Philipp Rösler zählt nicht zu den Movers und Shakers unserer Zeit. Man hört nichts mehr von dem ehemaligen Vorsitzenden der FDP. Doch verdankt man ihm ein strategisches Gleichnis von allgemeiner Bedeutung: Setze man einen Frosch in heißes Wasser, so Rösler 2011 in einer Rede, hüpfe dieser sogleich heraus. „Wenn Sie aber einen Frosch in kaltes Wasser setzen und dann langsam die Temperatur erhöhen, wird er zuerst nichts merken und nichts machen, und wenn er etwas merkt, dann ist es zu spät für den Frosch.“
Diese Tierquäl-Fabel ist ziemlich eklig. Doch sollte an ihren ersten Teil denken, wer auf jene politische, ökonomische und gesellschaftliche Spitzkehre hinarbeitet, um die wir nicht herumkommen. Derzeit aber wird vom Straßen- bis in den parlamentarischen Aktivismus oft das Gegenteil praktiziert: Man spritzt mit heißer Brühe nur so um sich. Und das ist oft fatal.
Es geht hier nicht um die konservative Platittüde von der „konstruktiven Kritik“. Auch sei alle Skepsis gegenüber der apokalyptisch geladenen Gesinnungsethik für einen Moment zurückgestellt, die nun in einer klimabewegten „Militanzdebatte“ Urständ feiert. Selbst wer politische Mittel allein an deren möglicher Wirkung misst, muss wissen: Am Kochwasserwerfer verbrennt man sich schnell die Hände.
Militanz per se ist nichts. Sie ist ein Kommunikationsmittel. Symbolische Regelverstöße können helfen, vages Unbehagen zu einer mobilisierenden Agenda zu verdichten – wenn sie denn auf Resonanz stoßen (Twitter ist übrigens zahlenmäßig irrelevant). Die Bedingung: Militanz muss „vertikal“ sein – machtlos versus übermächtig. Nur gegen Goliath gönnt man David die Steinschleuder. Daher ist Militanz ein Mittel des „Anti“ – etwa gegen eine Gesetzeslage oder ein konkretes Umweltkillerprojekt.
Nun stellt der Klimwandel zusehends „horizontale“ Probleme, die einen Modus von „Pro“ verlangen: Menschen für neue Routinen von Verkehr, Ernährung und Freizeit zu gewinnen. Wie ist es da mit Militanz? Erfahrung ist rar, also lernt man aus Versuchen. Etwa aus den Straßenblockaden, die jüngst Furore machten. Die „Letzte Generation“ will so ein Verbot erwirken, Lebensmittel en masse wegzuwerfen.
Aktionen gegen Mitmenschen, um die Regierung zu bewegen? Abgesehen von der schwer vermittelbaren Entkopplung von Aktionsfeld und Ziel: Der Mix aus horizontaler Militanz und vertikaler Forderung erinnert an die Flugzeugentführungen der 1970er. Hilft das der an sich populären „Essensrettung“? Der Bewegung allgemein?
Militanz ist ein Mittel vertikaler Politik. In der Horizontalen lässt sie den mutigen David schnell als arrogante Avantgarde dastehen. Und nur zu leicht überträgt sich der Ärger über eine Sabotage des Alltags der Vielen auf derlei Aktionen gegen die wenigen Mächtigen, die man so schützt.
Vielleicht ist es die Geschichte, die dafür blind macht. Als stärkste, teils einzige Sparte des Aktivismus überdauerte gerade diejenige die Zäsur 1990, deren Metier die horizontale Militanz ist: die Antifa. Das hat wohl abgefärbt. Wie wenig übertragbar aber deren Praxis des Anprangerns ist, zeigte schon Corona: Half es der Impfquote, Zweifelnde als „Nazis“ anzugehen?
Laut einer aktuellen Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau können sich mittlerweile 75 Prozent derer, die meist das Auto nutzen, einen Umstieg auf öffentlichen Verkehr vorstellen, wäre der nur besser und billiger. Was für ein Feld für politische Fantasie! Die klimabewegte taz aber titelte mit der automobilistischen Minderheit von 25 Prozent. Das heroische Pathos, das auch die Militanz der „Letzten Generation“ antreibt, gefällt sich in Einsamkeit.
Ein Kontrast ist der Berliner Wohnraum-Aktivismus. Seit den 1990ern wurde auch dieser Kampf horizontal geführt – als Yuppie-Bashing, militant und erfolglos. Kaum aber änderte sich das, war eine Mehrheit für „Enteignung“. Erst jetzt, wo das ignoriert wird, ist hier ein Feld für Militanz.
Röslers Gleichnis wird am Ende zynisch. Sein Frosch wird tödlich hintergangen. Progressiver Aktivismus darf niemanden abkochen. Lernen aber müsste er, nicht allen Fröschen Angst zu machen, indem man einzelne bespritzt, sondern die ganze Kolonie in einen Topf zu setzen. Dann könnte man erleben, was auch die Forschung neuerdings vermutet: Frösche haben mehr Orientierungssinn, als man lange glaubte.
