7.: Mischung zw. (un)berechtigter Angst vor staatl. Repression und pol. Desinteresse

Halloween-Kalender: linksunten-/RDL-FAQ 7.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Frage:

Warum wird die Adresse linksunten.indymedia.org nicht wieder für eine open publishing-Plattform mit laufend neuen Artikeln genutzt, obwohl das Bundes­verwaltungsgericht 2020 entschieden hat, dass „Regelungsgegenstand des Ver­botsbescheids […] nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚linksunten.indy­media.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“1 sei?

Kurz-Antwort:

Vermutlich aus einer Mischung zwischen berechtigter Angst vor weiterer staatlicher Repression, übertriebenem Eingeschüchtertsein und politischem Desinteresse.

Ausführlichere Antwort:

Die Frage ist schwierig zu beantworten. Vermutet werden kann, daß mindestens fol­gende Faktoren eine Rolle spielen:

  • Einschüchterung durch die Verbotsverfügung von 2017.

  • Trotz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) weiterhin bestehende juristische Risiken2 (für die erneute Herausgabe einer internet-Zeitung mit dem Namen linksunten.indymedia – nunmehr durch neue Leute).

  • Unverständnis gegenüber dem Unterschied zwischen Medium und Mediums-Herausgeber bzw. der Entscheidung des BVerwG, zwar nicht das Verbot auf­zuheben, aber zu sagen, „Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids“ sei „nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚linksunten.indymedia.org‘ be­triebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“.

  • Es wurde sich in der langen Zeit von Verbot (2017) bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (2020) bereits damit arrangiert, daß linksunten nicht mehr existiert.

  • Wenig Verständnis dafür, daß Kontinuität ein Faktor politischer Stärke ist – verbunden mit der hohen personellen Fluktuation in der linksradikalen Szene.

2 Siehe dazu unter anderem folgenden Absatz im Artikel Ein neues linksunten? (Pro und Contra) (in: de.indymedia.org vom 20.06.2020):

„Ein neuer HerausgeberInnen-Kreis stünde selbstverständlich unter dem Damoklesschwert als ‚Ersatzorganisation‘ des alten HerausgeberInnen-Kreises eingestuft zu werden [s. dazu in den hiesigen FAQ FN 2 zur Antwort auf Frage 3]. – Aber bis eine neue innenministerielle ‚Verfügung‘ ergeht, die ‚feststellt‘ (das heißt: behauptet), daß es sich um eine Ersatzorgani­sation handelt, wären die Repressionsrisiken nicht größer als auch ansonsten bei linker publizistischer Arbeit.“

sowie den Anhang: https://de.indymedia.org/sites/default/files/2020/06/Ersatzorganisation_mit_Vorbem.pdf („Der folgen­de Artikel versucht auszuloten, welche legalen Handlungsspielräume – das heißt: auf der Grundlage der bestehenden Gesetzeslage – für eine Wiederherausgabe von linksunten.indymedia – auch mit neuen Artikeln – aktuell bestehen.“).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

DGSch

Detlef Georgia Schulze ist PolitikwissenschaftlerIn und schrieb zuletzt in der jungen Welt vom 27.03.2023 über „Fehler der bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das Verbot von ‚linksun­ten.indymedia‘“. Neben anderen Veröffentlichungen zu rechtstheoretischen und rechtspolitischen Themen gab er/sie 2010 – zusammen mit Sabine Berghahn und Frieder Otto Wolf – das zweibändigen Buch „Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie?“ (Bd. 1: https://d-nb.info/986059048; Bd. 2: https://www.dampfboot-verlag.de/filepool/getfile/dampfboot/?datei=/dateien/download/inh-schulze2-784.pdf) heraus.

Weitere Informationen unter der Adresse: https://web.archive.org/web/20220120071119/https://links-wieder-oben-auf.net/ueber-mich/.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden