Mobilisierung von Differenz.Wenn also Diversität ein Ziel ist, dann heißt das für die neoliberale Universität, die sich permanent selbst optimieren muss: Entwicklung von Diversity-Kompetenz und Vielfalts-Awareness. Wir sind zwar schon divers, müssen aber noch diverser werden. Diversität wird zum Komparativ. Dies heißt dann für die Mitglieder der Universität in Forschung, Lehre und Verwaltung: Ihr müsst euer diversitätssensibles Verhalten trainieren.Die Mitarbeiter*innen der Universität sollen im Umgang mit Heterogenität fortlaufend kompetenter werden. Kompetenzbereiche sind dann Sensibilisierung für Unterschiede statt Herstellung von Gleichheit, Verständnis für fast alle und für jedwede Position, sofern sie nicht der Förderung von mehr Diversität zuwiderläuft. Die Kommunikation von Standards des wissenschaftlichen Umgangs untereinander wird sekundär. An manchen Universitäten sind „Diversity-Trainings“ inzwischen sogar Pflicht. Das Dispositiv der Diversität wirkt daher vor allem pädagogisch und sorgt auf der Ebene des Coachings und des Wissenschaftsmanagements für eine hohe Anzahl von administrativen Stellen, die selbstverständlich divers besetzt werden. Jaqueline GrelingerIch bin Hanna: Die absolute MetapherZunächst war Hanna Protagonistin eines kurzen Films. Sie tauchte zum ersten Mal 2021 in einem Video des seinerzeit von Anja Karliczek geleiteten Bundesforschungsministeriums (BMBF) auf. In diesem Video erklärt die Figur, dass Befristung und das Hangeln von einem Vertrag zum anderen super seien. Der wissenschaftliche Nachwuchs müsse flexibel sein, weil er einem dynamischen System diene: der Wissenschaft.Hanna sei auch, so das BMBF, eine Figur der Generationengerechtigkeit. Sie „verstopfe“ nicht die Karrierewege an der Universität unterhalb der Professur, wie in der Vergangenheit die bösen „Akademischen Räte“, jener Popanz der Wissenschaftspolitik, der immer wieder bemüht wird. Im Zuge der Proteste gegen die Figur etablierte sich auf Twitter die Gegenbewegung „Ich bin Hanna“. Der Protest hat sich vom Video verabschiedet und „Ich bin Hanna“ zu einer absoluten Metapher der neoliberalen Hochschulpolitik werden lassen.Die Metapher ist ein Trick unserer Sprache, dessen Pointe darin besteht, dass ein Wort oder eine Wortgruppe zunächst aus seinem oder ihrem Bedeutungszusammenhang gerissen wird, um dann in einem anderen Zusammenhang als Bild verwendet werden zu können. Der ursprüngliche Zusammenhang war die PR für eine mögliche Neuregelung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Es regelt, dass ein*e Wissenschaftler*in befristet angestellt werden kann. Wie lange aber befristet werden darf, wann die Entfristung am Horizont auftauchen muss, darüber wird auch seit dem zweiten Referentenentwurf vom Juni 2023 gestritten. Der Vorgang der Übertragung bestand also darin, aus der Heldenfigur eine Opferfigur der neoliberalen Hochschulpolitik werden zu lassen. In dieser Form fungiert Hanna als Bild, weil sie aus ihrem ursprünglichen Kontext der PR für ein Gesetz in die Gefilde der Kritik neoliberaler Hochschulpolitik übertragen wird.Und was wäre an dieser Metapher absolut? Mit dem Ausdruck „absolute Metapher“ versuchte der Philosoph Hans Blumenberg den Sachverhalt zu beschreiben, dass der bildliche Rest von Begriffen, mit denen komplexe Sachverhalte wie Wissenschaftspolitik beschrieben werden können, etwas leistet. Die absolute Metapher, schreibt Blumenberg, springt in eine „Leere ein, entwirft sich auf der tabula rasa des theoretisch Unerfüllbaren“. Sie beschreibt etwas, was begrifflich direkt nicht gesagt werden kann. Es geht bei der absoluten Metapher um eine „Substruktur des begrifflichen Denkens“.„Ich bin Hanna“ springt in die Leere der Wissenschaftspolitik ein, indem diese Bewegung aus einer Videofigur persönliche Geschichten werden lässt, die allesamt Leidensgeschichten sind: Entwurf einer alternativen PR mithilfe der Übertragung. Das „theoretisch Unerfüllbare“ ist das Versprechen sozialer Sicherheit und der Planbarkeit der Karriere im Wissenschaftsbetrieb. „Ich bin Hanna“ zeigt, dass den arbeitsrechtlich möglichen Befristungsorgien kein Menschenrecht auf Entfristung entgegengesetzt werden kann. MS
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