Trau nur noch deiner Spülmaschine

Überwachung „Echo“ kann Fragen beantworten und Einkaufslisten notieren. Dafür hat er sieben Mikrofone installiert, die an Amazon übermitteln, was im Haus so vor sich geht
Ausgabe 46/2014

Was es mit Amazons neuem Produkt Echo auf sich hat, ist nicht leicht zu erklären. Dass es höllisch gruselig ist, darin sind sich alle einig. Aber was genau steckt dahinter? Echo ist ein 20 Zentimeter hoher schwarzer Zylinder, der schon bald bei Ihnen zu Hause stehen und alles mithören wird. Genau das werden Sie wollen, glaubt das Amazon-Marketing. Denn der Zylinder kann Fragen beantworten wie „Wer ist Abraham Lincoln?“, er kann Eiscreme zu Ihrer Einkaufsliste hinzufügen oder Ihnen ein Lied von Taylor Swift vorspielen. Damit er auf Ihre Anweisungen reagiert, müssen Sie nur das Wort „Alexa“ aussprechen.

Der Apparat erinnert an Apples Sprachassistenten Siri, nur eben hochgerüstet für das ganze Haus. Hinter dem kleinen Gehäuse verbergen sich zwei Lautsprecher und sieben Mikrofone. Beeindruckende Technik also. Doch wer sich an einem rund um die Uhr eingeschalteten, WLAN-fähigen Lauschobelisken erfreuen kann, wird im unausweichlichen Cyberkrieg des 22. Jahrhunderts zu den ersten Opfern zählen. Und damit sind wir noch nicht einmal bei Amazons Werbeargument angelangt, dass das Ding „immer klüger“ werde. Fing es damit nicht auch bei Terminator an?

Wiegen Sie sich aber bloß nicht in falscher Sicherheit, nur weil Sie Echo aus Ihrer Wohnung fernhalten. Die gleiche Abhörtechnik ist schon in einigen Smartphones am Werk, vom iPhone bis zu den neuen Android-Geräten von Google und Motorola; wobei sie dort nur arbeitet, wenn man sie eigens eingeschaltet hat. Doch auch Gegenstände, die Sie nicht mit dem Ziel kaufen, einem Technologiekonzern jedes Ihrer Worte zugänglich zu machen, spitzeln mittlerweile herum.

Etwa Ihr Fernsehapparat. Noch vor zehn Jahren handelte es sich um ein Gerät, das Sendungen in Ihr Wohnzimmer übertrug, aber nicht umgekehrt. Die Idee eines Zwei-Richtungen-Fernsehers schien George Orwells 1984 entsprungen. Heute jedoch haben wir „Smart-TVs“, auf denen wir, ohne Zusatzgerät, zeitversetzt fernsehen und auch Youtube-Videos empfangen oder auf Facebook zugreifen können. Und natürlich können diese Smart-TVs auch Daten über uns sammeln und an ihre Hersteller schicken.

Vergangenes Jahr zu Weihnachten enthüllte der britische Sicherheitsforscher Jason Huntley, dass Fernseher der koreanischen Marke LG nicht nur weiterleiteten, was auf ihnen angesehen wurde, sondern ebenso die Dateinamen von jedem USB-Stick, den man ihnen einschob. Gut versteckt in einer Einstellungsliste fand Huntley die Funktion „Sammlung von Seh-Info“, die ab Werk auf „Ein“ geschaltet war. Doch auch als er sie ausgestellt hatte, verschickte das Gerät weiter Daten.

Die Firma LG entschuldigte sich und gab ein Programm heraus, mit dem sich betroffene Apparate reparieren ließen. Die neue Generation ist aber kaum besser: Nun erscheint, während man sich Sendungen ansieht, Pop-up-Werbung auf dem Schirm, und wieder ist unklar, wie sie sich abschalten lässt.

Die Liste der Gegenstände, die Sie nicht ausspionieren, schrumpft täglich. Sie beschränkt sich mittlerweile auf Toaster und Spülmaschine – wobei ich schon Ankündigungen für den „Smart Toaster“ gesehen habe. Vielleicht ist es an der Zeit, aufzugeben. Alexa? Sag Amazon, ich kapituliere.

Alex Hern ist Reporter im Technikressort des Guardian

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