Das Ende einer Late-Night-Ära

Craig Ferguson Der gebürtige Schotte beendet seine Talkshow und damit die wahrscheinlich anarchischste ihrer Art im Mainstream-US-TV. Ein Nachruf auf "The Late Late Show"

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Das Ende einer Late-Night-Ära

Foto: Frederick M. Brown/Getty Images

It's a great day for America. Diesen Satz sagte die letzten zehn Jahre ein gebürtiger Schotte, Stand-Up-Comedian, Autor, Ex-Punk-Schlagzeuger, Ex-Alkoholiker immer um kurz nach halb eins nachts auf dem US-amerikanischen Network-Sender CBS. Und was danach kam, war Talkshow-Anarchie. Craig Ferguson (52) beendet seine Late-Night-Talkshow „The Late Late Show“ am heutigen Freitag, den 19. Dezember 2014 und er wird mir fehlen.

Gestolpert bin ich über diese positiv durchgeknallte Variante des Late-Night-Talkshow-Formats auf YouTube, wo eine durchaus besessene Fangemeinde regelmäßig alle Folgen, oder Teile davon hochlädt. Viele davon verschwinden nach kurzer Zeit wieder, aber von allen Shows dieses Formats ist Fergusons die meisthochgeladene auf YouTube.

Seit 2011 verfolge ich die Show nun regelmäßig und sie hat meine Art zu lachen verändert. Als Craig Ferguson 2005 den Sendeplatz vom Vorgänger Craig Kilborn übernahm, war die Show im großen und ganzen eine typische Late-Night-Talkshow: Ein kurzer Comedy-Monolog, danach ein Segment in der Craig Emails von Zuschauern beantwortete, danach zwei Talkgäste, am Ende vielleicht noch ein Auftritt einer Band. Die grobe Struktur hat sich bis jetzt nicht verändert, aber der Inhalt und die Ausführung des Formats. Die ersten paar Jahre lang revolutionierte Ferguson zunächst den Monolog, in dem er meist ein größeres Thema behandelte und es mit viel persönlichen Erfahrungen anreicherte.

Zwei der berühmten Monologe dieser Zeit war sein hochemotionaler Nachruf auf seinen am Tag zuvor verstorbenen Vater und sein Monolog zu Britney Spears' Zusammenbruch, als sie sich die Haare abrasierte und in die Entzugsklinik eingewiesen wurde. Er erzählte dem überraschten Publikum, dass er keine Witze über Britney Spears machen wolle, weil er nicht damit zurecht kommt, auf Kosten von Menschen mit Problemen seine Scherze zu machen, nicht zuletzt zumal er selbst 1992 wegen massivem Alkoholmissbrauchs in die Entzugsklinik ging und seit dem trockener Alkoholiker ist.

Im Laufe der Jahre nahm die Ernsthaftigkeit Fergusons in seiner Show ab und verwandelte sich mehr und mehr in anarchische Varieté-Improvisations-Comedy. Die Monologe waren nur noch lose an Stichpunkten und kleinen Witzen orientiert, die Interviews mit den Gästen aus dem Showbusiness waren echte Konversationen ohne vorbestimmte Interview-Fragen. Obwohl er von seinen Autoren jede Show für jeden Gast ein paar Fragen-Zettel zur Verfügung gestellt bekommt, zerreißt er zu Beginn des Interviews die Zettel und quatscht dann einfach munter drauf los. „Ich tue das um meiner Verachtung gegenüber dem Format in dem ich arbeite Ausdruck zu verleihen“, erklärt er regelmäßig Gästen die von seiner Art diese Show zu präsentieren noch nichts wussten.

Bis zum Jahr 2010 zog Ferguson seine Show als einziger ohne Sidekick durch, doch dann kam er auf eine absurde Idee: Er ließ einen Skelett-Roboter bauen, der ein paar vorher aufgenommene Einzeiler aufsagen konnte, nannte ihn Geoff Peterson und führte ihn als Sidekick ein, wiederum um sich über das Format lustig zu machen. Der Schauspieler und Stimmenimitator Josh Robert Thompson sprach die Sätze ein, alle paar Wochen gab es neue Sätze von denen Ferguson nichts vorher erfuhr, so dass er regelmäßig bei Antworten des Roboters fürchterlich lachen musste.

Wie es aber eben so kommt, wandelte sich Geoff Peterson von einem elaborierten Witz über die Position des Sidekicks zum besten Sidekick aller Zeiten: Thompson begann im April 2011 den Roboter live im Studio zu steuern und zu sprechen. Und da Thompsons Humor und Schlagfertigkeit mit Craig Ferguson derart zusammenpasste, wurde aus den beiden ein Dream Team. Welch Ironie.

Später kam zum Late-Late-Show-Zoo noch ein sprechender Nashornkopf hinzu und … ein Pferd namens Secretariat. Zwei Produktionsassistenten im Pferdekostüm warteten backstage jede Show darauf ob Ferguson einen Klingelknopf drückte und „Who's that at the door??“ brüllte, worauf zu ganz arg schlechter Dancefloormusik das Pferd ins Studio „galoppierte“, wozu Ferguson und sein Studiopublikum aufsprangen und wild mit den Armen fuchtelten. Ja, es ist so absurd wie es sich anhört. Als die Show 2012 in ein größeres Studio umzog, wurde dem Pferd ein eigener Stall im Studio gebaut und es wurde zu einer Art zweitem Sidekick neben Geoff, dem Roboter.

