Ein sachdienlicher  Nachtrag

Frankreich Laut Emmanuel Macron gibt es keine französische Afrika-Politik mehr. Dass es sie jedoch gegeben hat, davon schweigt er. Darum hier eine Erinnerung
Emmanuel Macron in Burkina Faso
Emmanuel Macron in Burkina Faso

Foto: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Anlässlich des Afrika-EU Gipfels hielt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron am 29. November an der Universität in Ouagadougou in Burkina Faso eine zweistündige Rede. Gleich im dritten Satz kündigte er eine Revolution an: „Ich bin nicht gekommen, um Ihnen die französische Afrika-Politik darzulegen, wie manche behaupten. Weil es eine französische Afrika-Politik nicht mehr gibt!“ Es gab sie lange, aber davon schwieg Macron. Deshalb hier im Folgenden ein sachdienlicher Nachtrag.

Nach der Kapitulation im Juni 1940 floh der Brigadegeneral Charles de Gaulle nach London und rief zum Widerstand auf. Er kontrollierte keinen einzigen Quadratmeter Land. Die Rettung kam aus Afrika. Am 26. August 1940 erklärte der erste schwarze Gouverneur Félix Éboué in Fort Lamy – seit 1973 N’Djamena, Hauptstadt des Tschad – seine Solidarität mit de Gaulle. Bis 1943 stellten sich fast alle Gouverneure der Kolonien hinter de Gaulle. Vom 30. Januar bis 8. Februar 1944 begrüßte dieser 20 Gouverneure zu Beratungen, deren Ergebnisse in die „Deklaration von Brazzaville“ eingingen. So begann eine andauerndeAmbiguität französischer Afrika-Politik. Sinnfälligster Ausdruck war der Begriff „Mutterland“, den Charles de Gaulle benutzte und der ein Herrschaftsgefälle von der Mutter zum Kind anzeigt.

Nach der französischen Verfassungvom 13.10.1946 erhielten 24 Vertreter der Kolonien Sitz und Stimme in der Nationalversammlung. Die in der Verfassung vorgesehene „Union Française“ – eine VerbindungFrankreichs mit den Kolonien, die formal auf der „Gleichheit der Rechte und Pflichten ohne Unterschied der Rasse oder Religion“ beruhte –, blieb substanzlos. Im Artikel 86 der Verfassung der V. Republikvom 28.9.1958 wurde aus der „Union Française“ die „Communauté Française“, die man 1959 in„Communauté“ umbenannte.

Für die „besonderen Beziehungen“ Frankreichs zu den nach 1960 unabhängig gewordenen Kolonien bürgerten sich die Wörter „Françafrique“bzw. „Mafiafrique“ ein. Die jetzt formal souveränen Ex-Kolonien wurden zum „privilegierten Jagdgrund“ (Pierre Péan) der französischen Eliten – unter allen Präsidenten von Charles de Gaulle bis zu François Hollande Hollande. Ob Emmanuel Macrons Rede nur eine Nebelgranate zündete oder eine Wende einleitete, wird sich erweisen.

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