Die Verwunderung war groß und auch Skepsis und Ablehnung standen nicht abseits. Doch am 22. Dezember letzten Jahres wurde in Königshain-Wiederau ein Zeltlager für ausschließlich männliche Flüchtlinge in Betrieb genommen. Während viele immer noch ungläubig die Weihnachtsfeiertage zur Besinnung brauchten, reagierten andere prompt. Etliche Dorfbewohner gingen die Sache unaufgeregt und pragmatisch an und leisteten Beistand und Hilfe.
Mitmenschlicher Pragmatismus
Seither wuchs neben der Zahl der Lagergegner auch die Zahl der Helfer. Für ein sächsisches Dorf – im selben Landkreis wie Clausnitz gelegen – hat sich eine außergewöhnliche ehrenamtliche Arbeit zur Einbindung der neuen Nachbarn entfaltet. Man fuhr die Flüchtlinge in nahegelegene Städte, kochte mit ihnen, arbeitete mit ihnen, schulte sie und vermittelte Patenschaften.
Die Gegner ließen sich nicht von dieser Arbeit beeindrucken, welche die angespannte Lage in geordnete Bahnen gelenkt hat. Eine Unterschriftenaktion gegen das Lager wurde angestrengt, für den morgigen Samstag wird zur Demonstration gegen die Asylpolitik geladen. Die Umstände schienen dem Landrat, dem Clausnitz noch in den Knochen steckt, nicht geheuer. Aus „wirtschaftlichen“ Gründen wurde am Dienstag dieser Woche überraschend eine Verlegung aller Flüchtlinge aus der Ortschaft beschlossen. Die Flüchtlingshelfer konnten es nicht fassen – und handelten abermals pragmatisch.
60 Flüchtlinge und ihre Paten
Um die 60 Männer, denen man in zwei Monaten näher gekommen ist, im Ort zu halten, wurde eine vorübergehende private Unterbringung vorbereitet. Diese wurde gestern – zur Abwendung der Verlegung – vollzogen. Der angereiste Landrat staunte nicht schlecht über die entstandenen Strukturen und setzte die Verlegung der Flüchtlinge um vier Wochen aus. Dieser Vorgang dürfte im ländlichen Sachsen in diesen Tagen einmalig sein.
Morgen zeigen vor diesem Hintergrund Gegner und Helfer in Königshain-Wiederau Flagge. Die einen bei einer Kundgebung, bei der sie die „Gefahr für unsere Frauen und Kinder“ betonen. Die anderen bei einem Friedensgebet, bei dem sie still die Bewältigung der Lage durch die alltägliche Arbeit mit Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Dort werde ich sein, denn das ist meine Heimat.
http://www.mdr.de/mediathek/mdr-videos/a/video-864.html
Update vom 01.03.2016:
Eindrücke aus Wiederau und vom Friedensgebet - Bilderstrecke (27.02.2016):
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