Der gläserne Journalist

Medientagebuch Zwei "Zeit"-Journalisten klagen gegen das ZDF, welches ihre Nähe zu Lobbygruppen aufzeigte. Es stellt sich die Frage: Wie viel Transparenz brauchen die Medien?
Ausgabe 40/2014
Stein des Anstoßes: die Sendung der "Anstalt" vom 29 April 2014
Stein des Anstoßes: die Sendung der "Anstalt" vom 29 April 2014

Foto: Screenshot, Youtube

Satire darf alles, Kabarett offenbar nicht. Derzeit stehen die Macher der ZDF-Sendung Die Anstalt vor Gericht. Es klagen zwei Zeit-Journalisten, Josef Joffe und Jochen Bittner. Ihre Namen wurden in einer Folge der Anstalt in Zusammenhang gebracht mit verschiedenen Lobbygruppen für pro-westliche Sicherheitspolitik. Verhandelt wurde nun vor Gericht, wer wo „Mitglied“ war oder ist und was man als „Organisation“ bezeichnen darf. Es sind spitzfindige Details, die für das Gewissen der klagenden Journalisten bedeutend sein mögen. Für den eigentlichen Skandal, der in der Sendung aufgezeigt wurde, ist das aber irrelevant: die Nähe von Journalisten zu Lobbyisten.

Gegenstand des Rechtsstreits: Die Sendung Die Anstalt vom 29.04.2014

Studenten haben anlässlich der Diskussion um Die Anstalt ein Computerprogramm entwickelt, mit dem Internetnutzer die Verbindungen von Journalisten zu Lobbygruppen sehen können. Wer sich das Add-on Cahoots installiert und auf Nachrichtenseiten surft, sieht manche Autorennamen rot hinterlegt. Fährt die Maus darüber, werden die Lobbygruppen angezeigt und jeweils ein Link, der die Verstrickung belegt. Im Prinzip werden mit Cahoots zwar nur öffentlich zugängliche Informationen gesammelt. Trotzdem sind sie nun einfacher abzurufen. Und damit stellen sich für Journalisten zwei Fragen: Wie viel Transparenz brauchen wir? Wie viel Transparenz wollen wir?

Vorschreiben lässt sich das sicherlich nicht. Das wäre ein Eingriff in die Pressefreiheit, zudem lässt sich nur schwer eine Grenze zwischen Journalisten und Bloggern ziehen. Den gläsernen Bürger will sicher niemand. Trotzdem sollten Journalisten über ihre ethischen Prinzipien diskutieren, und dazu gehört auch die Frage, welche Mitgliedschaften sie offenlegen. Und auf wie viel Transparenz möglicherweise auch die Verlagshäuser bestehen sollten.

Geld oder Ämter

Die Antwort ist simpel: Überall, wo es zu Interessenkonflikten kommen kann, sollte dies kenntlich gemacht werden. Das ist der Fall, wenn es Abhängigkeiten gibt. Wer Geld von einem Verein oder einem Unternehmen bekommt, fühlt sich vielleicht nicht korrupt, wenn er einen wohlwollenden Artikel schreibt. Schließlich findet er die Sache gut und steht reinen Gewissens hinter seinen Worten. Aber wie sähe es aus, wenn er nach der Recherche gern etwas Kritischeres geschrieben hätte? Also gehört das immer offengelegt.

Es gibt auch andere Abhängigkeiten. Wer Vorstandsmitglied im SPD-Ortsverein ist, wird sich womöglich mit Kritik an sozialdemokratischen Bundespolitikern zurückhalten, um das freundschaftliche Verhältnis zu seinen Genossen vor Ort nicht zu gefährden. Wer Posten innehat oder auf diese schielt, kommt schnell in Interessenkonflikte.

Die einfache Fördermitgliedschaft hingegen – sei es bei Greenpeace oder der katholischen Kirche – kann durchaus Privatsache bleiben. Das gilt auch für Ämter in Vereinen, die mit dem journalistischen Thema nichts zu tun haben. Niemand verlangt von einem Politikredakteur, unter jeden Artikel zu schreiben, dass er Trainer im lokalen Fußballverein ist.

Sollten befangene Autoren überhaupt in Zeitungen veröffentlichen dürfen? Natürlich, sonst dürfte Katja Kipping keinen Gastbeitrag zur Situation der Linkspartei mehr schreiben. Hier ist klar, dass der Interessenkonflikt benannt ist. Das sollte für alle gelten.

Was das für mögliche Mitgliedschaften und Hintergrundrunden der Zeit-Journalisten heißt, welche Abhängigkeiten es gab und gibt, das müsste dann im Detail geklärt werden. Angesichts des Gerichtsprozesses gegen das ZDF ist davon auszugehen, dass sie möglichst wenig offenlegen wollen und im Zweifel lieber Wortklauberei betreiben und sich herausreden.

Auch wenn das in diesem Fall nicht helfen mag, weil die Situation schwer zu beurteilen ist: Wir brauchen endlich Transparenzregeln.

Hinweis: Die letzten beiden Absätze wurden ergänzt und präzisiert.

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