Breitbandausbau Die Ampel wollte beim Ausbau von Glasfaserkabeln vorankommen und nahm dafür viel Geld in die Hand. Jetzt bremsen nicht nur die Kommunen den Fortschritt: Auch die Baubranche scheint mit der alten Technik zufriedener zu sein
Die Ummantelungskabel gibt es nicht nur in Orange, Pink oder Schwarz! Und dann erst die nötigen Maschinen, etwa der „Horizontalspülbohrer“...
Foto: Jan Huebner/Imago Images
An vielen Stellen in Deutschland sah man sie in den vergangenen Monaten: Bautrupps, die Gehwege öffnen, Gräben ziehen und orange, pinke oder schwarze Ummantelungskabel verlegen. Hauchdünne Glasfaser soll da rein, verschweißt mit viel Fingerspitzengefühl und Spezialwerkzeug. Aber worum geht es eigentlich beim Glasfaserausbau? Darum: Daten sollen mit Lichtgeschwindigkeit über Glasfaserkabel transportiert werden. Doch in Deutschland herrscht seit Jahren vor allem eines beim schnellen Internet: Nichtgeschwindigkeit. Nun will die Bundesregierung auf dem digitalen Feld aufholen. Doch es stockt gewaltig. Und das hat vor allem politische Gründe.
Vor über drei Jahrzehnten wurde noch unter Helmut Kohl die Entscheidung getroffen, auf Kupferleitungen statt auf Gl
att auf Glasfaser zu setzen. Experimente mit Glasfaser gab es im Osten des Landes nach 1990, doch teils wurde selbst dies dann zugunsten von Kupferleitungen zurückgebaut. Zusammen mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und der Privatisierung der größten Infrastrukturbetreiber in diesem Bereich war der Druck auf die Unternehmen gewaltig: Börsengerechte Renditeerwartungen, wechselwillige Kunden und die aufziehende Digitalisierung sorgten dafür, dass innerhalb der veralteten Technik alle Möglichkeiten ausgenutzt wurden. Immer wieder fanden sich neue Wege, wie noch etwas mehr Geschwindigkeit und Datenübertragungsvolumen aus den Kupferkabeln herausgepresst werden konnte: Auf DSL folgte VDSL, das Kabelfernsehnetz wurde zum Internetanschluss mit Fernsehoption aufgewertet.Netflix frisst vielDass aber um Glasfaser dauerhaft kein Weg vorbeiführt, steht seit Jahren fest: Ein Gigabit pro Sekunde sind mit der Technologie problemlos möglich. Theoretisch reicht das, um 40 Netflix-Streams in Ultra HD gleichzeitig zu schauen. Und Video ist das, was den Hauptverkehr erzeugt: IP-Fernsehen und Videokonferenzen haben in der Corona-Pandemie gezeigt, wie schnell auch großzügig bemessene Anschlüsse an ihre Grenzen kommen. Wenn Homeschooling, Arbeitsmeeting und Unterhaltungsprogramm parallel durch die Leitung müssen, wird es irgendwann ruckelig. 256 Gigabyte Datenvolumen jagen Durchschnittsdeutsche monatlich durch ihre Breitbandanschlüsse, schätzt der Breitbandverband Breko. Tendenz stark steigend: Der Verband rechnet mit 811 Gigabyte Volumen im Jahr 2025. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren, 2017, waren es noch 98 Gigabyte Datenvolumen. Dieser Datenhunger braucht Bandbreite.Unter diesem Eindruck beschlossen die Koalitionäre der Ampel im November 2021, dass mehr geschehen muss: „Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser (Fiber-to-the-Home)“, heißt es auf Seite acht des Koalitionsvertrages. Fiber-to-the- Home meint: Glasfaser bis hinein in die Wohnungen.50 Prozent der deutschen Haushalte sollen bis 2025 die Möglichkeit zu Glasfaseranschlüssen haben, kündigte Digitalminister Volker Wissing (FDP) an. 2030 sollen es alle sein. Und dieses Ziel darf etwas kosten. Auch den Steuerzahler. Allein drei Milliarden Euro standen für 2022 aus dem Topf der Bundesregierung zur Verfügung. Auch 2023 wird die Summe vergleichbar sein. Warum sind die Ziele der Ampel trotzdem mehr Science-Ficition als Realität?Ingesamt 12,85 Milliarden Euro stellt der Bund für die Unterstützung des Breitbandausbaus zur Verfügung. Klingt viel? Bislang wurden gerade einmal 2,7 Milliarden Euro davon ausgezahlt. Ein Milliardenrückstau türmt sich auf – und wächst mit jedem Jahr weiter.Dabei ist das nur etwa die Hälfte der gigantischen Fördersummen, die im deutschen Breitbandausbau verbuddelt werden: Der Bund gibt im Regelfall die Hälfte dazu, der Rest kommt von Ländern und Kommunen. Insgesamt sind weit über 20 Milliarden Euro im Spiel. Die Gelder sollen dort für Breitbandausbau sorgen, wo es sich für Unternehmen nicht lohnen würde.Die Privaten sind mit noch größeren Summen im Spiel: Allein die Deutsche Telekom beziffert ihre Investitionen ins