Faschisten = Faschisten

Gesellschaft Sind AfD-Wähler Faschisten? Eine politische Gleichung verlangt nach Lösung
Ausgabe 44/2019
Ein Faschist in Aktion
Ein Faschist in Aktion

Foto: Imago Images/Emmanuele Contini

Früher stand da dieses X. In Mathe. Beim Gleichungen-Lösen. Man schob das X hin und her, indem man beide Seiten der Gleichung dividierte, multiplizierte, auf den Kopf stellte, damit am Ende das X isoliert auf der einen Seite stand, glasklar definiert: X ist. Nur manchmal machte man etwas falsch. Man dividierte und multiplizierte und stellte auf den Kopf, und am Ende stand da: X = X. Das war dann nicht so gut. Weil: Stimmte ja, aber erstens war das Y verloren gegangen, und zweitens war der Erkenntnisgewinn nicht so groß.

AfD-Wähler sind Faschisten, wird nach der Thüringen-Wahl wieder festgestellt. 23,4 Prozent Faschisten. Gemeint ist: Sie sind eben keine Protestwähler. Sie wählen nicht aus psychologischen oder sozialen Gründen. Nicht aus der Kränkungserfahrung der Nachwendegeschichte heraus, aus der Nichtanerkennung ihrer Lebenserfahrung. Sondern nur aus einem Grund: weil sie Faschisten sind.

Und was macht man mit Faschisten? Ausgrenzen! Den Versuch, die Gründe der AfD-Stärke zu analysieren, kritisiert David Hugendick in der Zeit als „Verstehen bis zur Lächerlichkeit“: „Als sei die Ausgrenzung von Antidemokraten so schlimm oder gar schlimmer, als es die Antidemokraten selbst sind.“

Hinter dem Faschisten Björn Höcke stehen 259.359 Wähler. Subjekte, die selbst verantwortlich dafür sind, wo sie ihr Kreuz machen, schreibt Hugendick – klar! Natürlich sind die nicht zu blöd, um ihre sozialen Interessen woanders besser vertreten zu sehen. Natürlich wählen die nicht trotz, sondern wegen ihrer extrem rechten Einstellung AfD. Natürlich ist X gleich X.

Was aber heißt das, Antidemokraten ausgrenzen? Woraus denn? Aus Talkshows: Kann man diskutieren. Aus dem Parlament: Geht nicht. Aus der Regierung: Muss. Aber Ausgrenzung aller Antidemokratinnen? Woraus? Dem Land? Der Gesellschaft? Aus dem Wahlrecht? Aus Schulen, Krankenhäusern, Familien? Wegsperren? Nein?

Hier kommt die andere Variable der Gleichung ins Spiel. Y ist die Postwendezeit. Y ist Treuhand, Hartz IV. Y ist die Zukunft des Sozialen in Europa. Wie verhält sich die Faschisierung zur gesellschaftlichen Entwicklung? Die Frage wird mit der Feststellung, dass AfD-Wähler Faschisten sind, nur drängender.

Thüringen 2019: X = 259.359. Von Y ist abhängig, wie sich diese Zahl weiter entwickelt. Reden wir also darüber.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

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