Ich bin Jüdin, ich sage das nicht gerne. Ich bin Jüdin, ich war an Yom Kippur nicht in der Synagoge, ich habe auch nicht gefastet, obwohl Juden das an Yom Kippur tun oder, wenn sie religiös sind, tun sollen, fasten. Ich bin Jüdin, ich sage das nicht gerne, nicht, weil ich Angst habe, das zu sagen, Angst vor Antisemitismus beispielsweise, sondern weil ich befürchte, dass das Thema ein zu groß wird: Die Jüdin. Ich bin Jüdin, ich lebe säkular, ich möchte das am Liebsten gar nicht erklären, aber da wir von Yom Kippur sprechen, da plötzlich so viele von Yom Kippur sprechen, die den Begriff bis gestern nicht kannten, muss ich das sagen, dass Yom Kippur, obwohl der höchste Feiertag im Judentum, nicht mein liebster ist. Ich bin Jüdin, ich sage das auch deshalb nicht so gerne, weil dieses Wort, seine weibliche Form, so selten verwendet wird in der deutschen Sprache, und selten ohne die Konnotation des Holocaust, ich bekomme diese Konnotation einfach nicht aus dem Kopf. Vorgestern war Yom Kippur, und morgens rief ich meine Mutter an, einfach so, um zu plaudern, sie nach ihrem Urlaub zu fragen, und sie winkte mich ab, sie müsse jetzt los, zum Gebet. Zu welchem, fragte ich, so eine Jüdin bin, und sie sagte, zu Yom Kippur, und ich antwortete, ach so, und schob, wie man das an Yom Kippur sagt, Gmar chatima tova, hinterher. Eine gute endgültige Besiegelung, heißt das, was auf den Glauben zurück zu führen ist, dass sich an Yom Kippur, zehn Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest, entscheidet, wer ins Buch des Lebens eingeschrieben wird.
Das Buch des Lebens, das ist, was diese unfassbare, bösartige Tat makaber macht. Vorgestern war Yom Kippur, und mittags trat ich aus einer Besprechung in den Regen, wischte über das Flugmodussymbol. Eine Freundin hatte geschrieben, und mein Kopf tat sich schwer, die Worte in einen gemeinsamen Zusammenhang zu bringen: Schießerei, Synagoge, Halle. Und mein Kopf baute sich eigene Zusammenhänge, die er eher bereit war, zu glauben, er machte aus Halle eine Turnhalle, eine Versammlungshalle, und verlegte die Handlung in ein anderes Land in die USA, und er weigerte sich zu glauben, dass hier, dass bei uns, dass in Deutschland, in dem Land, das, in dem Land, das nie wieder, und er weigerte sich so sehr, dass ich erst einmal da stehen blieb, obwohl es stark regnete und nichts tat, auch nicht versuchte, Nachrichten zu lesen und herauszufinden, was eigentlich, was genau.
Diese alte Frage
Vorgestern war Yom Kippur, und etwas hat sich verändert in diesem Land. Die Gewalt hat eine neue Fassbarkeit bekommt, sie ist greifbar, sie ist ekelerregend, sie ist erschreckend, und seien wir mal ehrlich, wir haben dabei zugesehen, wie sie auf uns zurollt. Wir wussten es, aber wir wollten nicht so Recht glauben vielleicht. Die Gewalt hat eine Angst mitgebracht, die existentiell erscheint, die etwas triggert, was auch nie wieder sein sollte, diese alte Frage, können Juden in Deutschland ... Diese Angst hat nichts mit dem Polizeischutz zu tun, und nichts mit der Frage, warum er an diesem Tag in Halle fehlte, sie geht weiter zurück, sie fragt, warum da Polizei hätte sein müssen, warum jüdische Einrichtungen geschützt sein müssen, sie fragt nach dem Hass. Die Angst ist ansteckend, weil die Tat zwar antisemitisch motiviert war, aber nicht nur. Die Tat basierte auf einem gewaltbereiten Hass, der sich gegen alles richtet, was anders ist, was frei denkt, was nicht blutsdeutsch ist auch. Da sind sie ja, diese alten Worte. Er richtet sich gegen Juden und Muslime, gegen jene, die anders glauben, aussehen, lieben, sich identifizieren, er richtet sich gegen die Demokratie. Ich bin Jüdin, und ich habe mich gegen die Vorstellung gesträubt, dass ich diesen Satz mal sagen würde. Ich habe Angst.
Kommentare 6
Guten Tag Lena Gorelik,
Fühlen Sie sich bitte verstanden, es ist sehr schwierig für das Unfassbare Worte des Trost zufinden, ich denke es gibt auch nichts womit sich Trost erklären lässt, am Ende bleiben nur die Trauer der Familien in Ihren Trauerhäusern.
In dem Film, die Spaziergängerin von Sans-Souci, gibt es eine Szene in Berlin in der Frau Hellwig die Frau des Rechtsanwalt aus dem Fenster schaut und zu dem ungläubigen französischen Gast sagt: da sehen sie alles sieht ganz normal und friedlich aus da draußen auf der Straße.
