Die ersten Säugetiere in der Welt der Saurier

Island Comedian und Punkrocker Jón Gnarr war vier Jahre Bürgermeister von Reykjavik. In der Late Late Show sprach er mit Host Craig Ferguson über die "Politik der Nicht-Politik"

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die ersten Säugetiere in der Welt der Saurier

Foto: Screenshot Youtube

Einer meiner Lieblingsmenschen im Fernsehen ist Craig Ferguson, ein in den USA lebender Schotte aus Glasgow, ein Stand-Up-Comedien, der nach turbulenter Trinksucht- und Drogen-Karriere –mittlerweile 20 Jahre clean – derzeit sein zehntes und letztes Jahr die Spätnachts-Talkshow The Late Late Show (CBS) moderiert. Mit anarchischem Humor und zu 90 Prozenz komplett improvisierten Shows, mit dem "gay robot skeleton" Geoff Peterson und dem Pantomimepferd Secretariat als wohl die besten als auch verrücktesten Sidekicks, hält er die Leute wach, während er dabei bewusst das strenge Format der Late Night Talk Show (David Letterman, Jay Leno etc.) karikiert und ins Lächerliche zieht. Es ist eine absurde, oftmals zum Schreien komische Show, die ihresgleichen sucht.

Manchmal hat Ferguson auch mal wirklich interessante Gäste, wie letzte Woche den Ex-Bürgermeister von Reykjavik, einen Punk-Comedien, der vier Jahre lang mit seiner "Besten Partei" die Geschicke in Islands Hauptstadt geleitet hat und tatsächlich erfolgreich war. Hier ist dasInterview. Da Ferguson selbst sehr schnell spricht und mit leichtem schottischen Akzent, und Gnarr mit starkem isländischen Akzent, habe ich die entscheidenden Passagen auf deutsch transkribiert.

Was ich noch anmerken sollte: Über die tatsächlichen politischen Entscheidungen und Maßnahmen zu Gnarrs Zeit als Bürgermeister wird hier kaum ein Wort verloren, aber es macht wahrlich neugierig auf sein neues Buch, Gnarr. In den Anmerkungen links habe ich noch ein paar Links beigefügt mit Interviews und Artikeln über Jón Gnarr, die sich sicher etwas seriöser lesen als eine typische Craig-Ferguson-Konversation.

Craig Ferguson: Du bist ganz klar jemand der sich wohler fühlt in der Welt der Kunst als in der Welt der Politik. Wie kam es dazu dass du der Bürgermeister von Reykjavik wurdest?

Jón Gnarr: Nun, Island wurde von der Finanzkrise sehr hart getroffen.

Ja, wir haben davon gehört, ihr wart pleite.

Ja, „im Prinzip“ pleite. Was ist der Unterschied zwischen „im Prinzip“ pleite sein und pleite sein?

Hattet ihr genug zu essen?

Ja.

Das ist der Unterschied.

Und daraufhin herrschte viel Verwirrung, Angst und Wut. Und die Menschen begannen alles zu verlieren, ihre Häuser, ihre Autos, ihre Jobs. Und dann hörten wir dass wir in ein Programm mit dem IMF eintreten, das klang sehr ernst.

International Monetary Fund.

Und weil ich immer schon ein unabhängiger Künstler war, habe ich herumgefragt, was ist der IMF? Und die Leute sagten, weißt du was das erste ist was der IMF macht, wenn ein Land in so ein Programm eintritt? Sie beginnen damit, alle Kunst- und Kultursubventionen zu kürzen oder zu streichen.

Echt?

Ja, das ist was sie tun, Theater schließen und so weiter. Also … kam mir einfach diese Idee: Warum erfinden wir nicht eine neue Art von Politik?

Ich bin ganz Ohr!

Ich bin Comedien, ich bin ein sympathischer Kerl, die Leute mögen mich …

Ja absolut, du bist ein gutaussehender Mann, ich würd mit dir rummachen.

Nee klar, und vielleicht kann jemand wie ich einen Platz einnehmen in all der Verwirrung. Es gab Aufstände vor dem Parlament, jeden Tag, und Leute wurden verletzt und ich dachte, vielleicht kann jemand wie ich auftreten und einen Unterschied machen.

Und ist dir das gelungen?

Ja, das ist es. Ich erfand die „Beste Partei“. Die „Politik der Nicht-Politik“.

Ich bin ganz Ohr!

Nicht rechter Flügel, nicht linker Flügel, kein Flügel. Es ist keine politisch Partei in dem Sinn, es ist mehr eine demokratische Selbsthilfegruppe.

Das ist saugeil!

Ja, ich habe einfach Freunde über Facebook kontaktiert, weil ich Namen brauchte für den Wahlzettel. Also hab ich Freunde über Facebook kontaktiert und ihnen gesagt, passt auf ich habe hier diese politische Partei gegründet, ich nenne sie die „Beste Partei“, weil das ein sehr cooler Name ist, und ich lasse mich für die nächste Wahl aufstellen und ich brauche Leute für die Wahlliste, seid ihr dabei? Und die Leute sagten „Klar! Wird das ein harter Job?“ - „Neeeee, wahrscheinlich nicht. Ich brauche eigentlich nur eure Namen und ein Foto.“ Und so hab ich die Wahlliste gemacht. Und dann ging der Wahlkampf los und wir hatten kein richtiges Wahlprogramm, kein Manifest, außer dass wir helfen wollten und Spaß dabei haben.

