Einfach nur obszön! Gas-Umlage schützt Profite und macht Menschen arm
Meinung Die Profite einiger Konzerne lässt die Ampel-Koalition unangetastet, Uniper rettet sie. Für all das bezahlen sollen die Gaskunden – das ist unhaltbar und muss auch anders gehen
In manchen Wochen schlägt einem die Gleichzeitigkeit von irren Nachrichten einfach ins Gesicht. So geschehen in der Ferienzeit, als Ende Juli bekannt wurde, dass Energiekonzerne weltweit satte Milliardengewinne einfahren und sich damit eindeutig an der Krise bereichern. Wenige Tage zuvor: Der deutsche Staat springt mit 15 Milliarden Euro beim schwächelnden Gasimporteur Uniper ein, um die Energieversorgung sicherzustellen. Denn dieser ist als Gaskäufer direkt abhängig von russischem Gas und der Nord-Stream-1-Pipeline. Im gleichen Moment bringt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Gasumlage ins Spiel, von der jetzt bekannt wird, dass sie 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen und Familien im Winter eine um mehrere hundert Euro höhere Heizrechnung bescheren wird.
Im Klartext:
28;ngig von russischem Gas und der Nord-Stream-1-Pipeline. Im gleichen Moment bringt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Gasumlage ins Spiel, von der jetzt bekannt wird, dass sie 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen und Familien im Winter eine um mehrere hundert Euro höhere Heizrechnung bescheren wird.Im Klartext: Die obszönen Gewinne einiger Energieunternehmen bleiben unangetastet, negativ betroffene Unternehmen werden vom Staat gerettet, und bezahlen werden die Mehrkosten hauptsächlich die Gaskunden.Der Clou an der Rettung von Uniper besteht darin, dass der Staat es mit nur 30 Prozent gekauften Anteilen nicht vermag, die Versorgung grundsätzlich zu steuern, sondern nur die Risiken abfedert, weitere Kredite in Aussicht stellt und vor allem die Verordnung zur Umlage der Preise an die Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Immerhin: Das Unternehmen versichert dem Staat, keine Dividenden mehr auszuzahlen. Uniper hatte bis 2020 jährlich circa eine halbe Milliarde Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Dieses Zugeständnis ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solange alle anderen Krisengewinne unangetastet bleiben.Bisher ging der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) davon aus, dass man die Übergewinne nicht ermitteln könne. Kann man eben doch: Laut einer gerade veröffentlichten Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit belaufen sich die Übergewinne auf bis zu 103 Milliarden Euro; mit einer kurzfristigen Übergewinnsteuer könnte der Staat, je nach Ausgestaltung, zwischen 30 und 100 Milliarden Euro einnehmen. „Eine Übergewinnsteuer ist verfassungsrechtlich möglich und technisch umsetzbar“, schreibt Christoph Trautvetter, einer der beiden Autoren der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat genau das schon im Juli in einem Gutachten festgestellt. Italien, Griechenland, Großbritannien, Rumänien, Spanien und Ungarn machen es bereits vor. Hinzu kommt: Laut Deutschlandtrend sprechen sich 76 Prozent der Deutschen für eine solche Steuer aus. Die Autoren der Studie schlagen eine nationale Steuer nach dem Vorbild der Digitalsteuer vor. Das hätte den Vorteil, dass internationale Konzerne, die ihr Geld bisher in Niedrigsteuerländern oder Steueroasen lassen, dann auch in Deutschland besteuert würden.Doch danach sieht es bisher nicht aus. Mit der geplanten Gasumlage, die Anfang Oktober in Kraft tritt, und dem Wegfall des 9-Euro-Tickets sowie des Tankrabatts könnte laut Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung die Inflation auf die goldene Marke von bis zu zehn Prozent steigen. Er und Isabella Weber schlugen deshalb schon vor Monaten einen gezielten Preisdeckel auf den Grundverbrauch vor. Auch andere Länder wie Frankreich setzen zumindest eine Gaspreisbremse ein. Das würde auch hier die Inflation hemmen und die Kaufkraft stabilisieren, scheint den Marktradikalen und Zögerlichen in der Ampel-Koalition jedoch zu weit zu gehen.Eine kurzfristige Übergewinnsteuer und ein Gaspreisdeckel wären jedoch unbedingt nötig, um die soziale Schieflage noch abzumildern. Weitere Entlastungspakete für Privathaushalte und bedrohte Unternehmen wird es ebenso geben müssen. Das alles wird für Gewerkschaften, Sozialverbände und linke Akteure schwer genug durchzusetzen sein. In den kommenden Monaten wird sich entscheiden, wer die Rechnung der Krise begleichen wird. Im Moment sieht es so aus, als würde das größtenteils die Bevölkerung tun und der Staat nur dort eingreifen, wo es brennt.Doch selbst wenn es genug Druck auf die Bundesregierung gäbe und die Kosten angemessener verteilt würden, wäre auch das nicht genug. Die Energiekrise zeigt eindrücklich, dass die Gesellschaft abhängig ist von einigen wenigen Energiekonzernen und ihrem Drang nach Profit. Was systemrelevant ist und gerettet wird, entscheiden nicht wir. In einem finanzialisierten Kapitalismus, der diese Oligopole ermöglicht und in dem es auch noch zum Geschäft wird, mit dem Mangel an Lebensmitteln, Energie, Boden und Wasser zu spekulieren, wird uns buchstäblich die Lebensgrundlage mit all ihren Sicherheiten und verbrieften Menschenrechten entzogen.Die Forderung nach Vergesellschaftung – das heißt der öffentlichen und demokratischen Kontrolle von Energieunternehmen, Wohnkonzernen, Wasserwerken oder dem Nah- und Fernverkehr – ist deshalb keine hohle Phrase von sozialistischen Spinnern. Sie ist die einzige Möglichkeit, in Krisen- und Normalzeiten die Kontrolle über die gerechte Verteilung, den Preis und die sinnvolle Nutzung von Ressourcen zu erreichen.
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