Von Katzen und Aktien

Das eine Prozent Über die wunderbare Welt der Wall Street
Ausgabe 39/2014

Amerikaner besitzen deutlich mehr Katzen als Aktien. Angeblich befindet sich statistisch gesehen in fast jedem dritten US-Haushalt eine Katze. Doch weniger als 14 Prozent kaufen Wertpapiere. Vor rund zehn Jahren waren das noch über 21 Prozent (Haushalte mit Aktien, nicht Katzen). Diese Statistik hat CNN, sonst eher für Katastrophen-TV bekannt, kürzlich ausgegraben. Der Katzen-vs.-Aktien-Vergleich ist sehr hilfreich, wenn man verstehen will, wem die Geldpolitik der US-Notenbank wirklich diente. Nach dem Kollaps von 2008 begann die Fed mit Milliarden Aufkäufen von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren. Eine Maßnahme, im Bankerjargon Quantitative Easing (QE)genannt, die helfen sollte, Geld in die Finanzmärkte und schließlich in die breitere Wirtschaft zu pumpen. Ein Programm, das dem kleinen Mann auf der Straße helfen soll, wie die neue Fed-Chefin Janet Yellen nicht müde wird zu betonen. Um zu belegen, wie ernst es ihr damit ist, stellte sie bei einer ihrer Pressekonferenzen vor kurzem sogar drei Dauerarbeitslose vor. Fachleute streiten sich allerdings, ob QE diese belebende Wirkung auf die Wirtschaft überhaupt entfalten kann. Viele Argumente laufen auf die Behauptung hinaus, ohne die Geldflut wäre alles noch schlimmer gekommen. Es ist nun aber nicht so, dass QE kein Resultat gehabt hätte. Und hier kommen die Katzen ins Spiel. Um von QE richtig profitieren zu können, muss man Vermögen haben. Die Notenbank kauft Schuldenpapiere, das verschafft den Verkäufern dieser Wertpapiere Cash. Wenn sie den nicht unter die Matratze stopfen, legen sie das Geld in anderen Werten an – unter anderem in Aktien. Die gestiegene Nachfrage treibt die Aktienmärkte. Das ist erfreulich für Leute, die Aktien haben. Das sind aber – siehe Katzenstatistik – immer weniger. Heute besitzen 16 000 US-Familien rund sechs Billionen Dollar an Vermögen – so viel wie zwei Drittel der amerikanischen Bevölkerung zusammen. QE hat dazu beigetragen, Verhältnisse wie in den goldenen 20er Jahren herzustellen – zugunsten der Ultrareichen.

Jens Korte lebt in New York und berichtet vor allem aus dem Epizentrum der Finanzwelt

Jetzt will EZB-Präsident Mario Draghi QE in Europa ausprobieren. Vielleicht weil ihm sonst nichts mehr einfällt. Wahrscheinlich mürbe durch die Finanzmarktvertreter, die ihm damit seit Jahren in den Ohren liegen. Die offizielle Variante lautet: Ein durch das QE geschwächter Euro soll den leidenden Volkswirtschaften der Peripherie endlich zum Aufschwung verhelfen. In London und New York herrscht seit Draghis Ankündigung jedenfalls große Erleichterung. Die Party kann weitergehen! Die positive Stimmung an den Märkten breite sich nach Europa aus, schrieben die Analysten der Barclays-Bank, „angesichts der Aussicht, dass die Unterstützung der Zentralbanken bestehen bleibt“. Die angelsächsischen Marktteilnehmer wollten QE in Europa sehen, egal welche langfristigen Folgen die Maßnahme haben würde, seufzt im Gespräch ein deutscher Fondsmanager, der in der Londoner City als einsamer QE-Gegner ausharrt. Eines steht jedenfalls schon fest: Die Zahl der aktiven Investoren in Deutschland liegt bei etwa fünf Prozent, der Anteil der Haushalte mit Katze bei 17 Prozent.

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