Bleiben Sie tapfer, Shabbat Shalom, Teffje
Liebe Lena Gorelik, ich bin keine Jude, habe aber fast ausschließlich jüdische Freunde - nicht weil es Juden (ja, oder Jüdinnen) sind, sondern weil es sich so ergeben hat. Es hätten, eine andere Wendung im leben vorausgesetzt, auch Mexikaner sein können. Auch ich habe erst einmal fassungslos dagestanden; später habe ich mich gefragt, ob ich "es" hätte kommen sehen müssen. Es sind ja nicht die ersten Menschen, die von Rechtsradikalen umgebracht werden. Mein bester Freund sagte mir ganz ruhig: "Was willst Du, es musste so kommen, die Zeichen standen am Himmel." Ich habe sie nicht gesehen, die Zeichen. Die Möglichkeit von Attentaten schon, klar - vom Weinachtsmarkt am Breitscheidplatz war ich nur wenige hundert Meter entfernt, als "es" passierte. Aber doch nicht auf eine Synagoge - und schon schäme ich mich wieder. Eben weil ich so gefühlt habe, nicht wirklich gedacht, Gott sei Dank; als wenn irgend etwas weniger schlimm gewesen wäre, wenn es eine Moschee getroffen hätte, oder irgendein Kulturzentrum, oder eben wieder einen Jahrmarkt. Es schien so absurd. Nichts ist mehr, wie es vorher war (außer manchen ehrlichen unter den sonst eher hohlen Bekundungen, vielleicht).
Jude, Jüdin, .. jüdisch?
Es ist unfassbar schwer, sich in diesem Zusammenhang zu äußern ohne zu provozieren oder jemandem zu nahe zu treten! Aber wenn ich ehrlich bin, war der erste Gedanke der mir beim lesen dieser Schlagzeile einfiel,
"Sie sind Jüdin - na und!?"!
Sie haben Angst, weil unschuldige Menschen auf der Straße starben und es im Zusammenhang mit religiösem Hass passierte. Und Sie sich damit persönlich angreifbar fühlen. Das ist so verständlich, wie es einen bedrückt und die Kehle trocknen lässt. Aber ist es richtig, jetzt den jüdischen Glauben als Ursache so zu plakatieren? Bietet es nicht automatisch Ausreden - Ausreden für alle die, die hier eigentlich verantwortlich sind? Führt es nicht vielleicht automatisch zur Abstraktion aber auch zur Abgrenzung bei uns allen, die eigentlich auch angegriffen wurden? Führt es nicht automatisch zu dem Denken, das in den Jahren nach dem Krieg und dem Holocuaust bis heute, aus Juden eben Juden macht und nicht Deutsche, Mitbürger, Menschen eben wie Du und Ich!
Für mich sind Sie vor allem erstmal Teil unserer Gesellschaft! NIEMAND, nicht nur Sie als Jüdin, sollte in diesem Land Angst vor religiöser oder politischer Verfolgung haben müssen! Wenn man das GG ansatzweise kennt, verwundert es sehr, dass das nicht selbstverständlich zu sein scheint! Denn da steht es genauso drin! Mich hat auch Herr Wulff damlas verwundert, der den deutschen erst erklären musste, dass der Islam zu Deutschland gehört! Und nochmehr das folgende mediale Lob. Für mich versteht sich das doch von selbst, ich hab das GG in der Schule gelesen! .. Allein das Verständnis und die Akzeptanz dafür, dass ein Bundespräsident in Deutschland Bürger darüber aufklären muss, was im Grundgesetz steht und was eigentlich für JEDEN Deutschen selbstverständlich sein müsste, sind schon eine Schande und eine Beleidigung für das Grundgesetzes und jeden Bürger der es in Ehren hält an sich! Eine zugegeben wohl ungewollte - aber letzlich eine Entwertung! Und eine ungewollte Entschuldigung für jeden, der sich nicht daran hält oder glaubt sich nicht daran halten zu müssen!
Warum reden wir jetzt über den jüdischen Glauben? Und nicht über diesen Mann, über seine Hintermänner, darüber wie er an die Waffen kam, darüber wer Ihm geholfen hat, darüber dass das Eingreifen der Polizei hilfreich aber eben doch zunächst mangelhaft war. Ich frage mich auch, warum diese Radikalität von keinem in seinem Umfeld bemerkt und gemeldet wurde!?
Die Fragen sollten sein: Wie kann der Mann gerecht aber ausreichend bestraft werden? (Hoffentlich kommt der nie wieder frei! Das ist ja noch nicht klar!) Sollten nicht auch die, die Ihm wissentlich geholfen haben gesucht und hart bestraft werden? Kann die deutsche Justiz aufgrund Ihrer liberalen Ausrichtung und die hiesige Polizei das eigentlich noch, - die Bürger dieses Landes vor Gewalt und Hass schützen? Und was kann ein jeder von uns gegen diese zunehmende Gewalt tun und wie!? Ihre Religion sollte dabei das letzte sein, worüber wir uns alle Gedanken machen!
