Bürgermeisterkandidat Eike Schmidt: Als Kultur-Sheriff ist er ein Segen für Giorgia Meloni
Italien Der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt war Leiter der Uffizien, nun will er Bürgermeister von Florenz werden – mit Unterstützung der rechten Regierung. Die Linke hat ihm derzeit wenig entgegenzusetzen
Wahlprognose 30 Prozent: Eike Dieter Schmidt will Drogenhändler aus dem Stadtpark wie Ticket-Schwarzhändler vor den Uffizien verjagen lassen
Foto: Giovanni Cipriano/NYT/Redux/Laif
Eike Dieter Schmidt ist einer jener Menschen, ohne die der Kunstbetrieb nicht wäre, was er ist. Ziemlich kompetent, ziemlich vernetzt, ziemlich aktiv und ziemlich machtbewusst. Dass es so einen nach Italien und dann in die Politik zieht, ist so verständlich wie problematisch. Nachdem er von 2015 bis 2023 die Uffizien in Florenz leitete, will er nun bei den Kommunalwahlen im Juni Bürgermeister der Stadt werden. Doch sich als immer wieder ziemlich teutonisch auftretender Parteiloser von der in Rom regierenden Rechts/Noch-mehr-Rechts/Am-Rechtesten-Koalition von Giorgia Meloni ins Amt eines Bürgermeisters der ziemlich kulturellen Stadt Florenz hieven zu lassen, ist nicht bloß ein Schachzug im Spiel um die Macht, sondern auch ein kulturpolitisches Schauspiel.
Seht her, d
eht her, die Rechten können nicht nur mediales Gepöbel, sondern auch richtige Kultur! Seht her, wir sind nicht provinziell, sondern einer wie Schmidt, so sagt es der Kulturminister Gennaro Sangiuliano, würde der Stadt Florenz als „erster Bürger“ die „Weihen der europäischen Kultur“ verleihen. Und natürlich gewährt der kulturkämpferische Post-Faschist vom Ministero della Cultura Eike Dieter Schmidt, der seit vergangenem Jahr auch die italienische Staatsbürgerschaft hat, die 45 Tage Wahlkampf-Freistellung von seinem derzeitigen Job, der Leitung des Museo e Galerie Nazionali di Capodimonte in Neapel.Das ist übrigens ein imposantes Gebäude, einst Sommerresidenz der Bourbonen im Königreich beider Sizilien, das die Stadt weit überblickt. Hier kann man schon etwas größenwahnsinnig werden. Dahin kommt man aber auch gern, wenn es mit der politischen Karriere nichts wird, wieder zurück. Im Gespräch mit der Tageszeitung La Repubblica erklärte Schmidt jedenfalls, gar keinen Umzug zu planen, so treu sei er mittlerweile seiner neuen Heimat …Florenz ist traditionell eine linksliberale StadtIn einer Stadt wie Florenz, die traditionell eher zum Linksliberalismus neigt und so etwas wie die heimliche Hauptstadt des europäischen Bildungsbürgertums ist, hätte eine „gewöhnliche“ Kandidatur der Rechten wohl wenig Aussichten. Eine parteilose, internationale und auch dem weniger kunstaffinen Publikum bekannte Größe ist da schon eine andere Sache, zumal Schmidt (Wahlprognose 30 Prozent) auf eine wieder einmal heillos zerstrittene Linke trifft. Schmidt verkörpert eine Schnittstelle zwischen der einst weltoffenen und kritischen italienischen Kulturszene und der militant konservativen bis fascho-nostalgischen Mitte des Kleinbürgertums, das Pier Paolo Pasolini einst als „das bornierteste der Welt“ bezeichnet hat.Für diese Scharnierfunktion ist Schmidt die ideale Besetzung. Einer, der einige der bedeutendsten Museen der Welt geleitet hat, der sich in den Medien als „Kulturmensch mit Herz“ präsentieren kann und der sich als Manager und „harter Hund“ profilierte: Er ließ die Ticket-Schwarzhändler vor dem Eingang der Uffizien verjagen wie Jesus die Wechsler aus dem Tempel, und während er sich für Restitutionen stark machte, führte er einen privaten Wachdienst ein, der in und um sein Museum martialisch für Ruhe sorgte. Alles in allem wird behauptet, er habe die Uffizien „besucherfreundlicher“ gemacht, und das hat ihm zugleich das Image eines erfolgreichen Machers und eines „Kultur-Sheriffs“ eingebracht, der nichts Chaotisches in seinem Reich duldet und damit Erfolg generiert. Auch als Bürgermeister von Florenz werde er, so verspricht Schmidt, weniger Politiker und mehr „Manager“ sein.Vor seiner Bürgermeisterkandidatur brach Schmidt gewiss nicht zufällig einen fachlich übrigens völlig unsinnigen Streit mit seinem Kollegen Sergio Risaliti vom Zaum, dem Leiter des Museo Novecento in Florenz, dem er vorwarf, nur „Blockbuster“-Ausstellungen zu forcieren und außerdem ein zu hohes Salär zu kassieren. Ein offener Brief, den 67 Künstler, Wissenschaftler und Kritiker unterzeichneten, verwahrte sich gegen die Anwürfe, die unschwer auch als Stellvertreterkrieg zu verstehen waren – für den Konflikt, den Schmidt schon gegen den linken Bürgermeister Dario Nardella