Glasfasernetz mit mehr als sechs Milliarden Euro – pro Jahr! Und deren Wettbewerber geben noch mehr aus: 6,5 Milliarden Euro sollen es 2021 gewesen sein.Doch wer mit den Glasfaseranbietern spricht, stößt schnell auf ein eigenwilliges Problem. „Es wird jedenfalls am Geld nicht mehr scheitern“, sagt Norbert Westfal vom Breitbandverband Breko. Doch Geld allein baue keine Leitungen. „Fördermittel machen den Ausbau nicht schneller“, sagt auch eine Sprecherin der Deutschen Telekom. Die Branche hat die Ursachen des gemächlichen Vorankommens woanders ausgemacht: bei den Planungsprozessen, welche meist viele Jahre benötigen.Ein weiteres Problem ist die konservative deutsche Baubranche. Diese investiert nicht ausreichend in neue und teure Gerätschaften, die notwendig sind, um die Digitalisierung voranzutreiben: Maschinen etwa, die einen 40 bis 60 cm tiefen Schlitz in die Straßen fräsen, um dort Glasfaserkabel hineinzulegen. Oder sogenannte Erdraketen, die einen Tunnel für Rohre unter der Oberfläche hindurchbohren, ohne dass diese großflächig geöffnet werden muss. Es gibt auch „Horizontalspülbohrer“, welche die Erde so löchern, dass unterirdische Leitungen verlegt werden können, ohne dass dafür ein Graben ausgehoben werden muss. Doch die Kommunen sehen solche Verfahren nicht gern.Woher kommt die Skepsis? Weil mit solchen „mindertiefen Verlegetechniken“ das wohlgeplante deutsche Erdreich im Straßenland durcheinandergebracht wird. Hierzulande gibt es für alles einen vorgesehenen Platz und eine vorgesehene Tiefe: Abwasserrohre kommen unter die Fahrbahn, Strom und Gas für die Hausversorgung unter den Bürgersteig. Beim Glasfaserausbau soll nun plötzlich vieles lockerer gesehen werden? Das ruft schnell andere Branchen auf den Plan, die im deutschen Erdreich buddeln: Schafft mal bei uns auch bürokratische Hürden ab!Die Bedenken von Städten und Gemeinden: Wenn Straßen, Fahrradwege und Bürgersteige mithilfe modernster Technik aufgefräst, unterbohrt oder unterspült werden, wer haftet dann für mögliche Schäden? „Niemand will sich seine Straße zerstören lassen und dann auf den Schäden sitzenbleiben, weil der Nachweis eines Fremdverschuldens nicht erbracht werden kann“, erklärt Alexander Handschuh, der Sprecher des Städte- und Gemeindebundes. Er fordert: Der Bund soll für mögliche Schäden haften! Tatsächlich wird diese Möglichkeit vom Digitalministerium geprüft. Parallel soll eine neue DIN-Norm für Frieden sorgen: Mit ihr soll besser geregelt werden, wie im öffentlichen Straßenland die Glasfaser verbuddelt werden darf.Es könnte sich also etwas tun in den kommenden Jahren beim Glasfaserausbau. Wenn da nicht ein relevanter Schönheitsfehler für Ärger sorgen würde.Vermieter wittern ProfitquelleEin Problem kennen Reisende zur Genüge: Ein Zimmer mit Meerblick ist noch lange kein Zimmer am Meer – etwa, wenn dazwischen noch eine Autobahn verläuft. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem vordergründig ambitioniert wirkenden Ausbauziel der Bundesregierung für die Glasfaserversorgung. Denn der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, hat als Ziel ausgegeben: 50 Prozent der Häuser in Deutschland sollen an Glasfaser anschließbar sein. Und das bedeutet: Die Glasfaserkabel sollen vor den Grundstücken liegen. Aber wie werden sie nutzbar?Bei Einfamilienhausbesitzern müssen sich nur Telekommunikationsanbieter und Kunde einig und der Anschluss ins Haus gelegt werden. Bei Mehrfamilienhäusern ist das komplexer: Die Verkabelung in den Häusern muss möglich sein und die Anschlüsse für Endnutzer bereitgestellt werden. Oft aber wurden Leitungen im Haus von Fernsehkabelanbietern verlegt – Kosten, die später die Mieter per Umlage bezahlen. Einige große Wohnungsunternehmen überlegen bereits, die letzten Meter auf eigene Kosten zu bauen – um auch auf diesem Weg noch etwas mehr Geld von den Mietern verlangen zu können.Dieses Problempotpourri sorgt für Verzögerungen, bis Glasfaser tatsächlich wie im Koalitionsvertrag beschrieben für alle nutzbar wird. Vorher kommt noch mindestens eine neue Regierung. Die Zahl der Bautrupps, die Bürgersteige öffnen, und der Techniker, die an ihren Spleißtischen die losen Enden der Glasfaser verbinden, wird in den kommenden Monaten dennoch sichtbar ansteigen: Das viele Geld muss schließlich in die Erde gebracht werden.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.