Auf der Suche nach dieser ominösen Wahrheit

PR versus Journalismus Zwei Geschwister, ähnlich und doch unversöhnlich. Eine Diskussion in der taz Kantine zeigt: Auch in Sachen Nachwuchs konkurrieren Journalismus und PR miteinander

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Irgendwas mit Medien? Übergänge fließend.
Irgendwas mit Medien? Übergänge fließend.

Miguel Medina/AFP/Getty Images

Wenn man keine Ahnung hatte, was man werden wollte, nuschelte man ein „irgendwas mit Medien“ vor sich hin, berichtet der Marketing- und PR-Berater, Dozent und Blogger Marcus Bartelt über seine eigene Studienzeit. Wenn junge Leute das heute sagen, sei das keine Verlegenheit mehr, sondern Realität. Ob Social Media, Text- oder Video-Blogs – die meisten Studienanfänger verfügten über eine hohe Medienkompetenz, berichtet Bartelt bei der Reihe PR trifft Journalismus zum Thema „Irgendwas mit Medien – Karriere in PR und Journalismus“ in der Kantine des neuen Berliner taz-Gebäudes. Organisiert wird die Reihe von der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Bundesverbands Deutscher Pressesprecher, dem Deutschen Journalistenverband (DJV) Berlin, Landau Media und der meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz.

Ein weiterer Unterschied: Früher sei klar zwischen Werbung („Kauf mich, kauf mich, kauf mich“), und PR im Sinne von Unternehmenskommunikation unterschieden worden, sagt Bartelt. „Diese Grenzen verschwimmen kontinuierlich.“ Außerdem spiele Journalismus für junge Menschen heute kaum noch eine Rolle – zumindest die klassischen Kanäle wie Radio, Tageszeitungen oder Magazine. Gleichzeitig aber wüssten Berufsanfänger, dass der PR-Bereich heute viel von ihnen verlange: nicht mehr nur das Schreiben von Pressemitteilungen, sondern auch Grundlagen des Event-Managements.

Journalismus im Dienste des öffentlichen Interesses

Stimmt das? Interessieren sich junge Menschen nicht mehr für Journalismus? Ist PR attraktiver? Oder verschwimmen die Bereiche sowieso zum Berufsbild eines PR-Journalisten? Keiner der Podiumsgäste scheint die Grenze einreißen zu wollen. Es gäbe zwar viele Journalistinnen und Journalisten, die in der PR arbeiten, sagt Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di. „Die Vermischung sehe ich aber noch nicht so eng, dass man daraus einen Beruf machen könnte.“ Die Gewerkschaft lehne beispielsweise ab, dass in journalistischen Volontariaten Marketing-Inhalte gelehrt werden. Der grundlegende Unterschied: „Journalistische Berichterstattung ist dem öffentlichem Interesse verpflichtet“, betont Cornelia Haß.

„Journalismus beinhaltet ergebnisoffene Recherche“, sagt Dirk Benninghoff, der lange als Journalist tätig war und nun Chefredakteur der Agentur fischerAppelt ist. In der Praxis aber vermischten sich die Bereiche – beispielsweise bei Redakteuren, die im Bereich Native Advertising arbeiten, also Marketing-Texte produzieren, die redaktionellen Inhalten nachempfunden sind.

Auch die Deutsche Presse-Agentur (dpa) verdient ihr Geld nicht mehr nur im redaktionellen Bereich. Es gibt beispielsweise den Bereich „Custom Content“, der Auftragsprodukte wie Texte, Videos oder Grafiken anbietet. Bei der dpa werden die Bereiche strikt getrennt – auch personell, berichtet Patrick Neumann, der sich als Recruitment Officer bei der dpa um Ausbildung und Nachwuchsgewinnung kümmert. Dass die dpa zum August dieses Jahres eine solche Position eingeführt hat, spricht dafür, dass Medienunternehmen zunehmend um gute junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werben müssen.

Arbeit in der Agentur: Geld und Sicherheit?

Die PR-Branche ist dabei ein direkter Konkurrent. „Wir verlieren unsere jungen Leute an die Pressestellen“, berichtet Cornelia Haß. Das liege zum einen an den finanziellen Aussichten, aber auch daran, dass sich junge Leute in den Verlagen im digitalen Bereich häufig nicht ausleben könnten, wie sie es gerne würden. Dirk Benninghoff sieht das etwas anders. Auch Verlage setzten inzwischen auf Ideen im Online-Bereich – und auch in Agenturen gehe es nicht ausschließlich um digitale Projekte, sondern auch um klassische Textarbeit. Nicht unbedingt der finanzielle Aspekt, sondern die Arbeitsbedingungen seien interessant. „Wenn dort etwas schnell fertig werden muss, ist das für übermorgen.“ Das passt zu Patrick Neumanns Beobachtung, dass junge Journalistinnen und Journalisten nicht so selbstausbeuterisch seien wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Marcus Bartelt unterstreicht, wie wichtig Sicherheit sei. Der Journalismus verliere auch an Attraktivität, weil es immer weniger feste Stellen gäbe: „Freiberuflichkeit ist für viele meiner Studenten keine Option.“

Kommunikation in beide Richtungen

Dann doch lieber PR? Zumindest macht Stefan Müller, Director Media Relations & Editorial bei Vattenfall, Werbung für seinen Beruf. „Es ist beileibe nicht so, dass man nur Überbringer von Botschaften ist.“ Er nennt ein Beispiel, bei dem die Kommunikationsabteilung durch Abwägung der Folgen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen gehabt habe. Aus einem Kohlekraftwerk sei auf diese Weise schließlich ein Gaskraftwerk geworden.

Während viele Journalistinnen und Journalisten im Laufe ihrer Karriere in die PR wechseln, hat es Carolina Drüten andersherum gemacht. Sie hat erst in der PR für eine Abgeordnete im Europa-Parlament gearbeitet und lernt nun bei der Axel Springer Akademie. „Ich wollte immer Journalismus machen“, erklärt sie. Aber durch die PR-Arbeit habe sie lernen wollen, wie Parteien und politische Kommunikation funktionieren. Während PR als Sprachrohr in eine Richtung ziele, komme es im Journalismus auf die gesellschaftliche Relevanz von Themen an. Man sei auf der Suche nach „dieser ominösen Wahrheit“, von der niemand wisse, was das sei, sagt Carolina Drüten und lacht.

Problem der Kennzeichnung

Ob Wahrheitssuche oder gezielte Kommunikation: Einig sind sich alle Gäste, dass der Unterschied nach außen transparent dargestellt werden müsse. Wenn Unternehmen wie Red Bull eigene Fernsehkanäle betreiben, sei das ein großes Problem, sagt Cornelia Haß. Denn die Beiträge hätten nichts mit freier Berichterstattung zu tun. Problematisch sei es auch, wenn kritische Berichterstattung dem Ziel der Verbreitung eines Produkts untergeordnet werde, sagt Dirk Benninghoff. Das sei beispielsweise beim Sender „Sky“ zu beobachten. Mit Sportjournalismus habe das nicht mehr viel zu tun.

Wie sich der Beruf entwickeln wird – und ob es in Zukunft noch Printprodukte geben wird? Was diese Fragen betrifft, sind die Diskutierenden unterschiedlicher Meinung. Einig aber sind sie sich darin, dass es weiterhin Journalismus geben wird. „Ohne Journalismus gibt es keine Demokratie“, betont Cornelia Haß. Ohne PR vermutlich schon.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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