Stumm ist nur die Gewalt

Minderheiten in Tansania Während viele Länder den Gaypride zelebrieren, wagt sich ein tansanischer Sender aus der Unterdrückung hervor. Mit katastrophalen Folgen.

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Moderatorin Zamaradi Mketema (li.) verteidigte nach der Ausstrahlung ihre Entscheidung, sich dem Thema Homosexualität zu widmen
Moderatorin Zamaradi Mketema (li.) verteidigte nach der Ausstrahlung ihre Entscheidung, sich dem Thema Homosexualität zu widmen

Foto: Screenshot/Youtube

Es ist heiß in Dar es Salaam. Einige, nicht wenige sitzen vor ihren Fernsehgeräten und wundern sich. Im Jugendkanal CloudsTV läuft ein Interview. Das erste Interview in der Geschichte Tansanias, indem ein Homosexueller von seinem Leben in einem Land erzählt, in welcher „Kultur“ und „Religion“ als Rechtfertigung für die Unterdrückung von Anderslebenden und Andersdenkenden gilt.

Die Anderen sind neben Opfern von Vergewaltigungen, Oppositionellen, Atheisten und alleinstehenden Frauen eben auch sexuelle Minderheiten. Menschen die sich permanent gesellschaftlichem Druck ausgesetzt sehen und selten, eigentlich nie, Schutz beanspruchen können.

Heute also, das erste Mal im Fernsehen. Nachrichten von Freunden erreichen mich, die fassungslos taumeln zwischen Begeisterung, Mitleid und Unsicherheit. Was dieses Interview in einem Land auslöst, welches sich zwar als Demokratie bezeichnet, demokratische Grundsätze wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Religionsfreiheit hingegen mit Füßen tritt, wird ab dem nächsten Tag deutlich. Staatliche Medien, und davon gibt es in Tansania viele, beschwören direkt die altbekannten Töne. Homosexualität „ist nicht unsere Kultur“, es ist „nicht vereinbar mit afrikanischen Grundsätzen“ und es widerspricht dem „religiösen Verständnis der Gesellschaft“. Die Ministerin für Information, Kultur, Jugend und Sport Fenella Mukangara schließt sich diesen Meinungen an und lehnt sich damit keinesfalls weit aus dem Fenster. Auch die Beauftragte für Menschenrechte vom Legal and Human Rights Center Helen Bisimba, sieht diese Meinungen keineswegs kritisch. Eigentlich nicht verwunderlich, so fiel die Direktorin, der von Geberländern finanzierten Organisation, in der Vergangenheit mehrfach durch diskriminierende Äußerungen auf. Es scheint, als werden die Argumente von niemanden außer den Betroffenen selbst bezweifelt. Und die, die betroffen sind, werden sich weiter verstecken müssen. Homosexualität ist strafbar, erpressbar und führte in der Vergangenheit nicht selten zu Attacken auf Minderheiten. Vor einigen Jahren wurden aus allen Parteien Wünsche laut, dass die Gesetzte aus dem Nachbarland Uganda, zur Legitimierung von Tötungen an Homosexuellen, eben auch in Tansania Einzug erhalten müssen. Der vorherige Präsident Kikwete war für solchen Aktionismus nicht zu haben und schwieg die Thematik aus.

Der neue Präsident Magufuli, der nach Steuererhöhungen, Zwangsumsiedlungen und wirtschaftlicher Stagnation aus dem Fernsehinterview Profit schlagen will, verkündete nun, dass jegliche homosexuelle Aktivität umgehend bestraft wird. Dass er sich dabei auf ein Gesetz der verhassten britischen Kolonialisten beruft, scheint niemanden zu stören. Die Kirchen rufen wiederholt zum Kampf gegen sexuelle Minderheiten auf. Veranstalten Gottesdienste wo mit Hasspredigten gegen bekannte Homosexuelle gewettert wird. Das Parlament (Bunge) berät über weitere Gesetzesverschärfungen und während all diese Institutionen Verschärfungen planen, ist das wohl mächtigste Instrument vieler afrikanischer Gesellschaften bereits im vollen Gange: mobjustice. Ungezählt sind die durch Verfolgung und Ermordung Getroffenen, ungehört und unerzählt ihre Geschichten und ungesühnt die Taten der Verbrecher.

Stumm ist eben nur die Gewalt.

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Geschrieben von

Martinus Oktobre

Moral, Moral ist wer moralisch ist, versteht er?

Martinus Oktobre

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