Nach der Obdachlosen-Hetze

Vorwürfe Online-Aktivisten fordern eine Strafe für die Spiele-Entwickler des "Penner-Games" und der "Initiative sauberes Hamburg". Die beteuern, es handele sich um nur um Satire

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Sie haben gelogen und betrogen, sie haben das Impressum einer Internetseite gefälscht und tausende Facebook-User hinters Licht geführt. Nun fordern Online-Aktivisten eine hohe Strafe für die Spiele-Entwickler Marius Follert (24) und Niels Wildung (24), die zum Erreichen ihrer zweifelhaften Ziele "andere Menschen in Gefahr brachten", so das Urteil der Kritiker, die sich am vergangenem Wochenende zu einer sogenannten Facebook-Veranstaltung zusammen fanden.

(SQD) Marius Follert und Niels Wildung - die beiden Drahtzieher hinter der Online-Hetze gegen Obdachlose hätten bewusst in Kauf genommen, dass ihre provokante Page auch "Nazis und rechtsextreme Kräfte anlockt, animiert und aktiviert und es dadurch zu schweren Straftaten kommt", heißt es in der Einleitung zur Veranstaltung, die mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Vorwürfe aufmacht. Stein des Anstoßes sind wohl zwei inzwischen vom Netz genommene Internetseite namens "Initiative sauberes Hamburg (ISHH)" und "Stoppt ISHH". Beide Seiten, Kampagne und Gegenkampagne stammten von ein und den selben Machern. Die Spiele-Entwickler Niels Wildung (24) und Marius Follert (24) hatten sie ins Netz gestellt, angeblich um auf Obdachlose aufmerksam zu machen, doch das glaubt ihnen niemand.

Kommerzielle Interessen

Schon 2008 starteten die Spiele-Hersteller Follert und Wildung eine ganz ähnliche Kampagne um ihr Spiel "Pennergame" zu promoten. Die Empörung war damals schon groß und auch die aktuelle Kampagne, welche ein "soziales Engagement" vorgibt, bewirbt indirekt auch ein kommerzielles Produkt namens "Pennergame", ein Computerspiel umstrittenen Inhalts. Beim Outing am 27.2. lässt Follert sich grinsend vor dem Plakat des zweifelhaften Spieles ablichten. Das Foto erscheint nachher im Spiegel.

Widerwärtiges Spiel

Beim sogenannten "Pennergame"geht es darum Trickbetrügereien und andere Verbrechen zu begehen, um vom „untalentierter Penner am Hamburger Hauptbahnhof“ zum „Bettel-Monopolisten“ aufzusteigen und natürlich wird auch der Alkohol thematisiert: "Ein hoher Promillewert verbessert die Laune des Penners und verkürzt die Dauer von Weiterbildungen, wirkt sich jedoch negativ auf die Verteidigungsfähigkeit des Penners und deren Präzision bei Verbrechen aus", schreiben unabhängige Beobachter (Wikipedia) über das Spiel der Firma Farbflut Entertainment, die nach ihrem Outing vergangene Woche einen regelrechten "Shitstorm 2" erlebt.

"Diese Satire war und ist geschmacklos", urteilen auch die Verleger der Straßen-Zeitung "Hinz & Kunzt" und "nicht jeder Zweck heiligt die Mittel", fügt Steffen Becker, Sprecher der Diakonie Hamburg noch hinzu. (Quelle: Mopo)

Man gehe davon aus, dass Farbflut Entertainment einmal mehr versuche auf Kosten notleidender Menschen Werbung für ihr menschenverachtendes "Pennergame" zu machen und um neue Spieler dafür zu gewinnen. Obdachlose, Bettler und Flaschensammler werden darin diffamiert und verschrien, ja sogar in die Nähe von Straftätern gerückt, berichten Kritiker ("Hinz und Kunzt"). Schon 2008 forderten Politiker das Computerspiel per sofort vom Markt zu nehmen. Passiert ist seit damals aber nichts.

Gefahr von Rechts

In einem Offenen Brief verurteilt der derzeit wohl bekannteste ehemalige Obdachlose Max Bryan die Inhalte der Firmen basierten Hetz-Kampagne scharf und fordert eine empfindliche Bestrafung der beiden Spielemacher Follert und Wildung, weil die keine Skrupel kannten, mit ihrer Aktion auch andere Menschen in Gefahr zu bringen.

Der Vorwurf: Follert und Wildung behaupten ihre Kampagne sei Satire gewesen, ließen es aber aussehen wie Volksverhetzung, also "wie eine reale Straftat, die sie nur vorgetäuscht hatten, um ihre Ziele zu erreichen" und ob die Gesellschaft diese Form der Täuschung denn auch zulassen dürfe, wurde gefragt (Umfrage / http://www.maxbryan.com ).

94% der Befragten (Stand: 04.03.) sagten "Nein", so etwas dürfe man nicht dulden, "Rechtsextreme könnten die Seite zum Vorbild nehmen" und von da aus weiter arbeiten, eine Gefahr also für die innere Sicherheit des Landes und wohl auch Anlaß genug, eine großangelegte Gegen-Offensive zu starten, zumindest für Max Bryan, der in Hamburg selbst auch zwei Jahre auf der Straße lebte und die Situation aufkommender Gewalt so auch schon miterlebt hat. Gerade Jugendliche seien leicht verführbar und die Seite der Spiele-Hersteller war voller rechtsextremer Inhalte.

"Ich finde das gefährlich für Jugendliche und bereits rechts denkende Menschen. Die Gefahr das man mit so etwas auch mehr als nur Identifikation mit solchem Gedankengut herausfordert, sollte man nicht unterschätzen. Und wer sind die Leidtragenden die aufgrund solcher Veröffentlichungen mit der möglicherweise aufkommenden Gewalt konfrontiert werden? Definitiv nicht die Verantwortlichen dieser Kampagne", heißt es in einem Kommentar der Hamburger Morgenpost, die mehrfach schon über den Fall berichtet hat.

Und in der Tat, immer wieder kommt es zu Übergriffen Jugendlicher auf Obdachlose, die zumeist in kleinen Gruppen agieren, viele davon mit rechtsextremem Hintergrund, weshalb Übergriffe dieser Art schon seit 2001 als "politisch motivierte Hasskriminalität" zu werten sind. ("Wikipedia" / Obdachlosendiskriminierung). Eine offizielle Statistik über Gewalt gegen Obdachlose werde in der Bundesrepublik Deutschland aber nicht geführt

Entstandener Schaden

Ob die Firma Farbflut Entertainment GmbH zu weit gegangen ist, wurde ebenso gefragt und in einer Stellungnahme des Geschäftsführers Marius Follert gegenüber der Hamburger Morgenpost hieß es dazu: "Ich glaube nicht, dass wir zu weit gegangen sind (...) wir haben ja auch niemanden geschadet", aber auch das sieht nicht jeder so.

Tagelang standen ahnungslose Unbeteiligte im Verdacht, Betreiber der Hetz-Seite zu sein. Leute wie "Alexander Schmidt" zum Beispiel, der in dem Kleinod Künzelsau bei Schwäbisch Hall einen engagierten Webservice betreibt. Seinen Vor-und Nachnamen hatten die Macher ins Impressum der Hetz-Seite gesetzt, wohl nicht gezielt, aber billigend in Kauf nehmend, dass der Verdacht auf jemanden mit diesem Namen fallen könnte.

Auch eine Harzer IT-Firma geriet zwischenzeitlich in Verdacht, mit der Sache etwas zu tun zu haben, berichten die Kollegen von HH-Mittendrin.

Zumindest für diese beiden Firmen dürfte sehr wohl Schaden entstanden sein und die eigentlichen Macher der Online-Hetze hatten keine Skrupel, auch andere Menschen mit hinein zu ziehen, zum Schutze der eigenen Interessen, die darin bestanden, die eigene Identität so lange zu verschleiern, bis der Moment für ein medienwirksames Outing gekommen sei. So geschehen am 27. Februar, wo beide "Pennergame-Bubis" - wie die Hamburger Morgenpost sie jetzt nennt - sich stolz in einem Firmen-Büro als Macher hinter der "Initiative Sauberes Hamburg (ISHH)" präsentierten und damit glauben ließen, etwas Großes geleistet zu haben.

"Das ist keine Satire, das ist kriminell!"

Satire ist in der Regel als solche auch erkennbar, nicht so in diesem Fall. Tausende Seitenbesucher waren der Gegenkampagne "Stoppt ISHH" auf den Leim gegangen und fühlten sich danach "getäuscht und missbraucht", weil hinter dem angeblichen "ernsthaften sozialen Engagement" auch kommerzielle Ziele steckten.

"Narrenfreiheit der übelsten Sorte!", schreibt eine aufgebrachte Userin und "Gewinne werden auf Kosten sozial Benachteiligter gemacht", schreibt ein Anderer. (Kommentar Mopo 27.02.)

Follert und Wildung scheuten keine Kosten und Mühen das Projekt auf die Spitze zu treiben. Sie setzten Servertechnik ein, die sonst nur von Kriminellen benutzt wird. Sie fälschten das Impressum einer Internetseite und brachten andere Menschen in Verruf. Ist so etwas eigentlich erlaubt? (Fragen auch wir).

Staatsanwalt ermittelt

Laut einem Bericht der Hamburger Morgenpost ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft derzeit gegen die Geschäftsführer der Firma Farbflut Entertainment Marius Follert und Niels Wildung wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. Bei Verurteilung drohen den Firmeneignern bis zu 3 Jahre Haft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dexter & Barnes

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