20 Jahre Kriegsschuld

Kosovo-Krieg Der völkerrechtswidrige Angriff auf Jugoslawien jährt sich zum 20. Mal. Obgleich sich die BRD bis heute keiner Schuld bewusst ist, war sie zentrale Aggressorin.

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Vor 20 Jahren, am 24. März 1999, bombardierte das Atlantische Militärbündnis (NATO) Jugoslawien. Der brutale Krieg, der bis zur völkerrechtswidrigen Besatzung des Kosovo durch die NATO am 12. Juli 1999 dauerte, kostete etwa 15.000 Menschen das Leben. Vorausgegangen war der Zusammenbruch des sozialistischen Jugoslawien zu Beginn der 1990er Jahre, bei dem besonders ethnische und nationalistische Kräfte, doch auch imperialistischer Druck von außen zur Zerstörung des Vielvölkerstaats beitrugen. Die Rolle der BRD spielte und spielt bis heute dabei eine besondere Rolle. Sie war nicht nur federführende Provokateurin und Unterstützerin der sogenannten „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UÇK), die maßgeblich 1994 von bellizistischen Kosovo-Albaner*innen der in der BRD gegründeten Volksbewegung des Kosovo (LPK) gegründet wurde, sondern war mit einer Regierung aus Sozialdemokrat*innen (SPD) und Grünen seit 1945 wieder aggressiv in einem Krieg verwickelt. Der Druck seitens der BRD und der Europäischen Union (EU) ist enorm und bis heute konsequent. Neben einer einseitigen historischen und politischen Aufarbeitung und hiernach Verantwortung wird mit Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft in der EU eine außenpolitische Diktion aufoktroyiert, was sich besonders in der Beziehung zur Islamischen Republik Iran zeigt. Doch die BRD ist sich bis heute keiner Schuld bewusst.

Heiko Maas (SPD), Außenminister der BRD, betonte zum Jubiläum die Richtigkeit der damaligen Position und bekräftigt, „dass die deutsche Beteiligung ein Ausfluss verantwortungsbewussten Handelns“ gewesen war. Damit leugnet er nicht nur die zentrale Stellung der damaligen Regierung, sondern findet sich in bester Gesellschaft konsequenter antiserbischer Außenpolitik. Unterstreichend lobte er am 23. März zum Tod des Politkers der Freien Demokratischen Partei (FDP) Klaus Kinkel, der von 1992 bis 1998 Außenminister der BRD war. „Ein hoch angesehener Staatsmann“ war er gewesen, der im Juni 1998 unverblümt Partei für die Nationalist*innen der UÇK ergriff. Damit wurde nicht nur der Alleingang der BRD autonom von der EU und der NATO begründet, sondern auch eine Bewaffnung - natürlich geliefert von der deutschen Rüstungsindustrie - der Separatist*innen bejaht. Die Kriegstrommel wurde konsequent gerührt, allerdings erst von ehemaligen Pazifist*innen und vermeintlichen Kämpfer*innen für eine soziale Gesellschaft ausgeführt. Am 13. Mai 1999 begründete der damalige Verteidigungsminister Joschka Fischer (Grünen) die Aggression mit der historischen Verantwortung der BRD. „Nie wieder Auschwitz“ wird er zitiert und setzte damit die Politik des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Miloševićs gegenüber den Kosovo-Albaner*innen mit dem Holocaust der Faschist*innen gleich.

Obgleich stets das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit der Albaner*innen im Kosovo als Hauptgrund herangezogen wird, hält diese These bei einer näheren Betrachtung nicht lange stand. Bereits 1995 betonte Jürgen Trittin, ein Vertreter des sogenannten „linken“ Flügels der Grünen, dass die Zerschlagung Jugoslawiens und hiernach auch der Krieg 1999 radikal ökonomischen und geostrategischen Interessen entsprang. Laut Trittin ginge es nicht „um die weltweite Achtung der Menschenrechte“, sondern der „Aufrechterhaltung des freien Welthandels“ sowie der Ausbeutung der Rohstoffe. Diese Erkenntnis ist alles andere als neu und verweist auf den grundsätzlichen aggressiven Faktor einer jeden sich überlegenden Macht, wenn es darum geht, eigene Interessen durchzusetzen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde dahingehend nicht müde die Lüge zu wiederholen, dass es sich um die Sicherstellung des Friedens handle. Es war gerade die BRD die den Krieg provozierte, derweil besonders die nicht für ihren Pazifismus bekannten USA eine militärisches Lösung erst als Ultima ratio verstanden wissen wollten. Wenn sonach Maas sagt, der Krieg war „verantwortungsbewusstes Handeln“, kommt er dem Zynismus Schröders erschreckend nahe, der in einer TV-Ansprache von der Verteidigung von „grundlegenden Werten“ sprach. Er sprach von „Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“, doch brachte Chaos, Unterdrückung und Verbrechen nach Jugoslawien.