Und was habt ihr dann vorgeschlagen? So weit ich im Buch bisher fortgeschritten bin, wolltet ihr die Dinosaurier aus Jurassic Park in Island freilassen. Stimmt das?

Ja das stimmt.

Dafür würde man euch hier auch wählen. Was mich fasziniert: Deine Zeit als Bürgermeister war sehr erfolgreich. Die Stadt gedieh unter der Besten Partei, die eine richtige Partei wurde. Ich frage weil ich ja arbeitslos bin am Ende des Jahres …

Nun, wir haben einen guten Job gemacht und ich bin sehr stolz darauf was wir geschafft haben. Und ich weiß nicht genau warum ich es getan habe. Ich fühlte mich inspiriert und es hat mir Freude gegeben, die ganze Kampagne. Zum Beispiel sich Wahlversprechen ausdenken. Wofür steht ihr? Und ich hab die Leute gefragt: Wofür wollt ihr dass ich stehe? Und dann sagten die „Steh für Ehrlichkeit!“ und ich so „Yeah! Wir stehen für Ehrlichkeit!“. Und was wollt ihr dass ich verspreche? Ich hab gesagt: „Ich bin ganz ehrlich zu euch: Ich werde all meine Versprechen brechen!“ Nach der Wahl. Weil das Tradition in der Politik ist.

Ja, jeder tut es, warum also es nicht gleich offenherzig zugeben.

Also hab ich gefragt was ich versprechen soll. „Kostenlose Handtücher in den Bädern!“ - „Klar, wird gemacht, wählt mich und ihr bekommt Handtücher für umsonst.“

Und hast du dieses Versprechen gebrochen?

Ja, ich hab alle gebrochen.

Denkst du dass du weiter in der Politik bleibst?

Nein, das reicht mir. Ich war vier Jahre lang Bürgermeister, das war der längste Job den ich je hatte.

Und was jetzt, was wirst du tun? Wie wäre es mit Präsident von Island?

Hm nun darüber wird geredet. Ich weiß nicht. Ich hab mich noch nicht entschieden.

Wenn du Präsident von Island wirst, dann kannst du zu all den großen Welt-Dingern gehen und kannst diesen Arschlöchern auf den Zahn fühlen! Das wäre großartig! Und ich kann mir ausrechnen dass wenn du beliebt in Reykjavik bist, dass das die Wahl in Island entscheiden müsste.

Ja die Mehrheit lebt in Reykjavik. Mit dem Titel des Buches „Wie ich Bürgermeister einer großen Stadt in Island wurde“ …

Es gibt nur eine.

Es gibt nur eine große Stadt in Island.

Nun ich finde schon dass du dir das überlegen solltest, eine einflussreiche Position auf der Weltbühne einzunehmen. Wir brauchen mehr Menschen wie dich! Das tun wir wirklich! Was nämlich zum Beispiel hier in den USA passiert ist, die Leute beginnen zu vergessen was Politik und Gesetzgebung wirklich sind. Der Hauptteil der Politik scheint zu sein, den anderen Typen zu hassen. Und das wird langsam lästig und langweilig.

Was wir wirklich brauchen ist mehr Empathie, mehr Betonung auf Empathie. Bei allem.

Wurdest du angegriffen? Du musst angegriffen worden sein, wenn du in der Politik bist, vom Gegner. Was haben die über dich gesagt? Du warst in Punkrock-Bands …

Sie nannten mich einen Idioten. Ich bin ein Idiot, ich bin ein Clown. Ich bin nicht qualifiziert für den Job. Ich mache meinen Job nicht. Und wenn ich ihn tue, dann mache ich ihn falsch. Und wenn ich etwas tue, sollte ich etwas anderes tun …

Aber das ist das was alle Politiker über alle anderen Politiker sagen, da ist nichts neues dabei. Der Clown ist ein interessantes Bild. Kennst du den Clownfisch? Der Clownfisch sieht aus wie ein Clown und schwimmt in den Tentakeln der Seeanemone und scheidet dabei Zucker aus, wodurch die Seeanemone ihn nicht als Futter ansieht und ihn ignoriert. Und während die Seeanemone diesen Feind nicht sieht, frisst der Clownfisch die Anemone von innen auf. Nun, das ist zwar nicht wahr, aber wenn es das wäre, wäre das nicht großartig?

Das wäre großartig. Ich glaube die Beste Partei wird sich weltweit ausbreiten. Ich sehe die Ideen der Besten Partei und den Fakt dass wir erfolgreich waren als die ersten kleinen Säugetiere in der Welt der Dinosaurier. Sie leben im Untergrund, in Erdlöchern, und die Dinosaurier trampeln auf der Erde umher „Wir sind die Dinosaurier, wir herrschen über die Erde!“

Und dann … BOOOOM!!! Okay, du wirst einige Aufmerksamkeit erregen bei Leuten überall auf der Welt, wenn du solche Dinge sagst. Einige mächtige Leute werden das nicht gerne hören. Bekommst du da Angst?

Meinst du das Auge Saurons richtet sich auf mich?

In gewisser Weise ja, sie werden sich dich genau anschauen. Wer ist dieser Störenfried?

Jetzt machst du mich nervös.

Ich weiß, ich denke es ist Zeit in die Chuckle Hut [Lach-Hütte, quasi Comedy Club, Anm.] nach Reykjavik zurückzukehren. Es war toll dich kennenzulernen und viel Glück bei wofür du dich auch immer entscheiden wirst!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

Ernstchen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden