Trumpisierung der CDU?

Radikalpopulismus Ein potenzieller CDU-Vorsitzender und Kanzler Friedrich Merz würde eine Radikalisierung der Unionsparteien bedeuten. Parallelen zu Donald Trump sind nicht zu übersehen

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Das Jahr 2021 bedeutet für die Unionsparteien eine programmatische und personelle Weichenstellung. Am 16. Januar 2021 wird der neue Parteivorsitzende gewählt, der traditionell auch die Kanzlerkandidatur übernehmen wird. Im Hinblick auf Friedrich Merz gibt es allerdings Widerstand – besonders unter gemäßigten Konservativen, die die Politik Angela Merkels verteidigen und weiterführen wollen. Dennoch stehen die Chancen für den ehemaligen Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers der US-amerikanischen Fondsgesellschaft BlackRock nicht schlecht, die mehr oder minder liberale Merkel-Ära abzuwickeln. Freilich ist die Politik der herrschenden Klasse, deren ideeller Vertreter Friedrich Merz ist, nicht an eine einzelne Person gebunden. Mit einem potenziellen Bundeskanzler Merz würde daher innerhalb der Unionsparteien keine programmatische Revolution stattfinden, wohl aber eine formale Korrektur der Außendarstellung. Denn das, was Merz unverblümt kommuniziert und propagiert, ist nicht der Widerspruch der herrschenden Politik, sondern ihre konsequente Anwendung. Trotz alledem würde die Causa Merz keinen organisatorischen Führungswechsel bedeuten, sondern eine Verfestigung des reaktionären Flügels innerhalb der herrschenden Regierung, die besonders eine Kampfansage an die Arbeiter*innen und Unterdrückten dieser Gesellschaft ist.

Um die Ideologie hinter Friedrich Merz zu greifen, gilt es zu verstehen, wie er einerseits argumentiert und andererseits seine Standpunkte Ausdruck einer rechtspopulistischen Wende ist, die nicht von ungefähr Parallelen zum sogenannten „Trumpismus“ aufzeigen. Das betrifft nicht nur die Ansicht der Person Merz, die während der US-Wahlen 2020 eine Zusammenarbeit mit Donald Trump nicht nur ausschlägt, sondern auch ein Verständnis der Gegenseitigkeit formuliert; der reaktionäre Rollback jener, die in der Weltkrise des Kapitalismus eine autoritäre Dogmatik frönen, ohne sie als solche zu benennen, ist ebenfalls ein Kernelement der Ideologie Merz'. Die Verteidigung des liberalen Demokratismus wird mit deren schleichenden Absage begründet, die zur populistischen Doktrin eines radikalen Neoliberalismus führt. So begründet Merz seinen Amerikanismus damit, dass er besonders Unternehmen und die Wirtschaft mit den Vereinigten Staaten vermengt und daraus die Folgerung zieht, die Politik daran zu orientieren. Auch ein Donald Trump versteht sich primär als Geschäftsmann, der in den vergangenen vier Jahren trotz protektionistischer Ansätze seine Innen- als auch Außenpolitik auf diese Gradwanderung zwischen Libertarismus und Staatsgewalt reduzierte.

So propagiert auch Merz stetig den Rechtsstaat in Analogie zur „Law and Order“-Doktrin der Republikaner*innen und Donald Trumps. Die Gefahr für diesen Rechtsstaat wird bei der politischen Linken und Migrant*innen gesehen, wonach die politische Rechte und besonders ihr Radikalismus und Terrorismus meist nicht als solcher benannt wird, sondern individualisiert und auch verharmlost. Zwar baut Friedrich Merz nicht wie Donald Trump auf eine radikale Militanz, die Rassismus, Nationalismus und weitere Menschenfeindlichkeit subsumiert; wohl verteidigt der potenzielle CDU-Chef eine ähnliche Weltanschauung, die Prioritäten ähnlich setzt. Diese radikalpopulistische Ideologie findet sich freilich nicht nur in außenpolitischen Äußerungen, sondern zieht sich durch das ganze Programm. Ganz besonders bemerkenswert ist seine Stellungnahme zu dem Putschversuch von Anhänger*innen Donald Trumps am 6. Januar, der als „Sturm auf das Kapitol“ umschrieben wird. Dieser Tag markierte nicht nur die schleichende Barbarisierung der bürgerlichen Politik im Widerstreit mit der eigenen ideologischen Verteidigung, sondern verdeutlichte auch die Ausformung des „Trumpismus“.

Merz bezeichnet Trump zwar als „Antidemokraten“ und verwies primär auf die AfD als deutsche parlamentarische Ausprägung der Ideologie; dennoch widerspiegeln sich in seiner Argumentation, die freilich nicht bei der AfD stehen blieb, Grundzüge eines – vorsichtig formuliert„moderaten Trumpismus“, der vielschichtig und teils widersprüchlich daherkommt. Brennende Flüchtlingsheime und katastrophale objektive Verhältnisse für Menschen in Lipa in Bosnien sind für ihn exemplarisch kein Anlass, die notleidenden Menschen dringend aufzunehmen; er postuliert mehr das seit 2015 widerlegte Narrativ, dass „Flüchtlingsströme“ gestoppt werden müssten und die BRD weder Kapazitäten noch politischen Willen habe, Menschen aufzunehmen. Die Verantwortung wird hierbei nicht nur negiert, sondern auch bewusst geleugnet. Stattdessen will er der Traum aller Rechtspopulist*innen und Radikalen erfüllen und die Festung EU weiter militarisieren und den faktischen Grenzwall finanziell und organisatorisch ausbauen.

Der Abbau des Sozialstaats als auch die juridische Konfrontation mit ihm unliebsamen Fakten stellt ein weiteres Merkmal dar. So wurde der Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag Fabio de Masi mit einer Klage versehen, als er daran erinnerte, dass Merz 1997 gegen die Kriminalisierung der Vergewaltigung in der Ehe stimmte. Merz wollte das nicht so verstanden haben, sondern begründete seine ablehnende Haltung damit, einzig aufgrund einer fehlenden Klausel gegen die Änderung gestimmt zu haben. Hier wird die radikalpopulistische Rhetorik mehr als deutlich: Der reaktionäre Charakter respektive die innewohnende Ideologie wird darin nicht geleugnet, obgleich eine semantische Distanzierung stattfindet. Ähnliches sieht man das auch bei Donald Trump, der die praktischen Auswirkungen seiner Politik aufgrund der bürgerlichen Selbstbezichtigung eines Demokratismus nur kritisieren kann, obgleich er ihnen zustimmt. Die Militanz auf der Straße in der BRD ist freilich kein primärer Ausdruck der Ideologie eines Friedrich Merz, sondern der AfD, die, anders als Friedrich Merz, faschistoiden Elementen nicht nur eine parlamentarische Bühne gibt, sondern sie auch weiter radikalisiert.

Die Unterscheidung zwischen Merz und der AfD ist dabei aber gradueller Natur. Es liegt in der Sache des Rechtskonservativismus, die Schnittmenge zwischen dem rechten Radikalismus und des Konservativismus zu betonen. Hiernach ist also die „trumpistische“ Ideologie, die freilich keine Erfindung der Neuzeit ist, in (noch) weniger radikaler und konsequentialistische Ausprägung auch in rechten Flügel der Unionsparteien zu finden, die Friedrich Merz nahtlos verkörpert. Dass permanent auf eine vermeintliche Gefahr des „Linksextremismus“ hingewiesen wird, besonders auch dann, wenn ein rechter Putschversuch stattfindet, ist nur eine Selbstverständlichkeit. So auch die Gleichsetzung linker und rechtsradikaler Politik. Gerade weil der „moderate Trumpismus“ die außerparlamentarische Militanz verneint und eine autoritäre Libertarisierung parlamentarisch bewirken möchte, stellt er mittelfristig eine größere Gefahr dar als Akteur*innen wie die AfD. Ob sich eine weitere Radikalisierung der Unionsparteien bei einem Vorsitzenden und Kanzler Friedrich Merz, der eine direkte Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, wohl aber einen AfD-Vizepräsidenten für den Bundestag gewählt hätte, abzeichnen wird, ist nur eine zeitliche Frage.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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