Kommentare 7
ein abstrus-mäandernder durcheinander-beitrag!
mein klärungs-versuch:
militanz ist ein modus des umgangs/verkehrs unter menschen:
das hintan-stellen von mitteln der gewalt-losen verständigung.
militante wehr-bereitschaft/-fähigkeit wird durch priorisierung von mitteln zur front-bildung,
die über eine zivile organisation hinaus-geht, erzielt.
sie ist "oben" und "unten", bei den sonst-minder-mächtigen: möglich.
sie kann bis zur mord- und selbst-mord-bereitschaft gehen.
die ziel-stellung der militanz, sowie deren angemessenheit, ist jeweils zu be-urteilen.
Ein kluger Kopf formulierte einst:"Ein Idee wird dann zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift."Die Militanz als Ausdrucksmittel, hier am Beispiel der sogenannten "Letzten Genaration", angeführt egreift nicht, sondern nervt.Das minimiert ihre Wirkung und verhindert die Wahrnehmung des eigentlichen Anliegens.
Immer wieder Batman, oder immer wieder Klima in der selben journalistischen Aufbereitung.
Ich weiß nicht. Ständig in dem Trauma, oder beim Klimathema in falsch verstandener Schockstarre hängenzubleiben, dass immer wieder aufs Neue erzählt wird und so eine Gravitationseinlagerung in unserem mentalen verursacht, ist auch keine gute Entwicklung für eine Gesellschaft, auch wenn der Film gut gemacht wurde, wegen der anderen Kamerasicht und hier in diesem Beitrag der Frosch giftig für uns ist und wir ihn deswegen nicht küssen werden.
Angst, Ohnmacht, Schizophrenie, Depression, Wut, Verhandlungsbereitschaft, Verlust der Eltern und eine unerfüllte ideale Kindheit, wie auch ein beleidigt sein und verschiedenes mehr als mentale schwächen die zu Fehlhandlungen führen, da das negative in uns über eine Gravitation unser denken und handeln bestimmt und man so im Rollenspielkostüm Mängel kompensieren will. Die selbige Thematik erzählt der Film Ted K., nur wurde hier Realität als Aktivist im Film umgesetzt.
Realität und Phantasie, als Angst-Traumata Bewältigungsstrategien erproben und welche Konsequenzen dies haben kann, da der entstehende Glaube durch diese Gravitationseinlagerungen, dies alles als Handlungen auslöst und man am Ende wegen der angewandten Gewaltausübungen im Gefängnis landet erbringt auch keine Erfolge beim Klimathema.
Jetzt spring ich zu youtube und seiner Gewalt als neuer Journalismus. Da stell ich mir die Frage welche Bewältigungsstrategien gibt es für Influencer? TikTok ,da alles in nur 15-30 Sekunden. erklärt wird. Ich habe hier nach 5 Minuten das Erklärvideo zur Filmwerbung ausgeschaltet.
Ich würde auch gern diese dümmliche Art von Journalismus ausschalten.
Was sind Fehlhandlungen beim derzeitigen Aktivismus im Kriegsberichtenden Journalismus und führen die auch zu Gefängnisstrafen? Was derzeit im TV läuft ist schlimm und verursacht eine Schockstarre beim Publikum.
Zu den Anzeichen eines psychischen Schocks gehören: Wechselnde Symptome von Depression, Angst, Verzweiflung, Überaktivität. Einengung des Bewusstseins, eingeschränkte Aufmerksamkeit, Unfähigkeit, auf Reize angemessen zu reagieren.
Also werden wir alle zu einem Batman und verfallen in Rollenspielkostümlösungen.
Ein lausiger Text. Ich werde gleich eine Totalrasur an mir vornehmen, um eine Inkubation zu vermeiden.
Ein winziger wichtiger Aspekt: Der Einzelne und die Masse. Es gibt zwei, drei Bücher zum Thema seit Freud, Le Bon ...
Einsamkeit ist meist eine Folge von Verhalten. Wer gegen den Strom schwimmt, schwimmt allein, kommt aber zu den Quellen. Initialzündungen können nur von Einzelnen ausgehen. Das Interesse der Masse spricht eine deutliche gleichgültig-konsumistische Sprache.
Das mit dem Frosch ist falsch. Er würde auch bei langsamer Erwärmung das Wasser verlassen. Macht er ja auch draußen wenn seine Pfütze zu lange der Sonne ausgesetzt ist. Aber die Menschen werden ja über Wochen, Monate, Jahre der "Erwärmung" ausgesetzt. Dabei verschwimmt das Gefühl für die Norm. Jeder freut sich z.B. über das Beton-Hochdruckgebiet, das uns grade so "schönes Wetter" beschert. Es basiert auf einem meteorologischem Phänomen, das durch den Klimawandel viel häufiger auftritt als in vergangenen Jahrhunderten. Wenn es jetzt bis zum Sommer nicht regnen sollte ist das Geschrei groß und der Krieg wieder ganz weit weg.
Aus der Reihe "Vergiftetes Lob":
Bitte mehr davon.