Die offen terroristischen Aktionen der UÇK werden als dialektische Erklärung herangezogen, die Politik Miloševićs militärisch zu bekämpfen. Dass sich die BRD nur selten ums Völkerrecht kümmert, wurde bereits in den 1990er Jahren deutlich, als sie einseitig die Unabhängigkeiten der postjugoslawischen Staaten anerkannte. Der norwegische Friedensforscher Johan Galtung sprach hierbei von einem „Verbrechen“ seitens der Regierung. Parallelen sieht man hierbei in der jüngsten innenpolitischen Einmischung der BRD in Venezuela, bei dem sie den Putschisten Juan Guaidó als „Übergangspräsidenten“ anerkennen. Das bereits erwähnte ökonomische Interesse wird von Nebojša Katicć, serbischer Publizist, im Interview mit Simon Zeise untermauert. Deutschland habe von der Zerstörung „enorm profitiert“. In Serbien gebe es heute „400 deutsche Unternehmen, die insgesamt 50.000 Arbeitskräfte beschäftigen.“ Er erwähnte auch die Worte des ehemaligen Außenministers der USA, Nelson Talbott, der einräumte, dass es nie um Kosovo ginge. „Es war Jugoslawiens Widerstand gegen die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Reformen.“ Nichtsdestoweniger wurde Kosovo als souveräne Republik am 17. Februar 2008, neun Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Krieg, ausgerufen. Als einer der ersten Staaten erkannte die BRD die Republik selbstverständlich an, obgleich die neu gewählte Bundeskanzlerin, Angela Merkel (CDU), noch 2005 eine Anerkennung kategorisch ausschloss.

20 Jahre Kosovo-Krieg bedeutet 20 Jahre Leugnung der Rolle der BRD. Der aggressive Krieg diente für das deutsche Militär den Startschuss für weitere kriegerische Einsätze. Bis zum heutigen Tag befinden sich deutsche Soldat*innen in Italien (Mittelmeer), der Türkei (NATO-Unterstützung), Sudan, Südsudan, Dschibuti, Somalia (Horn von Afrika), Mali, West-Sahara, Libanon (auf Zypern stationiert), Afghanistan, Jordanien, Irak und Syrien. Und selbstverständlich weiterhin im Kosovo mit einem Kontigent von 740 Soldat*innen. Die Weltgemeinschaft schaute weg, als die NATO Jugoslawien überfiel, was ihr den Freischein austellte, demselben Muster in anderen, unliebsamen Staaten aufzukreuzen. Jan Korte (Die Linke) wirft SPD und Grünen vor, mit der „Abkehr vom Verständnis der Bundeswehr als Verteidigungsarmee und der Verharmlosung des Holocausts“ den Krieg in Jugoslawien ermöglicht zu haben. Serbien wird des Kriegsverbrechens beschuldigt und verurteilt, die Aggressoren treten hierbei als Kläger auf. Die in der serbischen Gesellschaft vorhandenden antideutschen resp. deutschenfeindlichen Haltungen dienen den Herrschenden hierbei als weitere Bestätigung, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. „Der Nationalsozialismus und Holocaust waren auch deshalb möglich, weil viel zu viele weggeschaut haben“, sagt Maas und mag den dialektischen Zusammenhang zu seiner Verteidigung des Angriffs auf den Kosovo nicht erkennen. Das schlummernde aggressive Potential Deutschlands wurde nach 1945 nicht vernichtet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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