führt, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidiert.Schmidt soll mehr als ein Aushängeschild sein sollAber die Attacke auf Risaliti hat auch einen kulturpolitischen Hintergrund. Es ist die klassische Auseinandersetzung zwischen einem experimentellen und offenen Kunstbegriff und einer traditionalistischen „Erbe“-Vorstellung. Risaliti hat immer wieder die Kunst der klassischen Moderne mit zeitgenössischen Arbeiten konfrontiert und für eine lebendige Auseinandersetzung gesorgt, die, sagen wir’s höflich, bei Schmidt nicht an erster Stelle steht. Mit anderen Worten: Es ist klar, dass Schmidt nicht nur ein Aushängeschild sein soll, sondern offensive kulturelle „Arbeit“ leisten wird.Der Kulturkampf von rechts ist in diesem Land in vollem Gang. Da wird gegen einen Roman der Autorin Valentina Mira polemisiert, weil den Rechten der „antifaschistische Hass“ darin nicht passt – und zur gleichen Zeit erklärt Sangiuliano im Fernsehen, dass er die Bücher, die er in seiner Eigenschaft als Kulturminister für den Literaturpreis Premio Strega zu jurieren hat, gar nicht gelesen hat. Und da ist der Ex-Faschorocksänger Marcello De Angelis, der sich in seinen Songs ausgiebig antisemitischer Hetze hingab und der allen Ernstes zum Sprecher der Region Lazio ernannt wurde. Das Kino preist Sangiuliano mit beinahe den gleichen Worten, mit denen Mussolini es einst als „wichtigste Waffe“ im Kulturkampf gepriesen hat, nämlich als „Mittel, das Bild der Nation zu verändern“. Die Museen sollen, so der Wille der rechten Kulturpolitik, „nationalisiert“ werden. Da wird das Fernsehen fachgerecht und konsequent bis in die „Nebenposten“ der audiovisuellen Kultur hinein „melonisiert“. Da regen sich Schauspieler (die gern ihr Geld in Hollywood verdienen) öffentlich darüber auf, dass italienische Größen wie die Guccis und Enzo Ferrari von angelsächsischen und nicht von genuin italienischen Darstellern verkörpert werden. Gefördert und gepriesen werden ein „Kinderbuch“ mit antisemitischen Klischees wie I miei stupide intenti von Bernardo Zannoni (wo der Wucherer ein Fuchs namens Salomon ist) oder die Tiraden des Generals Roberto Vannacci, der zum Applaus seiner Anhänger gegen Homosexuelle und Flüchtlinge hetzt und in seinem Buch Il mondo al contrario LGBTIQ+, jugendliche ökologische Bewegungen und ethnische Minderheiten als „Feinde“ im eigenen Land bezeichnet, das schließlich „seit achttausend Jahren aus weißen Menschen besteht“.Aber mit alledem nicht genug. Der ligurische Senator Gianni Berrino von der Regierungspartei Fratelli d’Italia bringt einen Gesetzesentwurf ein, wonach künftig Journalistinnen und Journalisten, die sich der „Verleumdung“ von Staat und Regierung schuldig machen, mit bis zu vier Jahren Gefängnis, mindestens aber mit einer Geldstrafe von 12.000 Euro belegt werden sollen. Gewiss wird das nicht durchkommen, aber die Richtung ist klar: Premierministerin Giorgia Meloni und ihre Entourage sind drauf und dran, Italien auch in Sachen Kultur, Kunst und Kritik faschistisch umzubauen.Er selbst hält sich für einen „Mann der Mitte“Dass sich Eike Dieter Schmidt in dieser Situation „zur Verfügung stellt“, ist schlimm genug. Wenn er aber in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vollmundig (und leider unwidersprochen) behauptet, dass es ein deutsches „Missverständnis“ sei, die „Brüder Italiens als rechtsaußen zu bezeichnen“, vielmehr sei es doch so, dass „diese Regierung sehr weit nach rechts, aber auch zur Mitte hin offen“ sei, dann ist das schon recht dreist. Er selbst bezeichnet sich natürlich als „Mann der Mitte“ und verspricht deswegen auch als erstes für Florenz, „die Sicherheit und die öffentliche Ordnung wieder herzustellen“, schließlich sei der Stadtpark zu einer Bühne des „internationalen Rauschgifthandels“ geworden, was eine vornehme Umschreibung für „kriminelle Ausländer“ ist.Die Kultur ist eines der wichtigsten Mittel im Kampf der Zivilgesellschaft gegen Anti-Demokraten und Neofaschisten. Längst wurde sie von der Rechten zum „Schlachtfeld“ erklärt, politisch (zum Beispiel durch die nepotistische Besetzung der Posten und Pöstchen durch treue Melonist*innen) und meta-politisch (durch die Verwandlung lebendiger Szenen in straff organisierte Mythen-Verwaltung). Eike Dieter Schmidt ist nur ein besonders begabter Darsteller für das verräterische Drama einer kulturellen Legitimierung der Anti-Demokratie. Wenn er und die Berrinos dieses Landes das Sagen haben werden, riskiert man mit einer solchen Aussage das Gefängnis.
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