Seltsam kritiklos

Preis für Kritik Der Filmkritiker Michael Althen wurde von Lesern wie Kollegen geliebt. Was wäre nun also gegen den Michael-Althen-Preis für Kritik einzuwenden? Leider so manches
Ausgabe 41/2014

Wer hat schon etwas gegen Preise? Sie bringen Geld unter die Leute und steigern bei den Betroffenen nicht nur den Marktwert, sondern auch das Selbstwertgefühl. Irgendwer denkt immer, irgendwer habe sich bei so einer Auszeichnung bestimmt etwas gedacht. Aufs Ganze gesehen ist das auch effizient, weil karussellförmig organisiert: Wer heute den Preis bekommt, sitzt morgen in der Jury, die den nächsten Preis an dies oder das Jurymitglied eines anderen Preises verleiht. So schnell fällt man von diesem Karussell nicht mehr herunter, weil das Verliehenhaben wie das Bekommenhaben Beziehungen schafft.

Wer hatte schon etwas gegen Michael Althen? Als der Filmkritiker vor drei Jahren viel zu früh starb, war die Trauer groß, wenngleich nicht schirrmacherförmig. Sie hatte aber im Vergleich den Vorzug der Aufrichtigkeit. Michael Althen wurde geliebt, nicht nur von den Lesern, sondern auch von den Kollegen. Sogar viele der Filmemacher, über die er schrieb, haben seine Texte geschätzt; nicht weil er immer nur freundlich gewesen wäre, aber verletzend war er sehr selten.

Gerade ist postum eine Sammlung von Althens Texten zum Film erschienen. Sie trägt den ein bißchen bescheuerten Titel Liebling, ich bin im Kino, aber womöglich weiß der Verlag, was er tut. Wie auch auf der von Freunden gepflegten Webseite michaelalthen.de kann man sich bei der Lektüre daran erfreuen, wie Althen zwischen Emphase, Genauigkeit und Nähe zum Leser eine Mitte suchte und fand.

Was wäre nun also gegen den Michael-Althen-Preis für Kritik einzuwenden, der schon zum dritten Mal verliehen wird? Leider so manches. Dass sich die Dotierung stillschweigend auf 5.000 Euro halbiert hat, wird nur den Preisträger treffen. Ein größeres Problem ist schon, dass ihn Althens letzter Arbeitgeber, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, unter Federführung und Initiative von FAS-Feuilletonchef Claudius Seidl vergibt. Das ist ein bisschen so, als vergäbe Suhrkamp einen Literaturpreis. (Was mit dem Siegfried-Unseld-Preis quasi der Fall ist.) Nominierungen für einen Text aus dem eigenen Blatt (in diesem Jahr gibt es eine) haben unvermeidlich einen Hautgout. Leider wird wegen seiner Herkunft der Preis vom Rest der Branche geflissentlich ignoriert. Nicht einmal die Süddeutsche Zeitung, für die Althen sehr lange schrieb, hatte es 2011 für nötig befunden, die Ausschreibung und dann die Auszeichnung an die erste Preisträgerin Sarah Khan auch nur zu vermelden.

Dafür hat den Michael-Althen-Preis dann beim zweiten Mal der SZ-Autor Willi Winkler erhalten, der erstaunlicherweise dieses Jahr erneut nominiert ist. Aber die Welt ist eben sehr klein. Noch erstaunlicher: Von den 13 nominierten Texten ist keiner im strengen Sinn eine Kritik. Was auch damit zu tun haben könnte, dass in der Jury keine Kritiker sitzen, sondern mit Claudia Michelsen, Tom Tykwer, Dominik Graf, Hanns Zischler und Daniel Kehlmann praktizierende Künstler. Im Ergebnis findet sich bei den nominierten Texten von Georg Diez bis Peter Richter und Maxim Biller viel touchy-feely Porträtjournalismus, gut abgehangene Zeitgeistschreibe und unterreflektierte Kraftprotzerei.

Aber wer wollte streng sein? Die Zeiten sind hart. Also gern den Althen-Preis für Kritik an einen Text, der nicht nur keine Kritik ist, sondern auch mit dem, was Althen konnte, wenig zu tun hat. Gratulation!

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Geschrieben von

Ekkehard Knörer

Redakteur Merkur und Cargo.

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