Welche Filme möchte das Publikum im Kino sehen: einen französischen crowd-pleaser, eine britische Komödie oder ein Drama aus Rumänien? Oder eine deutsche Beziehungskomödie? Auf der Berlinale suchen die Einkäufer nach filmischen Perlen und potenziellen Hits. Doch die Zeiten, in denen Dauerbrenner wie Diva (1981) oder Local Hero (1983) monatelang in den Programmkinos liefen, sind vorbei. Heute beträgt die Halbwertszeit eines Arthouse-Films oft nur wenige Tage. Favoriten, für die Festivalbesucher Schlange stehen, werden bei Kinostart kaum zur Kenntnis genommen.
Der Grund: Es kommen zu viele Filme ins Kino. Bei mittlerweile bis zu 19 Starts pro Woche verlieren Kinobetreiber, Presse und Publikum den Überblick. Zahlreiche Produktionen werden schnell wieder abgesetzt, da zu wenig Besucher kommen. Laut einer Statistik der Filmförderungsanstalt (FFA) hat sich die Zahl der deutschen Starts im Kino zwischen 2003 und 2013 von 107 auf 223 verdoppelt, während sich die Summe der Besucher pro Film von 415.000 auf 229.000 fast halbiert hat.
Schuld daran ist der Erfolg des Deutschen FilmFörderFonds (DFFF), der nicht nur Berlinale-Beiträge wie Als wir träumten von Andreas Dresen, Every Thing Will Be Fine von Wim Wenders oder Elser von Oliver Hirschbiegel unterstützt, sondern auch kleine Filme mit geringem Kinopotenzial. Die Produzenten können die Gelder nur in Anspruch nehmen, wenn ein Verleih sich vertraglich verpflichtet, einen Spielfilm mit mindestens 45 Kopien (20 Kopien für Filme mit weniger als 320.000 Euro Förderung) ins Kino zu bringen. Die Folge: Immer mehr Filme kämpfen um die Plätze im Kino, die ihnen Zuschauer bescheren. Der wirtschaftliche Schaden, der durch diese Förderpolitik in der Filmbranche entsteht, ist immens.
„Früher war die Kinoauswertung zwar ein riskantes, aber lohnenswertes und sogar nachhaltiges Geschäft“, sagt Ludwig Ammann, der den unabhängigen Verleih Kool Filmdistribution betreibt. „Wir haben pro Filmkopie 1.000 bis 2.000 Besucher verbucht.“ Der Wert hat sich heute halbiert. „Zunächst glaubten wir, auf den falschen Film gesetzt oder zu viel dafür bezahlt zu haben. Aber inzwischen haben wir realisiert, dass sich der ganze Markt verändert hat. Filme, die früher 40.000 bis 80.000 Kinozuschauer anlockten, dümpeln heute zwischen 15.000 und 30.000 Besuchern. Das reicht kaum, um eine gute Synchronisation zu bezahlen.“
Der fünffache europäische Filmpreis-Gewinner Ida, der auf der Oscar-Shortlist steht, hat in Deutschland nur 21.000 Besucher in die Kinos gezogen. „In Frankreich sind für Ida über 600.000 Kinokarten verkauft worden“, sagt Egon Nieser vom Arsenal Filmverleih.
„Während wir mit 50 oder mitunter sogar 100 Prozent unseres eigenen Geldes ins Risiko gehen, verdienen die Produzenten selbst dann Geld, wenn ihr Film floppt“, konstatiert Ludwig Amman. Die drohende Kürzung des DFFF von 60 auf 50 Millionen Euro im letzten Jahr sorgte für entsprechenden Auftrieb (Freitag 48/2014). „Die Überflutung des Kinomarktes hat einen hohen Preis, den die Verleiher zahlen müssen.“
Auch Michael Höfner, der in Berlin GMfilms betreibt, frustriert es, dass ein Produzent einen Film gewinnbringend produzieren kann, ohne dabei so ins Risiko zu gehen wie die Verleiher. „Die einseitigen Bemühungen, die Produktion zu fördern, werden fatal enden“, sagt er mit Blick auf die bevorstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes.
Kommentare 2
Es braucht dringend neue Filmproduktionsstrukturen in Deutschland!
Wie immer sind die Beiträge über das Filmfördersystem in Deutschland immer nur so gut, wie sich Journalisten umfassend informiert haben und nicht nur mit einem player im schwierigen Zusammenspiel Kino-Verleih-Produktion gesprochen haben.
1. "Laut einer Statistik der Filmförderungsanstalt (FFA) hat sich die Zahl der deutschen Starts im Kino zwischen 2003 und 2013 von 107 auf 223 verdoppelt, während sich die Summe der Besucher pro Film von 415.000 auf 229.000 fast halbiert hat." Das stimmt, die Erhöhung der Anzahl der Filme fand aber zwischen 2003 und 2008 statt, seit 2009 ist die Anzahl (schwankend) konstant. Den DFFF gibt es seit 2007, ist also nicht DER GRUND für diese Entwicklung.
2. "DFFF ist nicht nur für große Filme, sondern auch für kleine Filme mit geringem Kinopotenzial. Die Produzenten können die Gelder nur in Anspruch nehmen, wenn ein Verleih sich vertraglich verpflichtet, einen Spielfilm mit mindestens 45 Kopien (20 Kopien für Filme mit weniger als 320.000 Euro Förderung) ins Kino zu bringen. Die Folge: Immer mehr Filme kämpfen um die Plätze im Kino, die ihnen Zuschauer bescheren. Der wirtschaftliche Schaden, der durch diese Förderpolitik in der Filmbranche entsteht, ist immens." Niemand zwingt die Verleiher, Filme ins Kino zu bringen oder Kinos, diese zu spielen. Warum sie es tun, ist ganz einfach: Es wird in der Summe immer noch mit allen Filmen im Kino und beim Verleih Geld verdient. Man kann mit einem breiteren Portfolio das Risiko als Verleiher und Kino streuen, Kosten verschieben (gut für die Abrechnung gegenüber Produzenten) und kommt im Gegensatz zu den Produzenten auf seine Kosten.
3. „Während wir mit 50 oder mitunter sogar 100 Prozent unseres eigenen Geldes ins Risiko gehen, verdienen die Produzenten selbst dann Geld, wenn ihr Film floppt“ Die Produzenten verdienen 2-2,5% producer's fee und erhalten für die Firma 7,5% HU's, müssen aber gegenüber den Förderungen 5% Eigenmittel aufzeigen. Das heisst, die Marge liegt bei max. 5%, mit der das gesamte Herstellungsrisiko abgedeckt wird und in der Regel bleibt das der einzige Gewinn. So leben die Produzenten schlecht aus der Produktion des einzelnen Films und produzieren lieber doppelt soviel, um auf einen Deckungsbeitrag für ihre Firmen zu kommen, während die Kinos 50% vom ersten Ticket an bekommen und über "concessions" (Süssigkeiten, Getränke) weitere Einnahmen haben. Die Verleiher nehmen von den verbleibenden 50% vom ersten Ticket an 35% als Honorar, von den übrigbleibenden 65% (der verbleibenden 50% der Kinotickets) werden die Herausbringungskosten und ggf. Finanzierungsbeiträge der Verleiher zurückgezahlt, bevor der Produzent aus dem Kinoerlös etwas sieht. Das heisst, der Produzent hat in der Regel nichts von der Auswertung, kann aber besser überleben, wenn er mehr produziert.
Da die TV-Beiträge in deutsche Kinofilme und auch die Gesamtförderung in Deutschland in den letzten 20 Jahren eher stagniert, bzw. fällt, werden die Margen kleiner, der Druck mehr zu produzieren wächst. Ein Teufelskreis, der nichts mit dem DFFF aber mit den "terms of trade" und der Unterkapitalisierung der deutschen Produzenten zu tun hat. Die Fernsehanstalten gehen meist vorab in die Filme, wodurch das größte asset für einen deutschen Kinofilm - der TV-Lizenzverkauf - wegfällt. Aber auch für die Verleiher wird es eng, das stimmt. Mit dem Wegbrechen der DVD-Erlöse, die bisher die größte Garantie darstellten, die Herausbringungkosten wieder einzuspielen, steht das gesamte Geschäftsmodell zur Disposition. Neben den 5-6 "so-wie-so Erfolgen" (Komödien) wird es komplizierter und schwieriger werden, in die Kinos zu kommen, bzw. die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu bekommen. Es wird im deutschen Kino darum gehen, die Standorte zu halten, sie besser lokal zu positionieren und für die unterschiedlichen deutschen Kinofilme werden unterschiedliche Geschäftsmodelle entstehen: day-and day release (parallel Kino/VOD), direkte B2B Modelle zwischen Produzenten und Verleihern, Vernetzungen zwischen Kinos etc. etc.