Weil es selbstverständlich ist! (Ich glaube ich spreche hier für die Mehrheit der Bundesbürger!)
PS: Ja ehrlich gesagt, ich fand das GG als Schüler auch unspannend geschrieben! Aber seine Bedeutung für diese Gesellschaft ist mir trotzdem klar geworden und vergessen habe ich es trotzdem nicht! Und genau darüber und nicht über tausendfach geheuchelte Anteilnahme, sollten wir Deutsche jetzt reden .. .. ..!
"Ihre Religion sollte dabei das letzte sein, worüber wir uns alle Gedanken machen!"
Haben Sie den Text von Lena Gorelik wirklich genau gelesen (in Bezug zu Ihrer zitierten Aussage vor allem den Anfang und den Schluss) und versucht zu verstehen, was Sie auszudrücken versucht?Der Hass, die Aggressionen richten sich (fast immer) gegen "das (vermeintlich) Andere", den Fremden, der scheinbaren Bedrohung. Das können "der Jude", der "Neger", der Obdachlose, ein "Vaterlandsloser Lübcke- Geselle", der Schwule, der Migrant, missliebige Politiker oder eben und sogar auch (wie in Halle) im Moment der Tat unkategorierte/zufällige "Ersatz-Opfer" sein.
Und btw., es ist schon anmassend, geschichtsvergessend und (in Anbetracht des eigentlichen Anschlags-Ziels)) infam, einer sich selbst als säkular bezeichnenden Jüdin und verängstigten Frau erklären zu wollen, dass es nicht um Religion und Glauben geht.
Der Antisemitsmus ist in anderen EU Staaten viel schlimmer als in Deutschland. Also ich kann diese derzeitige Hysterie nicht verstehen. Selbst in Frabnkreich gab es in den letzten Jahren viel mehr Anschläge auf jüdische Einrichtungen als in Deutschland.
Dei Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Staaten wie Schweden, Frankreich oder Belgien wurden in den letzten jahren in den allermeisten Fällen von Muslimen begangen, und nicht von den Rechtsextremisten!
https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/hass-im-norden/
Schweden 2010. Muslime vertreiben Juden mit brutaler Gewalt aus der schwedischen Stadt Malmö
https://www.welt.de/politik/ausland/article9382767/Das-schwedische-Malmoe-vertreibt-seine-Juden.html
Mir macht die Glorifizierung der Waffen-SS in Baltischen Staaten und in Osteuropa viel mehr Angst, als dieser Anschlag in Halle. Aber darüber verliert unsere Regierung kein Wort, denn unsere Mainstream Politik hatten ja bekanntlich 2014 in der Ukraine auf dem Maidan viele Neonazis, die mit der NPD eng verbandelt sind, ganz offen unterstützt. Darunter auch zahlreiche CDU-Politiker. Deshalb steht die Mainstream Presse klar hinter den Altparteien. Die AFD Politiker waren nei der Unterstützung der Neonazis in der Ukraine auf dem Maidan nicht beteiligt!
Lettlands Verteidigungsminister verehrt Waffen SS Verbände
https://de.sputniknews.com/politik/20190928325786820-lettlands-verteidigungsminister-ehrt-lettische-ss-verbaende/
Waffen-SS-Marsch in Lettland. Die EU schaut nur weg .Schließlich sind nur Russland,Putin, Faschos wie Front National und ISIS die Feinde Europas und der NATO.
http://www.rtdeutsch.com/14468/international/marsch-zu-ehren-der-lettischen-waffen-ss-soldaten-in-riga/
http://www.taz.de/!89005/
EU wird zur Hochburg für Faschisten. Merkel schweigt.Vielleicht ist das der Grund, warum die EU-Eliten die Ukraine mit ihrem Faschisten-Regime (Bandera-Faschisten) in die EU aufnehmen wollen.
https://julianichim.wordpress.com/2013/08/26/european-union-u-s-and-canada-remain-silent-about-estonian-glorification-of-nazi-collaboration/
Estland feiert Waffen-SS- Veteranen und den SS-Marsch
https://ruptly.tv/en/videos/20140726-026
Waffen-SS- Vetaranen werden in Baltikum als Helden gefeiert. Die EU schaut weg, weil laut Martin Schulz Merkel und Herrn Gabriel nur Rechtspopulisten die wahren Feinde Europas sind
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/21/die-eu-schaut-weg-im-baltikum-werden-ss-veteranen-als-helden-gefeiert/
Kroatiens Rechte Revisionisten forcieren Relativierung der faschistischen Ustascha Verbrechen im 2. Weltkrieg. Regierungsmitglieder einer Mitte-Rechts Regierung von Kroatien nehmen an einer Gedenkveranstaltungen für NS-Kollaborateure teil.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59366
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59366