Wenn man Craig Fergusons Humor beschreiben würde, müsste man vermutlich das Wort „albern“ verwenden. Er ist unglaublich schnell und schlagfertig, kann dabei von philosophischen Themen direkt zu einem Peniswitz und einer spontanen Bill-Clinton-Einlage wechseln. Das Repetitive einer täglichen Talkshow mit zehn Minuten Monolog jeden Tag nutzt er auf seine Weise: Er bringt immer wieder die selben Witze, die merkwürdigerweise aber meistens wieder aufs neue witzig sind, weil er sie mit einem solchen verschmitzten Augenzwinkern präsentiert, dass es eine wahre Freude ist. Jedes mal wenn er etwas über Paul McCartney erzählt sagt er „Do we have a picture of Paul McCartney?“, worauf ein Bild von Angela Lansbury eingeblendet wird. Einfach so. Seit zehn Jahren. Immer wieder.

Und Josh Robert Thompson? Er ist eine wahre Schatztruhe an albernem Humor. Seit dem Umzug ins neue Studio baute sich seine Rolle in der Show immer weiter aus: Er „ruft im Studio an“ (ein uraltes Telefon steht auf Craigs Tisch, er macht keinen Hehl darum dass es nicht echt ist), meistens während des Emailsegments, und spielt dabei die unterschiedlichsten Charaktere: Celebrities wie Morgan Freeman, Matthew McConaughey oder Robert DeNiro, aber auch spontane Eigenkreationen wie „Jerry from room service“, „Evil Santa“ oder „Cheese steak Serge“. Dass Fergusons Show keine Band hat, trotzdem aber für musikalische Gäste oder Stand-Up-Comedians eine zweite Bühne mit rotem Vorhang vorhanden ist, resultierte in einer weiteren spontanen Spielwiese für Thompson: Der „Band hinter dem Vorhang“, the shyest band in late night, der Shyfellas, die zu schüchtern sind und deswegen hinter dem Vorhang spielen. Thompson gab jedem einzelnen fiktiven Bandmitglied spontan einen Namen und einen Akzent. Es ist wirklich spontan improvisiert, alles davon. Vieles davon funktioniert nicht wirklich, was dann erst recht lustig ist. Und wenn Craig Ferguson plötzlich einen Lachkrampf bekommt, dann kann man nicht anders als selbst zu Tränen lachen.

Seine Energie ist so ansteckend, sie fehlt den großen beiden Talkshow-Giganten, die beide dieses Jahrs ihren Abschied nahmen bzw. verkündeten: Jay Leno und David Letterman. Am ehesten lässt sich Ferguson noch mit Conan O'Brien vergleichen, weswegen sich Ferguson auch zu Beginn den Spitznamen „that scottish Conan guy“ verpasste.

Ach, ich könnte noch stundenlang weitererzählen über die Absurditäten dieser Show, darüber wie er die Interviews mit Schauspielern gerne mit einer awkward pause beendete. Wie er früher den Beginn der Show, vor dem Vorspann, oft mit Puppen absolvierte, vor allem mit einem weißen Häschen namens Sid, der mit süßlicher Stimme permanent fluchte, was natürlich ausgebleept wurde. Wie er die Show durchzog als mehrmals das Licht nicht funktionierte, oder es durch ein Loch im Dach hereinregnete. Wie er stets betont „I don't give a fuck“. Wie er zu Beginn der Show oft Leute aus dem Publikum auf die Bühne holt, ihnen eine Frage stellt (die immer beginnt mit „Iceland is in the North Atlantic, it's capitol city is Reykjavik...“) und sie daraufhin auf Kosten des Senders in ein teures Restaurant schickt. Wie er mehrmals scherzte dass er als Showband gerne Richie Sambora von Bon Jovi hätte, nackt, mit einer Ukulele und Monate später tatsächlich Richie Sambora auftauchte und mit seiner Band eine Woche lang die Show beschallte. Wie aus der Bemerkung von Thompson, Fergusons Imitation von Jay Leno klänge wie das Summen einer Fliege, eine ganze Armada von celebrity flies entstand. Aber ich muss aufhören.

Kaum jemand in Deutschland – einem Land in dem das Late-Night-Format ja überhaupt nicht funktionieren wollte, abgesehen von Harald Schmidt (einer fast 1:1-Kopie von David Letterman) – kennt Craig Ferguson, den Ex-Schlagzeuger („The Dream Boys“/“The Bastards From Hell“ zusammen mit dem neuen Doctor Who, Peter Capaldi), den Schauspieler („Grasgeflüster“, auch von ihm geschrieben), den Autor („Between The Bridge And The River“, „American On Purpose“), den Stand-Up-Comedian, den Voice Actor („Drachenzähmen leicht gemacht“, „Winnie the Pooh“, „Merida“) … ich habe ihn auch nur eher zufällig entdeckt, aber er hat meine letzten vier Jahre bereichert. Ich habe wohl noch nie so viel gelacht wie seit 2011. Danke, Craig! Und danke, Josh! Heute nacht kommt die letzte Folge. Ich fürchte ich werde ein Tränchen verdrücken.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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